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Kategorie: Rezensionen (Seite 1 von 4)

Literatur – Film – Medien

Generation Z: vernachlässigt in der smartphonebasierten Welt – überbehütet in der realen Welt

Generation Angst von Jonathan HaidtIn dem Buch „Generation Angst – Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen“ von Jonathan Haidt geht es um die schädlichen Auswirkungen von Smartphones und sozialen Medien auf die psychische Gesundheit der sogenannte Generation Z, das heißt, um jene jungen Menschen, die nach 1995 geboren wurden und die sich nach Meinung von Haidt durch den übermäßigen Aufenthalt in der virtuellen Welt ebenso wie aufgrund von Überbehütung zu einer ängstlichen Generation entwickelt haben.
Beide Trends zusammen – Überbehütung in der wirklichen Welt und Unterbehütung in der virtuellen Welt – führten dazu, dass aus der Generation Z die „Generation Angst“ wurde.

Jonathan Haidts Sachbuch ist in klarer, gut verständlicher Sprache verfasst, hirnphysiologische Erkenntnisse, wissenschaftliche Untersuchungen und daraus hergeleitete Diagramme sind leicht fassbar dargestellt. Die in dem Buch vorgenommene sozialpsychologisch-wissenschaftliche Einordnung dessen, was viele schon lange hinsichtlich des exzessiven Gebrauchs von Smartphones ahnten, macht die Stärke dieses Buches aus. Allerdings bezieht sich Haidt hauptsächlich auf us-amerikanische Mittelschichtfamilien; eine Eins-zu-eins-Übertragung auf die Verfasstheit der deutschen Gesellschaft erscheint daher nicht angezeigt.

Haidt vertritt die These, dass durch den Gebrauch von Smartphones die Jugendlichen dazu verführt werden, viele Stunden online zu verbringen und deshalb nur noch wenig Zeit für körperlich-soziale Verhaltensweisen im echten Leben bleibt. Damit käme es im Gehirn von Kindern und Jugendlichen zu einer schädliche Neuverdrahtung. Der Übergang von einer „spielbasierten Kindheit“ auf eine „smartphonebasierte Kindheit“ habe in den späten 1980er Jahren begonnen. Dazu käme eine katastrophale Überbehütung der Kinder in der realen Welt, die auch in Überwachung umschlagen kann, wodurch die Autonomie in der wirklichen Welt massiv eingeschränkt werde.

Eine Flutwelle

Im ersten Teil belegt Haidt, wie sich die psychische Gesundheit von Teenagern im 21. Jahrhundert verschlechtert hat. Es sei zu einer Zunahme vor allem von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen gekommen, wovon insbesondere Mädchen betroffen sind. Die Einführung des Smartphones ab 2007 und die rasche Zunahme von Social-Media-Kanälen ab 2012 sind als wichtigste Wegmarken zu benennen, da von nun an das Internet und damit die sozialen Medien rund um die Uhr verfügbar waren. Zu dieser Zeit begannen laut internationalen Erhebungen die Teenager vermehrt unter Depressionen zu leiden; je intensiver die Nutzung, umso stärker das Leiden. Besonders betroffen waren Mädchen, doch zeige sich diese Entwicklung über sämtliche Bevölkerungsgruppen. Haidt belegt dies differenziert anhand vieler empirischer Studien und Grafiken. Die Möglichkeit, fast ständig online zu sein, habe „eine historische und beispiellose Transformation der menschlichen Kindheit“ zur Folge gehabt. Inzwischen sei eine Generation herangewachsen, die ihre gesamte Pubertät hauptsächlich in der virtuellen Welt verbrachte.

Der Niedergang der spielbasierten Kindheit

Im zweiten Teil beschäftigt sich Haidt mit der wachsenden elterlichen Ängstlichkeit und Überbehütung. Die Adoleszenz als eine Art „kultureller Lehrzeit, bevor man als Erwachsener angesehen und behandelt wird“, habe ausgedient, stattdessen würden Kinder in eine virtuelle Welt gelockt. Es fehle an freiem Spiel, an körperlichem Spiel, an einem gewissen Maß an körperlichem Risiko. Denn: „Erfahrungen, und nicht Information, sind der Schlüssel zur emotionalen Entwicklung.“ Smartphones dienten dabei bedauerlicherweise als „Erfahrungsblocker“. Es sei eine große „Neuverdrahtung“ der Kindheit zwischen 2010 und 2015 aus der wirklichen in die virtuelle Welt erfolgt, da es an physischer Interaktion als tiefer Teil der menschlichen Evolution fehle, und dies führe zu einem Gefühl der Einsamkeit. Es gebe eine sensible Phase zwischen neun und fünfzehn Jahren für kulturelles Lernen, dessen Zeitfenster sich dann schließt. Gerade die Pubertät sei damit die sensibelste Phase für den schädigenden Einfluss von sozialen Medien.

