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Generation Z: vernachlässigt in der smartphonebasierten Welt – überbehütet in der realen Welt

Generation Angst von Jonathan HaidtIn dem Buch „Generation Angst – Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen“ von Jonathan Haidt geht es um die schädlichen Auswirkungen von Smartphones und sozialen Medien auf die psychische Gesundheit der sogenannte Generation Z, das heißt, um jene jungen Menschen, die nach 1995 geboren wurden und die sich nach Meinung von Haidt durch den übermäßigen Aufenthalt in der virtuellen Welt ebenso wie aufgrund von Überbehütung zu einer ängstlichen Generation entwickelt haben.
Beide Trends zusammen – Überbehütung in der wirklichen Welt und Unterbehütung in der virtuellen Welt – führten dazu, dass aus der Generation Z die „Generation Angst“ wurde.

Jonathan Haidts Sachbuch ist in klarer, gut verständlicher Sprache verfasst, hirnphysiologische Erkenntnisse, wissenschaftliche Untersuchungen und daraus hergeleitete Diagramme sind leicht fassbar dargestellt. Die in dem Buch vorgenommene sozialpsychologisch-wissenschaftliche Einordnung dessen, was viele schon lange hinsichtlich des exzessiven Gebrauchs von Smartphones ahnten, macht die Stärke dieses Buches aus. Allerdings bezieht sich Haidt hauptsächlich auf us-amerikanische Mittelschichtfamilien; eine Eins-zu-eins-Übertragung auf die Verfasstheit der deutschen Gesellschaft erscheint daher nicht angezeigt.

Haidt vertritt die These, dass durch den Gebrauch von Smartphones die Jugendlichen dazu verführt werden, viele Stunden online zu verbringen und deshalb nur noch wenig Zeit für körperlich-soziale Verhaltensweisen im echten Leben bleibt. Damit käme es im Gehirn von Kindern und Jugendlichen zu einer schädliche Neuverdrahtung. Der Übergang von einer „spielbasierten Kindheit“ auf eine „smartphonebasierte Kindheit“ habe in den späten 1980er Jahren begonnen. Dazu käme eine katastrophale Überbehütung der Kinder in der realen Welt, die auch in Überwachung umschlagen kann, wodurch die Autonomie in der wirklichen Welt massiv eingeschränkt werde.

Eine Flutwelle

Im ersten Teil belegt Haidt, wie sich die psychische Gesundheit von Teenagern im 21. Jahrhundert verschlechtert hat. Es sei zu einer Zunahme vor allem von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen gekommen, wovon insbesondere Mädchen betroffen sind. Die Einführung des Smartphones ab 2007 und die rasche Zunahme von Social-Media-Kanälen ab 2012 sind als wichtigste Wegmarken zu benennen, da von nun an das Internet und damit die sozialen Medien rund um die Uhr verfügbar waren. Zu dieser Zeit begannen laut internationalen Erhebungen die Teenager vermehrt unter Depressionen zu leiden; je intensiver die Nutzung, umso stärker das Leiden. Besonders betroffen waren Mädchen, doch zeige sich diese Entwicklung über sämtliche Bevölkerungsgruppen. Haidt belegt dies differenziert anhand vieler empirischer Studien und Grafiken. Die Möglichkeit, fast ständig online zu sein, habe „eine historische und beispiellose Transformation der menschlichen Kindheit“ zur Folge gehabt. Inzwischen sei eine Generation herangewachsen, die ihre gesamte Pubertät hauptsächlich in der virtuellen Welt verbrachte.

Der Niedergang der spielbasierten Kindheit

Im zweiten Teil beschäftigt sich Haidt mit der wachsenden elterlichen Ängstlichkeit und Überbehütung. Die Adoleszenz als eine Art „kultureller Lehrzeit, bevor man als Erwachsener angesehen und behandelt wird“, habe ausgedient, stattdessen würden Kinder in eine virtuelle Welt gelockt. Es fehle an freiem Spiel, an körperlichem Spiel, an einem gewissen Maß an körperlichem Risiko. Denn: „Erfahrungen, und nicht Information, sind der Schlüssel zur emotionalen Entwicklung.“ Smartphones dienten dabei bedauerlicherweise als „Erfahrungsblocker“. Es sei eine große „Neuverdrahtung“ der Kindheit zwischen 2010 und 2015 aus der wirklichen in die virtuelle Welt erfolgt, da es an physischer Interaktion als tiefer Teil der menschlichen Evolution fehle, und dies führe zu einem Gefühl der Einsamkeit. Es gebe eine sensible Phase zwischen neun und fünfzehn Jahren für kulturelles Lernen, dessen Zeitfenster sich dann schließt. Gerade die Pubertät sei damit die sensibelste Phase für den schädigenden Einfluss von sozialen Medien.

