Vor elf Jahren, am 17. Februar 2011, begann der Niedergang Libyens / Baschagha scheint im Machtkampf mit Dabaiba die besseren Karten zu haben / Spaltung geht quer durch das Lager im westlichen Libyen und der Moslembruderschaft

 

Der 17. Februar 2011

Vor elf Jahren, am 17. Februar 2011, brachen im Osten Libyens von der Moslembruderschaft mit ausländischer Unterstützung geschürte Unruhen aus, die in eine Nato-Intervention übergingen und mit dem Sturz der Dschamahirija-Regierung und der Ermordung Muammar al-Gaddafis endeten.
Seitdem versinkt das Land im Chaos und das libysche Volk darbt vor sich hin, geplagt von Preissteigerungen, Benzinknappheit, tagelangen Stromausfälle, schlechter medizinischer Versorgung, erschwerten Reisebedingungen, Bargeldknappheit, schwerer Kriminalität wie Entführungen, Schutzgelderpressung, Schleppergeschäften, Drogen- und Waffenhandel. Die Jugend ist perspektivlos, viele junge Männer schlossen sich den Milizen an und kamen zu Tode. Ausländische Regierungen beherrschen den politischen Diskurs, Stellvertreterkriege werden geführt, die Türkei hat drei Militärbasen errichtet und besetzt den westlichen Teil Libyens.

In einem Bericht der Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass sich die Kosten des Libyenkonflikts seit 2011 auf rund 576 Milliarden USD belaufen. Daneben gingen die Ölausfuhren beträchtlich zurück, kam es zu einer veritablen Liquiditätskrise, ist der Wert des Libyschen Dinars schwer eingebrochen, ist die gesamte Wirtschaft am Boden  und zählt Libyen zu den korruptesten Staaten der Welt.
https://libyareview.com/21229/11-years-later-what-has-happened-to-libyas-economy-since-the-revolution/

Die USA begehen den Jahrestag, von dem an sich Libyen in einer ständigen Abwärtsspirale bewegt, mit Feierlichkeiten im Kreise der Moslembruderschaft.
Foto: https://twitter.com/LibyanAlliance/status/1493736684550340614

 

Zur Wahl von Fathi Baschagha als neuen Premierminister

Der Machtkampf zwischen dem neuen, vom Parlament gewählten Premierminister Baschagha, und dem von der ‚internationalen Gemeinschaft‘ beim LPDF eingesetzten alten Premierminister, der sich weigert abzutreten, geht weiter und zieht sich quer durch die politischen Institutionen, die ebenso wie der mächtige politische und militärische Akteur Misrata gespalten sind. Solange keine Wahlen stattgefunden haben, sind grundsätzlich weder Dabaiba noch Baschagha wirklich legitimiert, die politische Macht in Libyen auszuüben

+ 12.02.: Misrata-Milizen/Baschagha. Ein Großteil der Milizen von Misrata stellt sich quer. 65 Misrata-Milizen lehnten die Parlamentsentscheidung ab, nach der Fathi Baschagha zum neuen Premierminister ernannt wurde und es eine Änderung des Verfassungsentwurfs geben soll. Die Parlamentsentscheidung habe gegen Vereinbarungen des Genfer Dialogforums (LPDF) verstoßen.
https://libyareview.com/21137/armed-groups-in-west-libya-reject-prime-minister-appointment/
Die Vereinbarungen des LPDF sahen in erster Linie vor, dass Dabaiba Libyen in Wahlen führen sollte, was er aber nicht getan hat, und für die Dabaiba nicht hätte kandidieren dürfen, was er aber getan hat.