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Was ist „Bunter Totalitarismus“? – Nicht nur diese Frage beantwortet Rudolph Bauer in seinem aktuellen Wörterbuch

Mit seiner neuen Broschüre „Kritisches Wörterbuch des Bunten Totalitarismus. Heft 1: A bis H“ möchte Rudolph Bauer aufrütteln, um die Verhältnisse nicht erst „im Nachhinein, wenn es zu spät ist, als bunt-totalitär“ zu erkennen und zu verurteilen. Er vermerkt aber auch, dass „die Frage, ab wann es zu spät ist, offenbleibt“.

Was unter „Bunter Totalitarismus“ zu verstehen ist, erklärt Rudolph Bauer in seinem Wörterbuch ausführlich. Allein dieses Stichwort wird auf eineinhalb Seiten abgehandelt. Es handle sich dabei um ein Totalitarismuskonzept, „das sich ideologisch und systemisch als bunt und >antifaschistisch< tarnt und die politisch angepassten Teile der Zivilgesellschaft und ihrer Nichtregierungsorganisationen“ fördere. Und an dieser Stelle erfolgt im Text gleich der Querverweis auf „Nichtregierungsorganisationen“.

Immer wieder zeigt der Autor bei den einzelnen Begriffsbestimmungen die Nähe des neuen politischen Vokabulars zum Nationalsozialismus auf, wie beispielsweise beim Wort „Delegitimierung“.  Als weiteres Beispiel sei hier auch der Begriff „Demokratie“ genannt, der seine ursprüngliche Bedeutung im Sinne von „Volksherrschaft“ weitgehend eingebüßt hat, und heute mehr als „Sicherung der Oligarchenherrschaft und Plutokratie; Pseudo-Partizipation für die Mehrheit durch Scheinwahlen“ zu verstehen ist. Dazu zitiert Rudolph Bauer den NS-Propagandachef Goebbels, der sich am 28.09.1933 wie folgt äußerte: „Der moderne Staatsaufbau in Deutschland ist eine veredelte Art von Demokratie“.

In der Broschüre reiht sich Stichwort an Stichwort – „Agenda 2030“, „Antifaschismus“, „Atlantik-Brücke“, „Bertelsmann Stiftung“, „Bundesmeldegesetz“, „Desinformation“, „Evidenzbasiert“, „Fundraising“, „Daniele Ganser“, „Global Governance“, „Heimat“ – um nur einen klitzekleinen Ausschnitt zu erwähnen. Wer meint, solche Begriffe gut deuten zu können, wird von manchem neuen Hinweis überrascht sein.

Was für eine ausgezeichnete Idee, ein Lexikon politischer Stichwörter in alphabetischer Reihenfolge anzubieten! Erschienen ist bisher Teil 1, der von A wie „Alternativlos“ bis H wie „Huxley, Julian Sorel (1887-1975)“ reicht. Wer weiß schon, dass Julian Sorel Huxley, Bruder von Aldous Huxley sowie Mitglied und später Präsident der British Eugenic Society, 1945 vorschlug, die Polkappen mittels Atombomben zu schmelzen, um ein angenehmes Weltklima zu erzeugen? Julian Sorel Huxley war 1946 auch an der Gründung der UNESCO beteiligt und bis 1948 deren Generaldirektor. 1961 war er Mitbegründer des World Life Fund. Schon interessant, nicht wahr?

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Patrice Lumumba und der afrikanische Freiheitskampf

Gerd Schumann: "Patrice Lumumba"Ausgehend von der brutalen und grausamen Schreckensherrschaft Leopold II. im Kongo, in die Patrice Lumumba hineingeboren wurde, schildert Gerd Schumann in seinem gerade erschienenen Bändchen „Patrice Lumumba“ den politischen Werdegang Lumumbas und seinen Freiheitskampf gegen Kolonialismus und für einen souveränen und geeinten Kongo.

Lumumba war der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident des Kongo. Seine offizielle Amtszeit dauerte von Juni bis Oktober 1960, also keine vier Monate. Die Ermordung Lumumbas hatten die Regierungen Belgiens und der USA angeordnet, ausgeführt wurde sie von der CIA mithilfe lokaler Kräfte. Eine Blutspur durchzieht seither den Kongo bis in die Gegenwart. Lumumba trotzte den kolonialen Kräften und musste dies mit seinem Leben bezahlen. Diese große Persönlichkeit der Weltgeschichte holt Gerd Schumann zurück in das „Geschichtsgedächtnis des Nordens“. Und so endet denn die Einleitung seines Buches mit den Worten: „Lumumba – presente!

Der Kongo unter der Knute des belgischen Königs Leopold I.