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Kurznachrichten Libyen – 21. bis 31. Juli 2024

Libyen: heruntergewirtschaftet und am Ende
Nach Gewaltausbruch wieder fragile Ruhe in az-Zawiya / Waffendepot explodiert in Zinten / Skandal um Militärausbildung in Südafrika / Scheich Ali Abu Sabiha soll Fessan verlassen / Machtkampf im Staatsrat um Wahl des Vorsitzenden / Verurteilungen im Derna-Staudammbruch-Strafprozess / Haftars Sohn bei Erdogan / Libyen zehntkorrupteste Land der Welt

Az-Zawiya

+ Am 22. Juli wurde ein junger Mann namens Rafik Karima in az-Zawiya (45 km westlich von Tripolis) durch einen Kopfschuss getötet.
Rafik Karima wurde von der Staatsanwaltschaft in mehr als acht Anklagepunkten gesucht. Es besteht der Verdacht, dass er von den eigenen Leuten liquidiert wurde, um schwere Verbrechen zu vertuschen.
Az-Zawiya ist aufgrund der Nähe zur Hauptstadt und der Rolle als wichtiger Knotenpunkt für die libysche Öl- und Gasindustrie von strategischer Bedeutung.
https://libyareview.com/46398/young-man-shot-dead-in-armed-clashes-in-al-zawiya/
https://x.com/SaifFuture/status/1815478681378095430

+ Am 23. Juli kommt es in az-Zawiya zu Zusammenstößen zwischen Milizen. Bei Schießereien wurden die Autos von Zivilisten getroffen.
Es kam zu erheblichen Beschädigungen von Häusern.
https://x.com/libyapress_2010/status/1815763282159972789
https://x.com/SaifFuture/status/1815791572622967060
https://x.com/libyapress_2010/status/1815802600669003979

+ Der Rote Halbmond forderte die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und die Möglichkeit zur Evakuierung von Zivilisten.
Zwischenzeitlich konnten 40 Familien in Sicherheit gebracht werden.
Der Rettungsdienst warnte die Bürger vor Benutzung der Küstenstraße. Die Universität sagte Examensprüfungen ab.
https://x.com/libyapress_2010/status/1815816148790714617
https://x.com/alwasatengnews/status/1815864668877168831

+ Am 24. Juli herrschte Ruhe in az-Zawiya. Infolge der jüngsten Kämpfe wurden 13 Verletzte gezählt. Die Zusammenstöße seien auf Spannungen zwischen Jugendlichen zurückzuführen, die zum einen dem  Sicherheitsdienst des Innenministeriums angeschlossen waren und zum anderen dem Generalstab.
https://x.com/libyapress_2010/status/1816120868499537927

+ Middle East Online-Website: Die wiederholten Kampfhandlungen sind ein Hinweis auf die fragile Sicherheitslage und die Unfähigkeit von ad-Dabaiba, sie zu kontrollieren. Az-Zawia sei wegen seiner Milizen weiterhin auf dem Weg der Gewalt.
https://x.com/libyapress_2010/status/1816050193017553079

Fragile Sicherheitslage am Grenzübergang Ras Adschdir

+ Der Grenzübergang zu Tunesien, Ras Adschdir, wird von libyscher Seite am 23. Juli durch einen Sitzstreik blockiert, da die Forderungen der Protestierenden aus der Gemeinde Zuwara nicht erfüllt wurden.
Der grenzüberschreitende Handel zwischen Libyen und Tunesien ist von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaft der Grenzregion, in denen viele Familien für ihren täglichen Bedarf auf Schmuggelwaren und Treibstoff angewiesen sind. Die Grenzschließungen haben beträchtliche Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft in Ben Gardane und anderen tunesischen Städten.
https://libyareview.com/46392/what-are-the-economic-consequences-of-border-closures-for-libya-tunisia/

+ Am Grenzübergang Ras Adschdir konnte sich laut Zeugenberichten die Schmugglerfraktion durchsetzen: Innenminister Imad Trabelsi hat die Erkennungs- und Inspektionsfahrzeuge (Scanner) vom Grenzübergang Ras Adschdir abgezogen.
Die Lage bleibt angespannt.
https://x.com/libyapress_2010/status/1816193574352085083

+ Am 29. Juli kam es erneut zu Zusammenstößen am Grenzübergang Ras Adschdir zwischen mit dem Innenminister Trabelsi verbundenen Milizen und Milizen aus Zuwara.
https://x.com/libyapress_2010/status/1817688185188880409

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Keine Stimme mehr für die Kriegstreiber und ihre Parteien

GASTBEITRAG

Noch nie war die Gefahr für unser Land in einen weltweiten Krieg hineingezogen zu werden so groß wie jetzt. Einen Krieg, der mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Massenvernichtungswaffen ausgetragen wird und ein völlig verwüstetes Europa zurückläßt.

Seit ca. 10 Jahren führen NATO und Rußland einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine, in dem sie unterschiedliche Kriegsparteien aufrüsteten und unterstützten (der Westen die Kiewer Zentralregierung, Rußland die unterdrückte Minderheit in der Ostukraine).  Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine 2022 und den antirussischen Sanktionen des Westens wurde dieser Krieg auf ein neues Eskalationsniveau gehoben.

Strategisch gesehen ist die Ukraine mittlerweile derartig im Nachteil, daß auch die Lieferung angeblicher „Wunderwaffen“ wie der Taurus-Marschflugkörper keine Trendwende in diesem Krieg mehr bringen können. Sie taugen zwar für einzelne „Nadelstiche“ gegen Rußland, werden aber keinen Abzug der russischen Truppen erzwingen können – aber sie verstricken Deutschland immer stärker in einen Krieg mit Rußland und machen unser Land zur Zielscheibe für russische Raketen.