+ 13.02.: Tripolis/Misrata-Milizen/Baschagha. Agence France-Presse (AFP) berichtete, dass sich Milizen aus Misrata in Tripolis versammeln, um Dabaiba und seine vom Parlament abgesetzte Regierung zu unterstützen. 300 bewaffnete Fahrzeuge sollen auf dem Grünen Platz in Tripolis aufgefahren sein.
https://libyareview.com/21153/libyas-high-council-of-state-supports-new-prime-minister/
https://twitter.com/MstrMax11/status/1492466882552766466

+ 14.02.: Tripolis/Pro-BaschaghaAufmarsch. Bewaffnete Fahrzeug-Konvoys bringen hunderte Personen in den Westen von Tripolis, um Baschagha und das vom Parlament getroffene Prozedere zu unterstützen.
Video: https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1492859921070706690

+ 13.02.: Dabaiba/Parlament/Baschagha. Ein Artikel auf AlMarsad führt die Gründe auf, die zur Absetzung ad-Dabaibas und zur Ernennung Baschaghas als neuen Premierminister durch das libysche Parlament führten. Es wird darauf hingewiesen, dass es allen Anschein nach nur durch Bestechung möglich war, dass beim LPDF Dabaiba als Übergangspremierminister erkoren wurde. Auch habe sich Dabaiba entgegen seiner Zusagen für die inzwischen ausgesetzten Dezemberwahlen als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen und zu diesem Zweck gefälschte Universitätszeugnisse vorgelegt. Die Minister und Beamten seiner Regierung seien wiederholt der Bestechung und Korruption beschuldigt und einige davon sogar verhaftet worden. Dabaiba selbst habe öffentliche Gelder verschwendet und für seinen eigenen Wahlkampf genutzt. Außerdem habe er trotz des Entzugs des Vertrauens durch das Parlament sein Amt weiter ausgeübt. Jeder andere Politiker hätte aus Anstand seinen Posten längst räumen müssen. Inzwischen befürworteten Libyer aus allen Landesteilen, nicht nur aus dem Osten, die Absetzung von Dabaiba.
https://almarsad.co/en/2022/02/13/reports-highlight-reasons-that-led-to-parliaments-decision-to-replace-dbaiba-with-Baschagha/

+ 16.02.: Baschagha/Dabaiba. Nach dem Treffen von Baschagha mit dem Stadtrat seiner Heimatstadt Misrata und dem Ältestenrat der Stadt, sagte Baschaghas Berater ar-Ruwyati, dass „Baschagha nicht die Absicht hat, sich auf einen Konflikt mit der Dabaiba-Übergangsregierung einzulassen.“ Die Machtübergabe werde friedlich und reibungslos vonstattengehen. Dies sei angesichts der starken Legitimität auf allen lokalen und internationalen Ebenen möglich“.
https://libyareview.com/21195/new-libyan-prime-minister-expects-dbaiba-to-hand-over-power-smoothly/

+ 12.02.: Baschagha/Kabinett. Der gerade vom Parlament neu gewählte Premierminister Fathi Baschagha will sein neues Kabinett innerhalb von zwei Wochen vorstellen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1492455380135391240
Es sollte nicht vergessen werden, dass Baschagha der Moslembruderschaft sehr nahe steht und alles andere als ein Traumkandidat für den Posten eines Premierministers ist. Er kann dieses Amt ausschließlich für die Dauer einer neuen Übergangsregierung bis zu Wahlen ausüben. 2011 kämpfte Baschagha gegen das libysche Militär und die Dschamahirija-Regierung und ist für den Tod vieler Libyer verantwortlich. Einzig baldige Wahlen können Libyen aus dem Chaos führen.

+ 12.02.: Baschagha/Minister. Der Minister für Hochschulbildung in der Dabaiba-Regierung, Dr. Imran al-Gayib, reichte seinen Rücktritt ein und forderte die übrigen Minister auf, es ihm gleichzutun, um sich der neuen Regierung unter Baschagha anzuschließen.
https://twitter.com/MstrMax11/status/1492285611151183872