Die belgische Kolonialzeit im Kongo war eine Zeit unsäglichen Leids und Schreckens für die kongolesische Bevölkerung. Nachdem sich der belgische König Leopold II. den Kongo privat angeeignet und zu einer „Ein-Mann-Kolonie“ gemacht hatte (1885 bis 1908 „Freistaat“ Kongo), wurde diese 1908 zur Kolonie Belgisch-Kongo, die bis 1960 Bestand hatte.

Bei der Berliner Konferenz 1884 wurde über die Aufteilung Afrikas zwischen den Kolonialmächten – selbstverständlich unter Ausschuss der Betroffenen – verhandelt und im Februar 1885 die „Kongo-Akte“ verabschiedet, nach der der Kongo als Kolonie Leopold II. anerkannt wurde. Die Herrschaft über zwanzig Millionen Afrikaner wurde an etwa 3.000 Weiße übertragen. Der Kongo gehörte dem „nunmehr größten Landbesitzer der Welt“, der „ein System der blanken Ausbeutung und faktischen Leibeigenschaft“ errichtete. Exportiert wurden Elfenbein und später vor allem das für die inzwischen auf Hochtouren laufende Reifenproduktion so wichtige Kautschuk, das die kongolesischen Arbeitskräfte heranschaffen mussten. Schätzungen gehen davon aus, dass die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zehn Millionen Menschen das Leben kosteten, manche Schätzungen liegen noch höher. Ganze Dörfer, die das Soll nicht erfüllen konnten, wurden massakriert. Eine Spezialität stellte das Abhacken von Händen dar, bei Toten und Lebenden. Die Einwohnerzahl des Kongos halbierte sich von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg von geschätzt 29 Millionen auf nur noch um die zehn Millionen. Am Kongo-Fluss, im „Herzen der Finsternis“, (1) hatte einer der grausamsten Genozide der Weltgeschichte stattgefunden.

Als Leopold II. im Dezember 1909 starb, ging sein Privatbesitz „Kongo“ in die Verwaltung der parlamentarischen Erbmonarchie Belgien über. Die „autoritäre und brutale Ausplünderung nach rassistischen Regularien“ wurde fortgesetzt.

Das Leben des Patrice Lumumba

Lumumba wurde 1925 geboren. Einem bäuerlichen Elternhaus entstammend wurde er zunächst von katholischen, dann von evangelischen Missionsschulen geprägt. Sein Interesse galt der Aufklärung und den Schriften von Rousseau und Voltaire. Lumumba arbeitete etliche Jahre als Postbeamter und war dreimal verheiratet. Der auch rhetorisch hochbegabte und gebildete Lumumba trat 1956 der Liberalen Partei Belgiens bei und analysierte in seinem Buch „Le Congo. Terre d’Avenir. Est-il Menacé?“ (2) das belgische Unterdrückungssystem und die gesellschaftspolitische Lage in der Kolonie. Zu dieser Zeit sah sich Lumumba noch als reformerischer „Mittler zwischen der Regierung von Belgisch-Kongo und den Massen“. Im gleichen Jahr wurde er wegen angeblicher Unterschlagung zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt.

Lumumba schloss sich einer heterogenen Unabhängigkeitsbewegung an, wo er Joseph Kasavubu, Joseph-Désiré Mobutu und Moise Tschombé zu seinen Freunden zählte, die später zu Handlangern des Kolonialismus mutierten. Kasavubu sollte ihn als Ministerpräsidenten absetzen, Mobutu ließ ihn einsperren und Tschombé ließ ihn auf Geheiß von USA und Belgien grausam ermorden.

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Sind Demokratie und Kapitalismus vereinbar?

Rezension. Diese Frage beantwortet Rainer Mausfeld in seinem Standartwerk über Demokratie mit einem eindeutigen Nein. Mausfelds neues Buch „Hybris und Nemesis. Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt – Einsichten aus 5000 Jahren“ ist unverzichtbare Lektüre für alle, die sich darüber Gedanken machen, was bei unserer gegenwärtigen Art von Demokratie falsch läuft und wie echte Demokratie aussehen könnte. Echte Demokratie, die verhindert, dass die Schwachen mittels Elitenherrschaft zum Opfer der Starken werden.

Eliteneinhegung: Von den Jägern und Sammlern über das alte Ägypten und China ins antike Athen und zu Machiavelli

Das klar gegliederte und kompakte Buch zu den Themen Gesellschaft, Eliten und Macht gibt einen Überblick, wie sich der Versuch, die parasitäre Elitenmacht zum Wohle der Gesellschaft einzuhegen, durch die gesamte Zivilisationsgeschichte zieht. Mausfeld schlägt dazu den Bogen von den Jäger- und Sammlergesellschaften über die frühesten Zivilisationen in Mesopotamien bis nach Ägypten und das alte China. Dabei führt er aus, wie Gesellschaften jeweils bestrebt waren, Instrumente zur Kontrolle beziehungsweise zur Verhinderung von Elitenherrschaft zu entwickeln.