Auf den Schutz durch die NATO kann sich Deutschland auch nicht wirklich verlassen, wenn man bedenkt daß unsere „Verbündeten“ mit hoher Wahrscheinlichkeit die Nordstream-Pipeline gesprengt haben. Das zeigt, daß auch die meisten NATO-Staaten vorrangig nur Eigeninteressen verfolgen.

Das Einzige, was der Ukraine hilft, ist ein Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen. Jede weitere Kriegswoche verschlechtert die Situation für das Land und schwächt damit seine Verhandlungsposition! Minimale Erfolge, die in unseren Medien propagandistisch aufgebauscht werden, sollen vor allem den Durchhaltwillen der europäischen Bevölkerung stärken.

Doch jeder weitere Kriegstag verlängert das sinnlose Sterben auf beiden Seiten und die Zerstörung der Heimat von Millionen Menschen!
Wer der Ukraine helfen will, verheizt sie nicht in einem Krieg, in dem sie keine Chance hat!

Es ist das Interesse der USA, ihren Widersacher Rußland so lange wie möglich in der Ukraine festzunageln und militärisch zu beschäftigen, um ihn so zu schwächen. Die US-hörigen Parteien der Ampel-Koalition und die CDU wollen (oder müssen?) weiter Milliarden Steuergelder in diesen Krieg pumpen, während es in unserem Land an allen Ecken und Enden fehlt.

Die Unterzeichner dieses Schreibens rufen daher die Wählerinnen und Wähler in Deutschland auf, die EU-Wahl im Juni 2024 zu einer „Volksabstimmung“ über die weitere Unterstützung des Kriegskurses zu machen! Nur wenn die Kriegs(voran)treiber einen Denkzettel bei der Wahl bekommen, kann man sie zu einem Umdenken bringen, da in diesem und im nächsten Jahr noch weitere wichtige Wahlen anstehen.

Wenn Deutschland – einer der wichtigsten Kriegsfinanziers – ankündigt, sich für Verhandlungen einzusetzen, kann das in Europa ein Umdenken auslösen!

Darum rufen wir die Bürgerinnen und Bürger auf, ihr Wahlrecht wahrzunehmen und zur EU-Wahl zu gehen und für Parteien zu stimmen, welche sich für Verhandlungen und ein Ende des Krieges einsetzen. Wir rufen nicht auf, ausdrücklich für diese oder jene Partei zu stimmen. Wir sind sicher, das Gespür der Wählerinnen und Wähler für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Demokratie ist stark genug entwickelt, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen.

Die unterzeichnenden Gruppierungen: Aufstehen – Regionalgruppe Mittelsachsen * Freie Linke Berlin * Freie Linke Dresden *Friedensinitiative Dresden (FID) * Neue Richtung * Politischer Stammtisch der Döbelner LINKEn * WIBP e.V. (Workshops – Ideenbörsen – Bildung – Projekte)

Kurznachrichten Libyen – 11. Mai bis 20. Mai 2024

Libysch-Europäische Legion geplant / Zusammenstöße in az-Zawiya / erschreckende Zunahme von Entführungen und Morden / Ruhezustand in Libyen steht wohl vor dem Ende /USA fordern Auslieferung von Saif al-Islam an IStGH / Vertreter des östlichen und Vertreter des westlichen Libyens in Moskau / Türkei verlegt syrische Söldner von Libyen in den Niger

Planung einer Libysch-Europäischen Legion

+ Am 12. Mai berief der Präsidialrat eine Sitzung ein, um die aktuellen politischen, wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und militärischen Entwicklungen in Libyen zu erörtern. Geleitet wurde diese Sitzung vom Vorsitzenden des Präsidialrats, Mohamed alMenfi, und seinen Stellvertretern Abdullah al-Lafi und Mousa al-Koni.
Al-Menfi ist auch Oberbefehlshaber der Militärkräfte im westlichen Libyen, zu denen zählen Generalstabschef General Mohamed al-Haddad, sein Stellvertreter und Befehlshaber der Militärregion Westküste, General Salah an-Namrusch, sowie der Militärgouverneur von Tripolis, Generalmajor Abdulqader Mansour.
https://libyareview.com/44150/libyas-presidential-council-reviews-latest-political-military-developments/

+ Das US-amerikanische Unternehmen Amentum berief eine Reihe von Milizen-Kommandeuren der westlichen Region zu einem Treffen auf dem Marinestützpunkt Abu Sita (Tripolis) ein, anwesend waren auch mehrere US-amerikanische Beamte. Bei dem Treffen wurden die neuesten Vorbereitungen und die Ausstaffierung des Libysch-Europäischen Legionsprojekts, das Gegenstück zum russischen Afrikacorps in Libyen, besprochen.
Die neue Legion soll ausschließlich aus libyschen Soldaten bestehen, wobei die Führung und Überwachung ausländisches Militär übernehmen wird. Sie soll aus sechs bewaffneten Formationen bestehen, die dem Innen- und Verteidigungsministerium der Dabaiba-‚Regierung‘ angeschlossen sind.
Diesem Korps wird ein Sonderhaushalt aus im Ausland eingefrorenen libyschen Geldern zugewiesen, die gemäß der Resolution Nr. 1973 des UN-Sicherheitsrates seit 2011 eingefroren sind. Die Aufhebung des Verbots der Auszahlung dieser eingefrorenen libyschen Gelder wird im Einvernehmen mit den USA erfolgen.
Verschiedene Länder haben bereits den Chef der Libyschen Zentralbank, al-Kebir, darüber informiert, dass sie begonnen haben, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1789651167112310966