+ 12.02.: Baschagha/Libysche Stämme. Der Oberste Rat der Notabeln und Ältesten von Zintan (westliches Libyen) hieß die Ernennung von Baschagha gut. Der Rat sprach von „Freude und Vergnügen über das ruhige politische Klima, das sich aus der Einigung des Parlaments und der Wahl einer neuen Regierung“ ergebe.
Auch der Ältestenstammesrat der Tuareg (südliches Libyen) erklärte seine Unterstützung für Baschagha.
Der Hohe Rat der Jugend des Murzuk-Gebiets (Fessan) brachte ebenfalls seine Unterstützung für die neue Regierung und sein Vertrauen in das Parlament zum Ausdruck.
In der Hauptstadt Tripolis unterstützte die Demokratische Partei von Muhammad Sawan, ehemals Vorsitzender der Partei für Gerechtigkeit und Aufbau (Moslembruderschaft) die Wahl von Baschagha und begrüßte den Konsens zwischen Parlament und Obersten Staatsrat.
Misrata erscheint gespalten. Während sich Milizen gegen Baschagha aussprechen und bewaffnete Konvoys nach Tripolis entsandten, erklärten verschiedene Notabeln, Älteste, Aktivisten und Institutionen der Zivilgesellschaft ihre Unterstützung für die Ernennung eines neuen Premierministers, der das Land in Wahlen führen soll.
Die Stadt az-Zawiya (westliches Libyen) sprach sich gegen eine Baschagha-Regierung aus und bezeichnete seine Wahl durch das Parlament als Betrug, dessen Folgen Streit und Krieg sein könnten.
https://libyarise.com/the-internal-reactions-to-the-nomination-of-Baschagha-as-prime-minister-continue/
Zawiya ist die Hochburg des Schleuserunwesens und der Schmuggelgeschäfte.

+ 13.02.: Baschagha/Hoher Staatsrat. Der Vorsitzende des libyschen Hohen Staatsrats (HCS), Khaled al-Mischri, stellte sich hinter die Entscheidung des Parlaments, Fathi Baschagha als Nachfolger von Abdelhamid ad-Dabaiba zum neuen Premierminister zu ernennen. Al-Mischri beschuldigte die Dabaiba-Regierung, „eine gezielte Kampagne gegen das Parlament und den Obersten Staatsrat zu führen“.
https://libyareview.com/21153/libyas-high-council-of-state-supports-new-prime-minister/

+ 13.02.: 5+5-Militärkommission/Baschagha/Dabaiba. Ein Mitglied der hochrangig besetzten und gemeinsamen 5+5-Militärkommission (JMC), Generalleutnant Faradsch as-Sawaa, erklärte, dass die JMC bestrebt ist, die militärischen Institutionen so bald wie möglich zu vereinigen. Dies insbesondere, nachdem das Parlament eine neue Regierung unter Fathi Baschagha ernannt hat. As-Sawaa hofft, dass sich „die Sicherheitslage unter der neuen Regierung verbessern wird“. Die JMC sei allerdings besorgt, dass sich Dabaiba, der scheidende Premierminister der Übergangsregierung, weigern könnte, die Macht an Baschagha zu übergeben und sich stattdessen die Loyalität einiger Milizen erkaufen werde, um die Lage zu eskalieren. Dabaiba habe nichts dazu beigetragen, die ausländischen Söldner aus Libyen zu entfernen und die Milizen zu entwaffnen.
https://libyareview.com/21149/will-libya-have-a-unified-army-soon/

+ 16.02.: 5+5-Militärkommission. Vertreter der Gemeinsamen Libyschen 5+5-Militärkommission (JMC) riefen alle Parteien auf, „Zurückhaltung zu üben und den nationalen Interessen Vorrang vor parteipolitischen oder persönlichen Interessen zu geben“. Es seien ernsthafte Bedenken entstanden, dass die Friedensbemühungen bedroht sind und Gefahr laufen, zusammenzubrechen. Die Durchführung von Wahlen müsse beschleunigt werden, damit das Land in Sicherheit gebracht werde.
https://libyareview.com/21209/libyas-joint-military-committee-peace-efforts-may-collapse/

+ 14.02: Hoher Staatsrat/Präsidialrat. Der Vorsitzende des libyschen Präsidialrats (PC), Mohamed al-Menfi, traf sich mit einer Delegation des Hohen Staatsrats (HCS) unter Leitung von Khalid al-Mischri. Al-Menfi begrüßte den derzeitigen Konsens zwischen dem libyschen Parlament und dem HCS über die Ernennung des neuen Premierministers Baschagha.
https://libyareview.com/21169/al-mnifi-hails-agreement-over-new-libyan-government/