Ein eigenes Kapitel widmet Mausfeld dem antiken Athen, der ‚Wiege der Demokratie‘, wo die Reformen eines Solon und eines Kleisthenes das Fundament für die Athenische Demokratie legten. Besondere Beachtung findet dabei der weniger bekannte Hellene Ephialtes mit seinen Vorstellungen von Demokratie, die nach Mausfelds Meinung einer echten Demokratie am nächsten kamen.

Auch die „machiavellische Demokratie“ ist Mausfeld ein eigenes Kapitel wert. Denn in seinen Discorsi benannte Machiavelli den unüberbrückbaren Gegensatz von Volk und Elite und beschrieb klar die gesellschaftlichen Zerstörungskräfte von Eliten.

Neuzeit: Kapitalismus und repräsentative Demokratie als Elitenherrschaft

Mausfeld zeigt auf, dass unsere repräsentative Demokratie durch das Mehrhabenwollen der Eliten, durch deren Macht- und Besitzgier, weit davon entfernt ist, eine echte Demokratie zu sein, sondern stattdessen den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht. Laut Mausfeld schließen sich echte Demokratie und Kapitalismus aus, aber nur einer echten Demokratie wäre es möglich, den Machtanspruch von Eliten einzuhegen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass Mausfeld Kapitalismus nicht im Sinne von kapitalistischen Wirtschaftsformen betrachtet, sondern dass für ihn Kapitalismus die Herrschaft des Kapitals bedeutet, also Kapitalismus die Gesellschaftsordnung darstellt, in welcher der gesamte gesellschaftliche Reichtum als Ware behandelt wird.

In der Neuzeit erfolgte laut Mausfeld die Zerstörung einer zivilisatorischen Leitidee, in Szene gesetzt durch den „wohl größten Wortbetrug der Geschichte“.

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Corona: Angriff auf unser Gehirn und unsere Identität

Michael Nehls. "Das indoktrinierte Gehirn"Rezension. Basierend auf den im Vorgängerbuch „Das erschöpfte Gehirn“  dargelegten Erkenntnissen ordnet der Gehirnforscher und Bestsellerautor Michael Nehls in seinem neuen Buch „Das indoktrinierte Gehirn“ die Geschehnisse um die sogenannte Corona-Pandemie in den großen Zusammenhang des vom Weltwirtschaftsforum  (WEF) ausgerufenen Great Reset ein. Nehls befürchtet die Errichtung einer technokratischen Weltherrschaft, wobei „der gesamten Menschheit ein neues, totalitäres >Betriebssystem< des Zusammenlebens aufgezwungen werden soll“.

Dr. med. Michael Nehls ist Arzt und habilitierter Molekulargenetiker mit Schwerpunkt Immunologie, ein Wissenschaftler, der an der Entschlüsselung der genetischen Ursachen von Erbkrankheiten forschte. Als leitender Genomforscher war er bei US-Unternehmen und einem Münchner Biotechnologie-Unternehmen tätig. Seine Arbeiten in der Alzheimer-Forschung waren bahnbrechend.

In der Gehirnforschung gewonnene Fachkenntnisse setzt Nehls in seinem Buch „Das indoktrinierte Gehirn“ in Beziehung zu den Gefahren des mRNA-Injektionsprogramms, das er als „Spiking“ bezeichnet. Er erläutert auch die Gefahren der gehirnschädigenden Corona-Maßnahmen wie Lockdowns, soziale Isolation, Maskenpflicht, Bewegungsmangel und Fehlernährung.

Michael Nehls versteht es, komplizierte Gehirnvorgänge und Erkenntnisse aus der Gehirnforschung anschaulich zu schildern und auch für Laien gut verständlich zu formulieren.

Neurophysikalische Vorgänge im Gehirn

Um zu verstehen, was während der Corona-Zeit mit unseren Hirnen geschah, als unsere „individuellen Festplatten“ und das „kulturelle Betriebssystem“ gelöscht beziehungsweise überschrieben werden sollten, bedarf es eines gewissen Basiswissens über hirnorganische Vorgänge.

Das Kurzzeitgedächtnis des Menschen befindet sich im Frontallappen des Gehirns. Hier wird nichts für länger als ein paar Sekunden behalten, denn die dortigen Hirnströme sind instabil. Der Gedächtnisspeicher, von dem wir Erinnerungen wieder abrufen können, liegt im Inneren der beiden Schläfenlappen, ist also paarig angelegt, daumengroß, ähnelt der Form eines Seepferdchens und heißt deshalb Hippocampus. Der Hippocampus hat zwei Funktionsbereiche: in einem wird das „Wann“ und „Wo“ eines Gedankens oder Erlebnisses gespeichert, in dem dahinter liegendem Teil wird das „Was“ abgelegt. Am besten werden Dinge gemerkt, die emotional bewegen.