+ Die Londoner Zeitung al-Arab bestätigte, dass diese sogenannte Europäisch-Libysche Legion rein aus Libyern bestehen soll, die Führung aber ausländische Militärs haben.
Während Russland mit der Stationierung von Truppen im Osten, Süden und in der Mitte des Landes begann, laufen die Vorbereitungen für die Europäisch-Libysche Legion, die ein Gegenstück zur Russischen Legion sein wird.
Während einerseits die Dabaiba-‚Regierung‘ im Gespräch mit Russland ist, trifft es andererseits militärische Vorbereitungen gegen das russische Afrikacorps.
Der Besuch einer Delegation aus dem westlichen Libyen in Moskau fiel mit den Vorbereitungen der Gesprächsrunde in Ghadames zusammen, wo es um die Bildung einer neuen Regierung gehen soll. Mit dabei: die stellvertretende Leiterin der UN-Mission in Libyen, Stephanie Khoury,
https://twitter.com/SaifFuture/status/1790744050158407818

+ In einer Erklärung forderte die Kammer des Volcano of Rage von Nasser Amar die Dabaiba-‚Regierung‘ auf, sich aus der Europäisch-Libyschen Legion zurückzuziehen. Denn bei deren Kampfeinsätzen gegen russische Wagner-Kämpfer handle es sich um einen Stellvertreterkrieg. Die Kammer warnte davor, diese Erklärung zu ignorieren.
https://x.com/SaifFuture/status/1791585723423846749

+ Am 15. Mai traf der Tripolis-Premier Dabaiba zu Gesprächen mit dem Vorsitzenden des Europäischen Rates, Charles Michel, im EU-Hauptquartier in Brüssel ein. Es folgte ein Treffen mit Ursula von der Leyen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1790731519260045313

Verhaftungen / Entführungen / Morde

+ Demonstrationen fanden am 12. Mai vor dem Sicherheitsdirektion Misrata statt. Gefordert wurde, dass das Sicherheitsdirektorat festgehaltene Personen der Justiz übergibt.
Es wurden willkürlich Schüsse auf Demonstranten abgegeben und Berichten zufolge drei Personen verletzt.
Foto: https://twitter.com/SaifFuture/status/1789660206458093771/photo/1

+ Auch in der Nacht zum 13. Mai wurde vor dem Sicherheitsdirektorat von Misrata in Anwesenheit von Othman at-Taher Issa, dem Anführer der Misrata-Bewegung, weiterdemonstriert, um die Überstellung der festgenommenen Personen an die Justiz zu gewährleisten.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1789826148802633997

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Libyen steht auf: Zintan-Stämme erklären Unterstützung der Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi

General al-Atiri - Saif al-Islam Gaddafi

General al-Atiri – Saif al-Islam

Der Erklärung der mächtigen Zintan-Stämme zur Unterstützung der Präsidentschaftskandidatur von Saif al-Islam al-Gaddafi schlossen sich inzwischen viele weitere Stämme und Städte Libyens an. Die Machthaber reagieren mit Repression.

Die in den westlibyschen Bergen beheimateten, mächtigen Stämme von Zintan gaben am 18. April 2024 im Rahmen einer feierlichen Militärparade ihre Unterstützung für die Präsidentschaftskandidatur von Saif al-Islam al-Gaddafi, Sohn von Oberst Muammar al-Gaddafis, bekannt. Die sozialen und militärischen Kräfte sowie die Sicherheitskräfte Zintans demonstrierten ihre Macht.

Besonders erwähnenswert ist die Unterstützung von Saif al-Islam al-Gaddafi durch General al-Adschami al-Atiri, Bataillonskommandeur in Zintan. Ihm gelang im Jahr 2011 die Festnahme von Saif al-Islam, der daraufhin in Zintan inhaftiert wurde. Heute zählt al-Atiri zu den machtvollsten Unterstützern Saif al-Islams.

In der Zintan-Erklärung heißt es, dass Saif al-Islam von großen Teilen der libyschen Bevölkerung unterstützt werde, über Führungsqualitäten und umfangreiche politische Erfahrung verfüge und dass sein Engagement für Libyen aufrichtig sei. Deshalb werde man es nicht zulassen, „dass lokale und internationale Parteien den Versuch unternehmen, ihn an der Ausübung seines Rechts zu hindern, bei Wahlen zu kandidieren und in den Dienst seines Landes zu treten“.

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Nachruf auf die kolumbianische Politikerin Piedad Córdoba

Ein Gastbeitrag von Kay Hanisch


Die kolumbianische Politikerin, die in der Öffentlichkeit als Zeichen ihrer afrikanischen Wurzeln immer einen Turban trug, wurde als Senatorin, Menschenrechtsaktivistin und Friedensvermittlerin bekannt.

Nach ihrem Jura-Studium wurde sie 1984 Stadträtin in Medellin. 1992 wurde sie ins Parlament gewählt, 1994 dann in den Senat, wo sie bis 2010 ein Mandat für die Liberale Partei Columbiens (PLC) innehatte. Die PLC, welche Teile der korrupten Oberschicht vertritt und sich jahrzehntelang die Macht mit den Konservativen abwechselnd teilte, hat auch einen starken linksliberalen, fast schon sozialdemokratisch zu nennenden Flügel, dem Cordoba angehörte.