+ 15.02.: Parlament/Hoher Staatsrat/Verfassungsentwurf. 54 Mitglieder des Obersten Staatsrats erhoben Einwände gegen verschiedene Punkte der vom Parlament verabschiedeten Änderungen zum Verfassungsentwurf. Kritisiert wurde auch, dass der Übergangspremierminister Dabaiba nicht vom Parlament abgesetzt werden könne, da er auch nicht von diesem ernannt worden sei. Dem Vertrauensentzug von Dabaiba werde nicht zugestimmt.
https://libyarise.com/statement-by-members-of-the-state-council-opposing-consensus-with-parliament-on-the-constitutional-amendment/
Das Parlament hatte aber der Ernennung der Übergangsregierung unter Dabaiba nach deren Einsetzung durch das LPDF zugestimmt – diese Zustimmung war vereinbart worden. Der Hohe Staatsrat, in dem die Moslembruderschaft das Sagen hat, ist gespalten.

+ 14.02.: Russland/Baschagha. Russland äußerte sich zufrieden über die Entscheidung des Parlaments und die Empfehlung des Staatsrats zur Ernennung von Baschagha zum neuen Premierminister. Russland hoffe, dass „die neue libysche Regierung unter der Führung von Fathi Baschagha in der Lage ist, die libysche Gesellschaft zu vereinen und dabei zu helfen, die schwierigen Aufgaben der Übergangszeit, einschließlich der Vorbereitungen für die nationalen Wahlen, erfolgreich zu bewältigen“.
https://libyarise.com/russia-expresses-its-support-for-the-new-government-headed-by-pashagha/

+ 12.02.: EU. Der EU-Sprecher für Außen- und Sicherheitspolitik, Peter Santo, erklärte, die EU sei entschlossen, die Stabilität in Libyen und den demokratischen Übergangsprozesses im Rahmen der UN-Vermittlungsbemühungen zu unterstützen, ebenso wie Entwicklung eines Verfahrens zur Verwaltung der Öleinnahmen, wobei Wirtschaftsreformen Vorrang haben.
https://libyareview.com/21143/eu-confirms-support-for-democracy-in-libya/
Es soll sich alles in Richtung Neoliberalismus bewegen.

+ 17.02.: Türkei/Baschagha. Der türkische Präsident Erdogan hat sich zur Ernennung Baschaghas als neuen Premierminister ablehnend geäußert. Die Türkei „ glaubt nicht, dass eine neue Übergangsregierung in Libyen für das Land hilfreich ist“. Er werde weiterhin die Dabaiba-Regierung unterstützen. Allerdings seien auch die Beziehungen zu Fathi Baschagha gut.
https://libyareview.com/21238/erdogan-rejects-new-libyan-government/
Dabaiba und Baschagha – beide Moslembrüder. Zu seiner Zeit als Innenminister in der Sarradsch-Regierung unterstützte die Türkei Baschagha.

+ 15.02.: Studentenschaft/Neue Regierung. Der Allgemeine libysche Studentenverband äußerte sich lobend über die Bemühungen, dass zwischen dem Parlament und dem HCS ein Konsens gefunden wurde. Der neuen Baschagha-Regierung wurde das Vertrauen ausgesprochen.
Zur abgesetzten Dabaiba-Regierung hieß es, sie habe den Studenten falsche Versprechungen in Bezug auf Stipendien und Lehrbücher gemacht und die Gewerkschaften auf allen Ebenen behindert, deren Mitglieder verhaftet und bedroht worden seine. Die UNSMIL wurde dazu aufgerufen, sich an der Suche nach einem Konsens in Libyen zu beteiligen und nicht an den politischen Konflikten.
https://libyareview.com/21171/we-suffered-false-promises-libyas-student-union-supports-new-government/

+ 15.02.: UN/Neue Regierung. Stephane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs Guterres, sagte: „Wir haben einen Premierminister, mit dem sich die UN-Beraterin Stephanie Williams getroffen hat, Abdelhamid Dabaiba, und wir haben einen designierten Premierminister, Fathi Baschagha, dem eine Frist gesetzt wurde, um eine Regierung zu benennen. Es liegt am libyschen Volk“. Es dürfe keine Gewalt angewendet werden. Dujarric forderte die libysche Führung auf, die Interessen der 2,8 Millionen Bürger, die sich für die Wahlen registriert haben, in den Vordergrund zu stellen.
https://libyareview.com/21191/un-new-government-in-libya-up-to-the-people/