Allerdings verfügt der Hippocampus nur über eine begrenzte Speicherkapazität, ausreichend für einen Tag. Wenn der Speicher voll ist, ermüdet der Mensch und kann daher kaum noch neue Informationen aufnehmen. Im Schlaf wird der Speicher geleert, indem sein Inhalt an verschiedene Orte im Neocortex verschoben wird. Im Neocortex verknüpfen sich die Erinnerungen des letzten Tages mit früheren Gedächtnisinhalten und können so zu neuen Einsichten und Erkenntnissen führen. „Wir müssen schlafen und träumen, um uns an Erlebtes und Gedachtes auf Dauer erinnern zu können.“

Nehls macht diese hirnspezifischen Vorgänge anhand des Computermodells deutlich. Der Hippocampus entspräche einem Stick, auf dem tagsüber Informationen gesammelt werden, um diese dann nachts auf die Festplatte zu überspielen. Ist der Mensch am nächsten Morgen ausgeschlafen, ist der Stick geleert, das heißt, der Hippocampus für die Eindrücke des neuen Tages wieder aufnahmebereit.

Der Hippocampus verfügt über ein Register oder einen Index, der die Zugangsinformationen zu den neocortikalen Gedächtnisfragmenten mittels Zeit- und Ortsneuronen speichert. Lebenslang werden so alle autobiografischen Erinnerungsinhalte durch Indexneuronen verankert. Erinnern wir uns, werden die Gruppen von Neuronen aktiviert, die bei der Erzeugung der Erinnerung gemeinsam feuerten. Vergessen wir, kann dieses Feuermuster nicht mehr erzeugt werden, weil Synapsen und Verbindungen verloren gegangen sind. Erzählt man Erlebtes, wird dadurch eine Art Kopie erstellt, die das Erinnern erleichtert.

Lebenslang erzeugt unser Hippocampus während des REM-Schlafs neue Indexneurone (Neurogenese), so dass bis ins hohe Alter neue Gedächtnisinhalte gespeichert werden können. So wächst unser Erfahrungsschatz, allerdings nur, wenn diese Indexneuronen am Leben bleiben, indem sie genutzt werden.

Die beiden Reaktionssysteme des Gehirns

Unser Gehirn verfügt über zwei Systeme. Das erste System reagiert ohne Nachdenken schnell und stereotyp bei immer wiederkehrenden, gut eingeübten Vorgängen. Dies nennt man den „Zombie-Modus“. Das zweite System braucht Zeit, um über neue Situationen nachzudenken und diese einzuschätzen, wozu mentale Energie notwendig ist. Nehls schlägt dafür das Modell eines „Frontalhirn-Akkus“ vor.  Um aktuelle Situationen einschätzen zu können, müssen Erinnerungen an vergangene Situationen abgerufen werden. Dazu müsse der im Hippocampus lokalisierte Akku mit Energie gefüllt sein. Mit den Synapsen des Hippocampus erfolge die Abspeicherung der Gedanken.

Niels hält die Neurogenese für das Einfallstor, um Angriffe auf das menschliche Gehirn auszuführen. Ist die Neurogenese gestört, so dass zu wenige neue Index-Neurone zur Abspeicherung gebildet wurden, nimmt das Gehirn neue Situationen als Stress wahr und es kommt zum Anstieg von Stresshormonen. Da die psychische Resilienz schwach ist, erfolgen Vermeidungsreaktionen und es kann zu depressiven Erkrankungen kommen. Die weiteren Folgen könnten Alzheimer und andere Zivilisationskrankheiten sein. Da chronischer Stress wiederum die Produktion neuer Indexneuronen lahmlege, schließe sich ein Teufelskreis.

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Der Nahost-Konflikt – vom Kopf auf die Füße gestellt

Israel - Vom Opfer zum Täter zum OpferDer pad-Verlag liefert in der vorliegenden Broschüre „Israel – Vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren“ von Peter Hänseler und René Zittlau komprimierte Informationen zum Nahostkonflikt, ein Thema, das gerade die Welt erschüttert. Griffig und übersichtlich, fast schon lehrbuchhaft-didaktisch aufbereitet, werden geschichtliche Tatsachen und aktuelle Geschehnisse, auch an Hand umfangreichen Kartenmaterials, anschaulich dargestellt.

Die von den Autoren dargelegten Fakten überzeugen: Israel ging es niemals um ein friedliches Neben- und Miteinander von jüdischer und palästinensischer Bevölkerung, sondern seit seiner Staatsgründung war es Israels Ziel, die angestammte Bevölkerung mittels illegaler Siedlungspolitik und militärischem Vorgehen vollständig aus den palästinensischen Gebieten zu vertreiben, um ein Groß-Israel zu errichten. Offen scheint noch, ob es bei dem auch von Israelis skandierten Slogan, „from the river to the sea“ als „river“ der Jordan oder gar Euphrat oder Nil gemeint sind.