Im Senat fiel Cordoba als streitbare Linke und Bürgerrechtlerin auf, die sich nicht scheute, sich mit der korrupten Politi-Elite anzulegen – in Kolumbien ein lebensgefährliches Unterfangen.

1999 wurde sie von rechten Paramilitärs entführt und ging nach ihrer Freilassung für eine kurze Zeit nach Kanada. Wieder zurück in Kolumbien gründete sie innerhalb der PLC die linke Plattform Bürgermacht des 21. Jahrhunderts.

In den 2000er Jahren erlangte sie größere Bekanntheit durch ihr Engagement bei den Friedensverhandlungen zwischen der linken FARC-Guerilla und der ultrarechten Regierung von Alvaro Uribe. Während ihrer Vermittlungsarbeit freundete sie sich mit dem linken Präsidenten Hugo Chavez von Venezuela an, den die kolumbianische Regierung als Vermittler hinzugezogen hatte.

2008 wurde sie für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Später war sie aktiv in einer zivilgesellschaftlichen Oppositionsbewegung namens Patriotischer Marsch gegen das rechte Regime in Kolumbien.

Die Regierung hatte ihr irrerweise die Rechte als Senatorin entziehen lassen wegen ihren Kontakten zur FARC, was als Vermittlerin nun einmal nicht ausbleibt. 2016 machte der Staatsrat das Politikverbot wieder rückgängig. 2022 wurde sie erneut als Senatorin – diesmal für das Bündnis Historischer Pakt des neuen linken Staatschef Gustavo Petro gewählt.

Piedad Cordoba starb am 20. Januar 2024 in ihrer Geburtsstadt Medellin im Alter von 68 Jahren an einem Herzinfarkt. Mit ihr hat Kolumbien eine große Demokratin verloren.

Kay Hanisch betreibt die Website: https://weltimblick.jimdofree.com/

Nachrichtenüberblick Libyen – 01. bis 15. Januar 2024

Scharara-Ölfeld geschlossen, Schließung des al-Fids-Felds und des Melittah-Gasfelds angedroht / Dabaiba verkündet Ende der Treibstoffsubventionen und macht nach massiven Protesten einen Rückzieher / Internationaler Erdölgipfel in Tripolis

Erdgas- und Erdölsektor

Während die Infrastruktur verfällt, die libyschen Bürger Not leiden und die Treibstoffsubventionen für libysche Bürger gekürzt werden, sollen die Gewinnanteile für libysches Öl und Gas der multinationalen Großkonzerne erhöht werden.

+ Am 02. Januar kam es zu Protesten in der südlichen Region. Es wurde die Schließung des Scharara-Erdölfeldes bis zur Erfüllung der Forderungen erklärt. Die Einwohner protestieren damit gegen Missstände im südlichen Libyen, wie das Fehlen wichtiger staatlicher Infrastruktur, der Mangel an Dienstleistungen, Kraftstoff- und Gas. Es gebe auch keine qualifizierten Stellen für Einheimische, wofür die ‚Regierung‘ und die NOC verantwortlich seien. Es müsse auch mit dem Bau einer Südraffinerie begonnen werden. Von der National Oil Corporation (NOC) wurde gefordert, eine private Klinik in Ubari zu eröffnen. Bekämpft werden soll die durch die Erdöl- und Erdgasanlagen verursachte Umweltverschmutzung.
Den Behörden war eine letzte Frist bis zum 31. Dezember 2023 zur Lösung der Probleme gesetzt worden.
Der Bürgermeister von Sebha beklagte den Treibstoffmangel in Südlibyen und den Mangel und die hohen Preise für Kochgas, insbesondere jetzt in der kalten Winterzeit.
Er wies auch auf die Probleme mit der Abwasserentsorgung hin, die zu einer Umweltkatastrophe führen können, wenn nicht endlich eine Kläranlage installiert werde. Daneben blockiere ein Erddamm die Wasserversorgung der Stadt. Hier müsse dringendst Abhilfe geschaffen werden.
Foto: https://twitter.com/SaifFuture/status/1742204364880515566
https://twitter.com/SaifFuture/status/1742204364880515566/
Video: https://twitter.com/alwasatengnews/status/1742407559808442704
https://libyareview.com/40709/mayor-of-sebha-warns-of-environmental-catastrophe/

+ Die Schließung des asch-Scharara-Ölfelds führte am 03. Januar zu einem Preisanstieg auf dem Erdölmarkt. Rohöl der Sorte Brent verzeichnete einen Anstieg von rund einem USD pro Barrel. Der Erdölmarkt war bereits durch die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer durch die jemenitische Ansar Allah unter Druck geraten und der Rohölpreis um etwa zwei USD gestiegen.
Libyen nimmt als wichtiges OPEC-Mitglied eine Schlüsselposition auf dem globalen Ölmarkt ein.
https://libyareview.com/40609/libyas-largest-oil-field-disruption-leads-to-oil-price-surge/