+ 18.02.: Dabaiba/Stefanie Williams. Der Sprecher der noch im Amt befindlichen Übergangsregierung von Dabaiba, Muhammad Hammouda, hat Stephanie Williams, die Sonderberaterin des UN-Generalsekretärs, angegriffen und ihr vorgeworfen, voreingenommen zu sein. Sie unterstütze die Positionen von Parteien, die die Wahlen verschieben wollten. Diese Aussage stufte die US-Botschaft in Libyen als bedauerlich ein.
https://libyarise.com/the-us-embassy-in-libya-responds-to-the-accusations-of-the-dabaiba-government-spokesman-stephanie-williams/
Es rappelt im Karton. Das kommt davon, wenn man über die eigenen Widersprüche stolpert. Hier vergisst wohl jemand, dass gerade Dabaiba dafür die Verantwortung trägt, dass die Dezemberwahlen ausgesetzt wurden. Das Chaos verstärkt sich und die Linien verschieben sich.

+ 17.02.: Deutschland/Libyen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz traf sich am Rande des EU-Afrika-Gipfels in Brüssel mit dem Vorsitzenden des libyschen Präsidialrats Mohamed al-Menfi. Scholz rief dazu auf, „Präsidentschaftswahlen auf einer einvernehmlichen verfassungsrechtlichen Grundlage abzuhalten und dem Wunsch des libyschen Volkes zu entsprechen, seine Führung zu wählen.“ Al-Menfi stelle fest, dass eine dauerhafte Beendigung der Krise in Libyen auf allen Ebenen nur durch eine nationale Aussöhnung möglich sein wird.
https://libyareview.com/21257/libya-germany-discusses-latest-political-developments/

+ 18.02.: Sicherheitskonferenz/Libyen. Italien forderte zu einem Treffen der G7-Außenminister am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz auf, um sich mit den Entwicklungen in Libyen zu beschäftigen.
https://libyareview.com/21260/g7-to-discuss-libyan-crisis-on-saturday/

 

Weitere Nachrichten aus Libyen

+ 17.02.: Verfassung. Die Einsetzung einer neuen Verfassung ist ein heißes Thema. LibyaHerald gibt unumwunden zu, nur wenn eine Regierung unter einer neuen Verfassung gewählt würde, sei sie ausreichend legitimiert, „radikale Reformen“ der Gesetze und innerhalb der Wirtschaft durchzuführen, während heute immer noch zum Großteil Gesetze des „sozialistischen/wohlfahrtsstaatlichen Systems aus der Gaddafi-Zeit gelten. Davon müsse sich Libyen „befreien“.
Weiter heißt es: „Eine verfassungsmäßige Regierung würde auch die ausländischen Verbündeten Libyens stärken. Sie wären in der Lage, die aktuelle Regierung in einer Vielzahl von Bereichen – einschließlich der Reform des Sicherheitssektors und der Zurückdrängung der Milizen im Land – nachdrücklicher zu unterstützen.“
https://libyaherald.com/2022/02/eleven-years-on-from-ending-the-qaddafi-regime-libya-is-no-nearer-political-stability-as-political-elites-extenuate-weak-government-and-institutions/
Unverhohlener geht es ja nicht mehr: Der Sozialstaat muss weg, dafür soll dem Siegeszug des Neoliberalismus und Kapitalismus zum Vorteil der Großkonzerne der Weg bereitet werden. Und dies unter der Aufsicht ausländischer, fremder Staaten. Ist es das, was sich die Libyer für die Zukunft erhoffen?

+ 12.02.: Türkei/Tripolis. Laut Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums hat die Türkei bisher 8.500 Milizenangehörige in der Türkei und in Libyen ausgebildet, weitere 1.500 Angehörige befänden sich noch in der Ausbildung. Die Türkei habe mit der Entschärfung von Minen und der Bereitstellung von medizinischen Fachkräften in einem Krankenhaus in Tripolis zur Stabilität und zum politischen Prozess in Libyen teilgenommen.
https://almarsad.co/en/2022/02/12/the-turkish-ministry-of-defense-we-trained-8500-libyan-soldiers/
Von den drei Militärbasen, die die Türkei in Libyen besetzt hält (al-Watiya, Misrata und bei Bani Walid), und ihren Kriegshandlungen gegen die LNA im Mai 2020 spricht die Türkei lieber nicht.