Die Wurzeln des Konflikts

Die Wurzeln der heutigen Nahostkriege reichen bis in das Jahr 1916 zurück, als sich Großbritannien und Frankreich im geheimen Sykes-Picot-Abkommen darüber einigten, wie nach einem Sieg im Ersten Weltkrieg die bis dahin unter Kontrolle des Osmanischen Reiches stehenden Gebiete zwischen den beiden Kolonialmächten aufzuteilen sind. Nachdem die Briten schon Ägypten beherrschten, wurde ihnen im April 1920 auf der Konferenz von Sanremo neben dem Irak auch Palästina als sogenannte Mandatsgebiete zugeschlagen. Während in dem berühmten Schreiben des britischen Außenministers Balfour an Baron Walter Rothschild 1917 noch von einer „Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ die Rede war, hieß es im Vertrag vom Sèvres vom August 1920 bereits „Heimatland“. Der Sèvres-Vertrag hielt allerdings auch fest, dass der angestammten palästinensischen Bevölkerung dadurch keine Nachteile entstehen dürften.
Den Briten lag daran, die Landbrücke zwischen den von ihnen beherrschten Ländern Ägypten und Irak unter ihrer Kontrolle zu behalten.

Zur Interessenvertretung der Juden wurde 1929 die Jewish Agency gegründet, die mit der britischen Kolonialbehörde die Einreisequoten und -bestimmungen für Juden in Palästina festlegte. Konflikte zwischen Arabern und jüdischen Emigranten waren weitgehend unbekannt.

Nach einer aufgrund der Hitlerischen Machtergreifung in den 1930er Jahren stark gestiegenen jüdischen Zuwanderung kam es zu einem blutig niedergeschlagenen arabischen Aufstand gegen die britische Kolonialmacht, bei dem die Unabhängigkeit gefordert worden war.

Noch im Jahr 1939 hieß es in einem Weißbuch der britischen Regierung, dass innerhalb von zehn Jahren ein unabhängiger Palästina-Staat errichtet werden soll, in dem „Araber und Juden gemeinsam in der Weise regieren, dass die wesentlichen Interessen jeder Gemeinschaft gesichert sind“.

Die noch heute gültige UNO-Resolution 191 forderte 1947 eine Zwei-Staaten-Lösung für die palästinensischen Gebiete.

Die Stimmung zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung kippte komplett, als 1948 einseitig der Staat Israel ausgerufen wurde. Ägypten, Saudi-Arabien, Transjordanien, der Libanon, Irak und Syrien erklärten dem neu deklarierten Staat Israel den Krieg, der in einem großen militärischen Sieg Israels und der Vertreibung eines Großteils der palästinensischen Bevölkerung sowie einer Vergrößerung des israelischen Territoriums um 23 Prozent endete.

Kriege mit arabischen Staaten, die Rolle des Libanon und Ägyptens

In den folgenden Kapiteln beschreiben die Autoren auch an anhand von umfangreichen Kartenmaterial, Tabellen und Originaldokumenten den Weg, den dieser Nahostkonflikt über die Suez-Krise (1956), den 6-Tage-Krieg (1967) und den Jom-Kippur-Krieg (1973) nahm, und der die Annexion der syrischen Golanhöhen, des palästinensischen Westjordanlandes sowie des Gazastreifens durch Israel zur Folge hatte. Eine weitere Vertreibung von Palästinensern, vor allem in die benachbarten Staaten Jordanien und Libanon, war die Folge.

Laut Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks für Palästina (UNRWA) gab es 2019 offiziell registriert 5,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge.

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Politische Gedichte. Der Gaza-Krieg im Blick von Rajani Kanth

... und GAZA und ... Rajani KanthRezension. Der neue Gedichtband „… und GAZA und …“, mit dem dankenswerter Weise der pad-Verlag das lyrische Werk von Rajani Kanth auch im deutschsprachigen Raum bekannt und verfügbar macht und der auch durch seine ungewöhnliche grafische Gestaltung besticht, prangert mit wuchtiger Sprache den Genozid in Gaza an. Er steht damit in der Nachfolge der politischen Dichtung eines Erich Fried und dessen Verurteilung des Vietnamkriegs.

Mit einem Vorwort von Rudolph Bauer und einem Nachwort von Wolfram Esser. Rudolph Bauer zeichnet auch für die Nachdichtung und Bildmontage verantwortlich.