+ Laut dem libyschen Ölministerium der Dabaiba-‚Regierung‘ könnte die Schließung des Scharara-Ölfeldes nicht nur zu Stromausfällen, sondern auch zum Abzug ausländischer Partner führen.
Das Erdöl aus dem Scharara-Feld wird über Pipelines in den Verladehafen von Zawiya gepumpt.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1743170346491032004

+ Am 7. Januar erklärte die Nationale Oil Company (NOC) den Ausnahmezustand für das asch-Scharara-Ölfeld. Dies ist ein juristischer Vorgang, der die NOC aufgrund von höherer Gewalt von ihren Verpflichtungen entbindet. Die Ausrufung des Ausnahmezustands ist ein Indiz für den Ernst der Lage.
In normalen Zeiten werden im Scharara-Ölfeld täglich bis zu 300.000 Barrel gefördert.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1743990743734112620

+ Die Protestbewegung Eradicate Corruption (Schluss mit der Korruption) im westlichen Libyen drohte am 8. Januar damit, auch den Mellitah-Gaskomplex zu schließen, sollte ihre Forderung, den Chef der National Oil Corporation (NOC), Farhat Bangdara, zu entlassen, nicht erfüllt werden. Den Verantwortlichen in Tripolis wurde eine Frist bis zum 12. Januar gesetzt.
Beteiligt am Protest scheinen Gemeinden im Westen der Hauptstadt Tripolis sowie von Zawiya, Surman, Adschilat und al-Dschebel zu sein. Ein Mitglieder der Bewegung gegen Korruption erklärte, dass „es sich um eine lokale Bewegung handelt, die nicht mit externen Kräften verbunden ist und deren einziges Ziel darin besteht, dass bei Abkommen [mit ausländischen Ölfirmen] die Interessen der Libyer gewahrt bleiben“.
Der Protest entzündet sich an dem Streit über eine Vereinbarung der NOC mit einem von der italienischen ENI geführten Konsortium, zu dem auch die französische TOTAL, die ADNOC (VAE) und die türkische TPAO gehören, und die Ende Januar unterzeichnet werden sollte. Der NOC wird vom Ölministerium, dem Parlament und dem Hohen Staatsrat der Vorwurf gemacht, mit diesem ausländischen Konsortium unzulässige Verträge zum Nachteil Libyens geschlossen zu haben, die auch nicht den libyschen Gesetzen entsprächen. Internationale Unternehmen würden versuchen die chaotische Lage in Libyen zu ihrem Vorteil auszunutzen und ihre Gewinne zu maximieren.
Der Mellitah-Komplex ist das einzige Drehkreuz für den Export von libyschem Gas über die Green-StreamPipeline nach Italien.
https://www.agenzianova.com/en/news/a-protest-demonstration-is-scheduled-for-tomorrow-at-the-Mellitah-gas-complex/
https://www.agenzianova.com/en/news/Libya-if-the-potential-closure-of-production-sites-becomes-a-reflection-of-the-country%27s-internal-divisions/

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Jerusalem: Übergriffe israelischer Siedler auf die armenisch-christlich-orthodoxe Gemeinde

Nur noch etwa 2.000 Armenier leben in der Altstadt von Jerusalem. Am 28. Dezember wurden Mitglieder dieser armenischen Gemeinschaft, darunter Geistliche, von über dreißig bewaffneten israelischen Siedlern angegriffen. Die Provokateure versuchten, in die Gebäude der Gemeinde einzudringen. Die armenische Gemeinde in Jerusalem wendete sich mit einem dringenden Appell an die Weltöffentlichkeit.

Es geht dabei um den Versuch von israelischen Siedlergruppen, sich Immobilien, die christlichen Gemeinden gehören, anzueignen. Schon im Jahr 2020 lehnte das Jerusalemer Bezirksgericht einen Antrag des griechisch-orthodoxen Patriarchats ab, mit dem die Übertragung von Rechten an drei Gebäuden in der Jerusalemer Altstadt an eine israelische Siedlergruppe verhindert werden sollte. Das Gericht fühlte sich nicht einmal bemüßigt, die Unterlagen und Beweise der griechisch-orthodoxen Kirche anzusehen: „Das griechisch-orthodoxe Patriarchat hat dem Gericht eine Fülle neuer Beweise für kriminelles Verhalten vorgelegt, darunter Erpressung und Betrug“ – so eine Erklärung gegenüber der israelischen Zeitung Haaretz. Die Kläger zeigten sich überrascht, als das Gericht seine Entscheidung innerhalb nicht einmal 24 Stunden nach der Anhörung ohne Beweisprüfung verkündete.

Jerusalem, die „heilige Stadt“ von Christen, Moslems und Juden, stellt einem Brennpunkt innerhalb des israelisch-palästinensischen Konflikts dar, wird es von beiden Seiten als deren Hauptstadt reklamiert.

Der UN-Teilungsplan für Palästina aus dem Jahre 1947 sieht vor, Jerusalem unter internationale Verwaltung zu stellen, um allen drei Weltregionen einen gleichberechtigten Zugang zu ihren Heiligtümern zu ermöglichen. Bis 1967 befand sich nur Westjerusalem unter israelischer Herrschaft, in Folge des Sechstagekriegs im Jahre 1967 wurde auch Ostjerusalem von Israel annektiert. 1950 erklärte Israel Jerusalem entgegen der UN-Beschlüsse zu seiner Hauptstadt. 1988 riefen Palästinenser unter Führung der PLO den Staat Palästina aus und erklärten ihrerseits Jerusalem zu dessen Hauptstadt.