+ 12.02.: Erdöl/Erdgas. Forbes weist in einem Artikel darauf hin, dass sich die Öl- und Gaslieferungen von vor dem Nato-Krieg gegen Libyen von 300 Millionen Barrel/Jahr auf jetzige 100 Millionen Barrel/Jahr verringert haben. Europa sei ein wichtiger Markt, da das Gas vom al-Wafa-Feld nahe der algerischen Grenzen mittels der Green-Stream-Pipeline durch die Sahara und unter dem Mittelmeer nach Sizilien transportiert werde. Libyen verfüge über etwa 40 % der Erdgasreserven in Afrika und Erdöl von hoher Qualität bei niedrigen Förderkosten und könnte mithelfen, die Erdgaskrise in Europa zu lösen. Dazu sei es allerdings erforderlich, dass Frieden im Land herrsche.
Die US-Regierung soll bereits Gespräche mit libyschen Behörden zwecks Erhöhung der Fördermenge geführt haben, falls es zu militärischen Konfrontationen in der Ukraine kommt.
https://libyarise.com/forbes-political-risks-may-complicate-libyan-gas-supplies-to-europe/
Bei einem Ukraine-Krieg libysches Öl und Gas für Europa? Da müsste sich vorher in Libyen aber grundsätzlich sehr viel ändern, damit es seine Fördermengen erhöhen kann.

+ 16.02.: Erdölministerium/NOC. Erdölminister Mohamed Aoun beschuldigte den Vorsitzenden der National Oil Corporation, Mustafa Sanella, er habe sein Büro abhören und ausspionieren lassen und technische Störungen verursacht. Dies müsse Konsequenzen haben. Sanella hat bisher auf die Vorwürfe nicht reagiert. Aoun versuchte schon zweimal, Sanella zu suspendieren, doch dieser wurde jeweils von Dabaiba im Amt gehalten.
https://libyareview.com/21213/did-libyas-national-oil-corporation-spy-on-oil-minister/

+ 16.02.: Palästina/Libyen. Nachdem sich der palästinensische Premierminister Mohammad Schtaije bei seinem Libyenbesuch mit Parlamentspräsidenten Saleh und Präsidialratsvorsitzenden Minfi getroffen hat, unterzeichnete er mit noch Premierminister Dabaiba ein Memorandum of Understanding (MOU), das besagt, dass ein Komitee der beiden Länder im Umwelt-, Wirtschafts- und Technologiebereich ins Leben gerufen werden soll.
https://almarsad.co/en/2022/02/16/dbaiba-signs-mou-to-form-joint-ministerial-committee-between-libya-and-palestine/

+ 15.02.: Tripolis/Mord. Eine bewaffnete Gruppe ermordet Ibrahim al-Nalouti, seine Frau, seinen Sohn und seine Tochter, nachdem sie deren Haus im Zentrum von Tripolis gestürmt haben.
https://twitter.com/TheLibyaUpdate/status/1493605256080547841

+ 13.02.: Migration/Malta. Libyen und Malta hatten sich darauf geeinigt, in jedem Land eine aus drei Personen bestehende Koordinierungsstelle einzurichten, die bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung behilflich sein soll. Nun wurde auf Malta ausgerechnet der ehemalige Gefängnisdirektor Alex Daly zum Sonderbeauftragten der maltesischen Regierung für libysche Angelegenheiten ernannt, zuständig für die Zusammenarbeit mit Libyen in Sachen Migration und Menschenhandel. Daly ist bekannt für seine brutalen Methoden und die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Gefangenen zu leiden hatten.
https://libyarise.com/controversy-sparked-by-the-high-salary-of-the-representative-of-malta-in-libya/
Daly passt doch bestens zur libyschen Küstenwache und zu den menschenverachtenden Vorgängen, die man aus den libyschen Migrantenlagern kennt. Da haben sie genau den Richtigen ausgesucht.