Der Autor und Lyriker Professor Rajani Kanth wurde in Indien geboren und besitzt die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Er ist nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, Philosoph und Gesellschaftstheoretiker, sondern auch ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Frieden.  So gründete er 2007 den Weltfriedenskongress mit dem Ziel, Krieg als Mittel der Politik zu ächten.

Gewidmet ist der Gedichtband dem palästinensischen Lyriker Rif’at al-Ar’ir, der am 6. Dezember 2023 durch einen gezielten Luftangriff der israelischen Armee zusammen mit seinem Bruder und dessen Sohn sowie seiner Schwester und deren drei Kindern ermordet wurde. Der 44-jährige al-Ar’ir galt als die „Stimme von Gaza“. Noch am 9. Oktober hatte er in einem Interview bemerkt, dass das Gefährlichste, was er besitze, ein Textmarker sei. Den könne er auf israelische Soldaten werfen. Kurz darauf warfen sie auf ihn Raketen.

Die Gedichte

Das erste Gedicht des Bandes mit dem Titel „Das Biest“ bezeichnet der Lyriker als

Ode für eine Palästinenserin, die gezwungen ist,
ihr totes Kind in den Trümmern von Gaza zurück zu lassen

[…]

jetzt aber
lass mich gehen
es muss sein
du mein totes kind
in meinen armen
wenn
dann das morgen kommt
kommt
auch die sicherheit wieder
der schutz vor teuflischen schrecken

[…]

Denn dies
ist die stunde der biester
um ihren
furchtbaren willen
auszutoben

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Corona –Rückblick über drei Jahre Corona-Regime in Fakten und Zahlen

Die Broschüre „Corona. Legende und Wahrheit“ von Klaus-Dieter Rückauer ist Aufarbeitung der Corona-Zeit und zugleich eine Anklageschrift. Die Behauptungen der für die Corona-Maßnahmen Verantwortlichen werden Fakten und Zahlen gegenüberstellt, die sie Lügen strafen. „Corona. Legende und Wahrheit“ ist ein Kompendium, das  alle maßgeblichen Corona-Themen umreißt und aufzeigt, was in der Corona-Zeit alles schief bis verbrecherisch ablief. Ethische Orientierung der Verantwortlichen? Fehlanzeige!

Wer zum Jahreswechsel einen Rückblick auf die ruchlosen Geschehnisse in der Corona-Zeit halten möchte, dem sei diese Broschüre wärmstens empfohlen. Die einzelnen Kapitel geben einen kompakten Überblick über bestimmte Corona-Themenbereiche wie Tests, Masken, Lockdown, Impfung, Pathologie, Gesellschaft, Juristen etc. und stellen dort jeweils die politischen Statements und Handlungen den tatsächlichen Zahlen und Fakten gegenüber, wobei es in Deutschland meist unterlassen wurde, aussagekräftige Statistiken zu erheben. Alles, was nicht ins offizielle Narrativ passte, wurde totgeschwiegen beziehungsweise als „Desinformationen“ gebrandmarkt. Dies führte zu „einem Humanexperiment nie dagewesenen Ausmaßes“ und zu Gewinnen der Pharmaindustrie im exorbitanten Ausmaß.

Die politischen Maßnahmen, gestützt auf nicht aussagekräftige Tests sowie auf „Angst als Mittel der Restriktion und Bevormundung“, mündeten in „autoritärer Manipulation“. Die vom Autor zitierten Aussagen von politischen Verantwortungsträgern, willfährigen Wissenschaftlern und sogenannten Experten, insbesondere auch von Arzneimittel-  und Aufsichtsbehörden, lassen einem auch noch im Nachhinein erschauern. Klaus-Dieter Rückauer nennt Zahlen, beispielsweise wie dem Staat durch unnütze Tests, Masken und „Impfungen“ ein Milliardenschaden zugefügt wurde. Und selbstverständlich sind auch die Hetze gegen und die Verunglimpfung von Nicht-Covid-Geimpften, die zur tiefen Spaltung der Gesellschaft führten, Thema der Broschüre.

Rückauer schreibt über die Auswirkungen der Schulschließungen auf Kinder und der Corona-Maßnahmen auf Alte, über die Einschränkung der demokratischen Grundrechte und die Falschaussagen der politischen Entscheidungsträger. „Ausnahmslos jede einzelne dieser Behauptungen hat sich als komplett falsch und unhaltbar herausgestellt“.  Und: „Wenn man das Wort ‚Regierung‘ schüttelt und die Buchstaben neu ordnet, erhält man >genug Irre<.“

Selbstverständlich sind auch die Folgen der ‚Impfung‘ Thema in Rückauers Broschüre. Sie gibt Aufschluss über Nebenwirkungen, Todesfälle, über das steigende Risiko bei mehrfach Geimpften, an Covid-19 schwer zu erkranken. Die Broschüre beschäftigt sich mit der unsäglichen Propaganda der Medien, bei der nicht Argumente zählten, sondern es rein um die Deutungshoheit ging, und deren Gehirnwäsche bis heute nachwirkt.