Heute eskaliert die Situation in Jerusalem angesichts radikaler Juden und radikaler Islamisten immer mehr. Allerdings sind Beiden die christlichen Gemeinden ein Dorn im Auge. In ihren Versuchen, die Christen loszuwerden, schrecken sie auch vor Gewalt und Einschüchterung nicht zurück, wobei die jüdischen Aggressoren auf die Unterstützung der israelischen Justiz bauen können.

Bis jetzt können sich die noch verbliebenen Armenier gegen die Aneignung ihres Besitzes durch israelische Siedler wehren. Die Angriffe auf die armenische Gemeinde könnte jedoch erst der Anfang sein, befürchten werden auch Aggressionen gegen die griechisch-orthodoxe Kirche. Die Kriege, die der Westen in den arabischen Ländern anzettelte, hat auch die Auslöschung der dortigen christlichen Gemeinden zur Folge. Aus dem Irak flohen nach 2003 achtzig Prozent der christlichen Gemeinde, ebenso verließen 2011 viele christliche Syrer ihr Land. Der katholische Bischof der libyschen Hauptstadt Tripolis sah das Eingreifen der Nato äußerst kritisch, er ahnte, was die Herrschaft radikaler Islamisten für die christlichen Gemeinden in Libyen bedeuten könnte.

Es muss ein Ziel aller Vermittlungsbemühungen in Nahost sein, das friedliche Miteinander aller Glaubensrichtungen in der arabischen Welt wieder zu ermöglichen.

https://twitter.com/SavetheArQ/status/1740470465389539752
https://twitter.com/oulosP/status/1741339687359242367
https://twitter.com/KevorkAlmassian/status/1741047464889659863

Die Spur des Geldes – „Imprimatur“

ImprimaturDer 750 Seiten umfassende Roman Imprimatur(1) aus dem Jahre 2005 stellt für den Leser eine Herausforderung dar. In einer der mittelalterlichen Sprache angepassten Erzählweise führt er uns in das barocke Rom des Jahres 1683, wo den Leser schon bald die historische Authentizität der handelnden Figuren in deren Bann schlägt.

Die Handlung
Als Kriminalgeschichte verfasst, wird der vorgebliche Giftmord an Nicolas Fouquet, dem ehemaligen und später in Ungnade gefallenen Finanzminister des Sonnenkönigs Ludwig XIV., in einer römischen Herberge durch Atto Melani, Kastrat, Sänger, Diplomat und Spion Ludwig XIV., aufgeklärt. Melani erhält bei seinen Nachforschungen die Hilfe des Küchenjungen, aus dessen Sicht die Geschehnisse in der römischen Locanda geschildert werden.

Da zunächst befürchtet wird, Fouquet sei der Pest erlegen, wird die Herberge unter Quarantäne gestellt. Alle darin befindlichen Gäste sowie der Wirt, dessen Küchenjunge und eine betörende Kurtisane dürfen das Haus nicht mehr verlassen und kommen prinzipiell als Tatverdächtige infrage. Allerdings gibt es im Haus einen geheimen Zugang zu den Katakomben, Kloaken und unterirdischen Gängen des mittelalterlichen Roms, der von den festgesetzten Herbergsgästen auch ausgiebig genutzt wird. Bei der Jagd auf den vermeintlichen Mörder spielen sich in dieser Unterwelt wilde Verfolgungsjagden ab. Unterstützt werden die Helden von sogenannten Heiligenfledderern, die in der düsteren Unterwelt auf der Suche nach wertvollen Heiligenreliquien sind. Während es in der Locanda zu weiteren Unfällen und Erkrankungen kommt, befürchtet man in Rom den Untergang des Christentums, da die Türken vor Wien stehen.

Soweit eine Mischung aus ein bisschen Umberto Eco, ein bisschen Agatha Christi und ein bisschen Arthur Conan Doyle.

Daneben gibt es jedoch die fast verstörend langen Passagen, die eine kompakte Einführung in die barocke Gedankenwelt bieten, ob es sich nun um religiöse Vorstellungen, Astrologie, Zahlenmystik, Heilmethoden, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, oder doch sehr befremdlich anmutende Kochrezepte handelt. Diese durchgängige Authentizität des Romans fesselt den Leser immer wieder aufs Neue, so dass man gespannt dem römischen Küchenjungen bei seinen Abenteuern folgt.

Nicht zuletzt noch der Hinweis auf die im Roman erwähnte Musik. Eine wichtige Rolle spielen die frühbarocken Werke von Salamone Rossi und insbesondere ein geheimnisvolles Rondo, Les Baricades mistérieuses(2), das Francois Couperin zugeschrieben wird, von dem der Erzähler der Rahmenhandlung aber vermutet, es stamme ursprünglich aus der Feder Francesco Corbettas, ein italienischer Komponist und Gitarrist.