+ 12.02.: Ägypten/Deutschland. Deutschlands Außenministerin Baerbock zu Gesprächen mit dem ägyptischen Außenminister Schukri in Kairo. Hauptthemen sind Umwelt- und Klimaschutz. Daneben forderte Baerbock, die UN-Sondermission in Libyen (UNSMIL) zu unterstützen. Schukri betonte, dass der jüngste Konsens zwischen dem Parlament und dem Hohen Staatsrat (HCS) ein wichtiger Schritt in Richtung Einigkeit sei. Er sagte auch, es gebe keine militärischen Lösungen für die Libyenkrise und wies darauf hin, dass Ägypten in ständigem Kontakt mit allen Parteien in Libyen stehe.
Baerbock traf auch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah as-Sisi sowie mit einer Reihe hochrangiger ägyptischer Beamter zusammen, um regionale und internationale Fragen zu erörtern, insbesondere im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen in Libyen.
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/baerbock-kairo-101.html
https://libyareview.com/21139/egypt-stresses-need-for-non-military-solution-in-libya/

+ 12.02.: Radschab Abu Dabous. Libyen trauert um den verstorbenen Philosophen, Schriftsteller und Universitätsprofessor Radschab Abu Dabous, der am 11. Februar im Alter von 81 Jahren verstorben ist.
Der 1944 in Bengasi geborene Radschab Abu Dabous war nicht nur als Literat tätig, sondern auch als Übersetzer bedeutender internationaler Werke ins Arabische. Zu Zeiten der Dschamahirija war er unter anderem als Sekretär des Allgemeinen Volkskomitees für Medien und Kultur tätig. Dabous war als „Denker der Revolution“ und Vertreter der von Muammar al-Gaddafi begründeten „Dritten Universaltheorie“ bekannt. Im Februar 2011 wurde er inhaftiert.
https://libyarise.com/the-death-of-the-writer-researcher-university-professor-rajab-abu-dabbous/

+ 12.02.: Archäologie. In Tripolis wurde eine etwa 2000 Jahre alte römische Grabanlage mit Grabbeigaben entdeckt.
https://libyareview.com/21132/2000-year-old-ancient-cemetery-discovered-in-libyan-capital/

+ 17.02.: Libysche Küche. Wohlschmeckend und gesund.
https://twitter.com/Fatima_Ahdash/status/1494043817439383562

Aus anderen Ländern

+ 12.02.: Westafrika. Sabine Kebir schreibt auf Freitag: „So deutet sich im noch immer von Frankreich abhängigen Westafrika eine zweite antikoloniale Revolution an. Ob sie in absehbarer Zeit gelingt und das zu Hilfe gerufene Russland sich dabei nicht übernimmt, ist offen. Die als >langer Arm Moskaus< geltenden Wagner-Söldner sollen schon ihre Bereitschaft bekundet haben, auch die Armee von Burkina Faso zu unterstützen. So verdichtet sich die Lage in Westafrika zum Desaster für Emmanuel Macrons Wahlkampf um die zweite Präsidentschaft. Man muss ihm zugestehen, dass er anders als Vorgänger François Hollande die Krise geahnt hat, die aber mit der Rückgabe geraubter Kulturgüter allein nicht durchzustehen ist.
https://www.freitag.de/autoren/sabine-kebir/westafrika-zweite-antikoloniale-revolution

+ Mali. „Paris, einige europäische Staaten sowie Kanada haben am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung angekündigt, ihre Truppen aus Mali abzuziehen. In den vergangenen Wochen war es zu schweren politischen Auseinandersetzungen zwischen einigen westlichen Staaten und dem afrikanischen Land gekommen. […] Zugleich teilten die westlichen Staaten unter der Führung Frankreichs mit, weiterhin in der Region militärisch aktiv sein zu wollen und sprachen konkret von einem >gemeinsamen Vorgehen gegen den Terrorismus in der Sahelzone, einschließlich in Niger und am Golf von Guinea<.“
https://de.rt.com/international/131748-frankreich-verkundet-ruckzug-aus-mali/
Ein Hauch von Afghanistan.

+ Burkina Faso. „Burkina Faso organisierte den Prozess gegen die Mörder von Thomas Sankara vom 15. Oktober 1987. Sankara war der Führer der afrikanischen Revolutionäre, oft verglichen mit Che Guevara. Er war antiimperialistisch, sozialistisch, panafrikanistisch und Dritte-Welt-Anhänger. Er wurde mit 12 seiner Männer von einem Kommando zugunsten von Blaise Compaore, der ihm nachfolgte, ermordet.“
https://www.voltairenet.org/article215628.html

+ 6. EU-Afrika-Gipfel in Genf. „Viele afrikanische Staaten betrachten den europäischen Ehrgeiz allerdings mit Skepsis. Sie fürchten, dass es den Europäern am Ende wieder vor allem darum gehen könnte, von den afrikanischen Ressourcen zu profitieren. Macky Sall, der Präsident der Afrikanischen Union, verlangte deshalb eine gleichberechtigte Partnerschaft mit Europa, denn Afrika habe sich verändert.“
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-afrika-gipfel-123.html

+ USA/Syrien. „Nach Angaben des russischen SVR (Russischer Auslandsgeheimdienst – Служба внешней разведки) ist die CIA dabei, sich wieder mit den Dschihadisten in Nordsyrien zu verbinden. Sie würde sie rekrutieren, um sporadische Angriffe gegen die syrisch-arabische Armee durchzuführen. […] Die Eliminierung des Kalifen von Daesch, Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurashi, durch ein US-Kommando am 3. Februar ermöglichte es, einen fügsameren Führer in seine Nachfolge zu setzen.“
https://www.voltairenet.org/article215702.html

+ USA/Afghanistan. Die USA wollen zwar die in den USA eingefrorenen afghanischen Staatsgelder in Höhe von 6,1 Milliarden Euro freigeben, aber nur die Hälfte den Afghanen überlassen. Die andere Hälfte soll einbehalten und an Opfer von 9/11 ausgezahlt werden. Eine kriminelle Aneignung fremden Geldes.
In Afghanistan fanden Demonstrationen für die Freigabe des gesamten afghanischen Geldes statt.
http://german.cri.cn/kommentar/alle/3259/20220213/735170.html
„Die USA hatten die Auslieferung [von bin Laden] vor den Anschlägen vom 11. September beantragt. Die Taliban antworteten, dass sie diese Anfrage untersuchen müssten und dass Washington ihnen die Beweise gegen bin Laden übergeben müsse, was sie nie getan haben. Nach den Anschlägen verfolgten die Taliban die gleiche Linie. Sie forderten Washington auf, die Beweise gegen bin Laden auszuhändigen, was sie nie taten und es vorzogen, mit dem Vereinigten Königreich dieses Land zu überfallen.“
https://www.voltairenet.org/article215727.html

+ GB/USA. Thierry Meyssan schreibt auf Voltaire.net: „Washington und London versuchen, ihre Dominanz über Europa zu bewahren. […] Letztendlich wird dieser oder jener Verbündete irgendwann aufhören, sich vor Washington und London zu verneigen. Die pro-chinesischen Äußerungen des polnischen Präsidenten Andrzej Duda oder die pro-russischen des kroatischen Präsidenten Zoran Milanović geben einen Vorgeschmack darauf, was passieren könnte“.
https://www.voltairenet.org/article215555.html

+ Ukraine/USA/Russland. Sehr bemerkenswerte und hörenswerte Analyse des gegenwärtigen Ukraine-Konflikts und der unterschiedlichen Geostrategien von den  USA und von Russland von Michael Lüders:
https://youtu.be/O_3Z7oK67Yk

+ USA/Russland. Chinesische Analysten nennen Gründe, warum die gegenwärtige Ukraine-Krise den USA zugutekommt: „Legitimierung ihrer militärischen Präsenz in Europa durch Dämonisierung Russlands und Vergiftung der Beziehungen zwischen Russland und der EU, Erhöhung der Unsicherheiten und Sorgen, um der Wirtschaft der Eurozone zu schaden, so dass es zu einer verstärkten Kapitalflucht vom Kontinent in die USA kommt und somit der Inflationsdruck in den USA nachlässt, und Nutzung der Spannungen, um die Beziehungen zwischen China und Russland zu stören.“
https://www.globaltimes.cn/page/202202/1252149.shtml
nach Nachdenkseiten: https://www.nachdenkseiten.de/?p=80885#h01

+ Ukraine. Die Sicht von Thierry Meyssan auf die gegenwärtige Situation im Ukraine-Konflikt:
https://www.voltairenet.org/article215708.html