Die Personen des Romans sind historisch belegt
Wie in der Rahmenhandlung und auch im Anhang ausführlich bezeugt, sind die Personen dieses Buches und ihre Historie in weiten Teilen nicht frei erfunden, sondern historisch belegt. Und auch die politischen Verstrickungen und Intrigen der damaligen politischen Herrscherhäuser und des Papstes, die im Verlauf der Handlung aufgedeckt werden, haben einen wahren Hintergrund, dessen Offenlegung noch im Jahr 2005 bei Veröffentlichung des Romans für einen handfesten Skandal sorgte. Im Buch heißt es hierzu: „Am Ende triumphierte also die Lüge, und der Geldgeber der Ketzer wurde Retter der Christenheit genannt.“ Und weiter: „Die Gestalt und das Werk Innozenz XI. sind demnach völlig zu Unrecht gefeiert und erhöht worden, mit falschen, irreführenden oder parteilichen Argumenten.“ Allerdings hat die Realität das Buch eingeholt und die von Montaldi und Sorti zutage geförderte Wahrheit kam zu guter Letzt doch noch ans Licht.

Die Funde der beiden Autoren Rita Moraldi und Francesco Sorti nach akribischen Recherchen in verstaubten Archiven zeitigten weitreichende Konsequenzen. Die Veröffentlichung des Romans und der echten Archivdokumente entwickelte eine so gewaltige Brisanz, dass die 2002 anstehende Heiligsprechung des bedeutendsten Papstes des 17. Jahrhunderts, Innozenz XI., der aus der schwerreichen Familie der Odescalchi stammte, vom Vatikan abgesagt wurde. Der Historikerstreit war beendet.

Historischer Hintergrund
Die Autoren konnten Dokumente ausfindig machen, die belegen, dass Papst Innozenz XI. Wilhelm von Oranien große Geldbeträge zur Verfügung stellte, die es Wilhelm ermöglichten, das Heer zur Eroberung Englands zu finanzieren, dort die Katholiken zu vertreiben und ein für allemal den Protestantismus in England durchzusetzen. Vermutlich geschah dies aus reiner Habgier von Innozenz XI., denn nach der Eroberung Englands verfügte Wilhelm von Oranien über die Mittel, seine Schulden samt Zinsen zurückzuzahlen. Unter dieser Schuldlast litt vor allem sein protestantisches Fürstentum Orange (Oranien). Dieses lag am Rande der Legation Avignon, die dem Vatikan zugehörig war, und diese Legation Avignon lag inmitten von Südfrankreich, das zum Herrschaftsgebiet des französischen Königs Ludwig XIV. gehörte. Orange muss über seine Schuldenlast so verzweifelt gewesen sein, dass es dem Papst antrug, sich seiner Herrschaft zu unterwerfen. Der Vatikan lehnte dankend ab.

Dazu muss man wissen, dass sich „Seine Allerchristlichste Majestät“ Ludwig XIV. und Papst Innozenz XI. in tiefster Feindschaft verbunden waren. Es heißt, Ludwig XIV. habe nicht davor zurückgeschreckt, mit den Türken vor Wien zu konspirieren mit dem Ziel, Europa nach einem Sieg der Muselmanen zwischen ihnen und Frankreich aufzuteilen – unter Ausschaltung anderer Herrscherhäuser und des Vatikans. Dagegen wiederum konspirierte die Frau von Ludwig XIV. und Königin von Frankreich, die Habsburgerin Maria Theresia, die ihrem Ehemann – nicht zuletzt wegen dessen unzähliger amouröser Abenteuer – nur Verachtung und Hass entgegenbrachte. Kaiser Leopold in Wien, der Habsburger, sei genauestens über die sinistren Geldumläufe der europäischen Politik informiert gewesen, selbstverständlich auch über jene, die über „venezianische Strohmänner der Odescalchi“ an „ketzerische italienische Bankiers“ flossen.

Das Buch und seine Autoren
Nach 15.000 verkauften Exemplaren wurde das Buch in Italien zunächst nicht mehr aufgelegt. Nach Anfeindungen gingen die Autoren nach Wien ins Exil, wo sie Imprimatur bei einem niederländischen Verlag wieder in italienischer Sprache veröffentlichen konnten.

Die Autoren sind der Meinung, dass nach dem Auffinden und Bekanntmachen der einschlägigen Dokumente die Geschichte neu geschrieben werden muss. Geschichtsklitterung ist also beileibe keine Erfindung der Neuzeit. Und es bleibt die Erkenntnis, dass auch Inhalte von gefälschten Dokumenten wahr sein können und diese allein mit dem Ziel in Umlauf gebracht werden, die darin beschriebene Wahrheit zu diskreditieren.

„Imprimatur“, Monaldi und Sorti, Roman, List 2005, 752 Seiten

(1) Imprimatur, d.h. Druckerlaubnis, Erlaubnis der katholischen Kirche zur Veröffentlichung eines religiöse und kirchliche Themen betreffenden Druckwerks.
(2) https://fr.wikipedia.org/wiki/Les_Barricades_myst%C3%A9rieuses
https://de.wikipedia.org/wiki/Monaldi_%26_Sorti

Unterwegs …

Reisebedingt können in den nächsten Wochen nur sehr eingeschränkt Beiträge auf meinem Blog erscheinen.
Das tut mir in gerade diesen bewegten Zeiten sehr leid, ist aber nicht zu ändern.
Bei meinen Lesern möchte ich mich ganz herzlich für ihr bisheriges Interesse bedanken!

Bis dann und herzliche Grüße
Angelika Gutsche

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