Ein eigenes Kapitel ist den in der Corona-Zeit veröffentlichten „Zahlen“ gewidmet, von denen Rückauer schreibt: „Keine einzige der offiziellen Corona-Zahlen entspricht der Wirklichkeit, keine“. Dies belegt der Autor an vielen Beispielen, egal ob es sich um positive Testergebnisse, die Wirksamkeit von Masken, die tatsächliche Bedrohung durch das Virus, um Impfschäden und -komplikationen sowie Übersterblichkeitsraten handelt. Fazit: Ein mRNA-basierter ‚Impfstoff‘ hätte niemals zugelassen werden dürfen. „Und jetzt lassen Politik und Medizin die Opfer im Stich.“

Liest man diese Auflistung all der Ungeheuerlichkeiten kommt einem das Corona-Geschehen, hätte man es nicht selbst erlebt, völlig unglaublich vor; unfassbar, dass Regierungen und Verantwortliche mit diesem Verbrechen an der Menschheit nicht nur durchkommen konnten, sondern sich viele immer noch in Amt und Würden befinden. Rückauer: „Für wie viele Tote und Menschen mit körperlichen Langzeitschäden sind Spahn und Lauterbach und auch andere Politiker unmittelbar und im strafrechtlichen Sinne verantwortlich zu machen, weil sie ein Pharmaprodukt mit den schlimmsten Nebenwirkungen in der Medizingeschichte wahrheitswidrig als nebenwirkungsfrei angepriesen und die Bürger massenhaft zur Injektion gedrängt, genötigt oder gezwungen haben?“

Und alle haben mitgemacht, von der Politik, über die Medien, der Ärzteschaft zu den Juristen und Gerichten. Wen wundert es da, dass in der neuen WHO-Verfassung „der bisherige Absatz zu Menschenwürde, Menschenrechten und Grundfreiheiten einfach komplett gestrichen“ wurde?

Prof. Dr. Klaus-Dieter Rückauer ist Facharzt für Chirurgie und Kinderchirurgie. Er erhielt auch durch seine ehrenamtliche Mitarbeit in der Ärztekammer einen ausgezeichneten Einblick in die Bedingungen ärztlicher und pflegerischen Probleme, über die er in Büchern und Publikationen informierte.

 Klaus-Dieter Rückauer „Corona. Legende und Wahrheit“. ICI -pad Verlag, 2023, 93 Seiten

Das belanglose Töten von Frauen. „Die Nebensache“ von Adania Shibli

Rezension. Schon der Titel des Romans „Die Nebensache“ der palästinensischen Autorin Adania Shibli beschreibt, als was das Leiden und Sterben von Zivilisten in militärischen Konflikten betrachtet wird: als nebensächlich.
Adania Shibli sollte auf der Frankfurter Buchmesse 2023 der
LiBeraturpreis verliehen werden. Dies wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das Buch von Adania Shibli besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beschreibt die Sinneseindrücke eines israelischen Hauptfeldwebels, der, gequält von einem Insektenbiss, nach Kriegsende 1949 in der Hitze der Negev-Wüste mit seinen Soldaten Patrouillenfahrten durchführt. Sie töten eine Gruppe Beduinen mitsamt ihren Kamelen, nehmen eine junge Frau gefangen, vergewaltigen und töten sie. Die völlige Emotionslosigkeit bei der Schilderung der Ereignisse ist verstörend.

Der zweite Teil des Buches beschreibt in Ich-Form die Spurensuche einer jungen, im heutigen Ramallah ansässigen Palästinenserin nach jener Frau, die 1949 ein so schweres Leid ertragen musste. Sie soll keine „Nebensache“ mehr sein, sondern als Mensch sichtbar werden. Da der Todestag der Frau im August 1949 ein Vierteljahrhundert später der Geburtstag der Erzählerin war, sieht sich diese mit der Toten schicksalhaft verbunden. Es beginnt die Suche in israelischen Archiven.

Unaufgeregt und karg, deshalb umso eindringlicher, erzählt der Roman von der klaustrophobischen Situation in einem besetzten Westjordanland. So werden ganz selbstverständlich Fenster geöffnet, als das israelische Militär die Sprengung eines Nebenhauses ankündigt. Die Detonation würde sonst die Scheiben bersten lassen. Auch die im Nachbarhaus getöteten Jugendlichen sind dabei nur eine Nebensache.

Die Erzählerin stößt ständig an Grenzen, die zu überschreiten sind. Nur mit Hilfe eines geliehenen Ausweises, der die richtige Farbe, Blau, trägt, ist es ihr möglich, sich von Ramallah mit einem Leihwagen in Richtung Nirim auf den Weg zu machen. Nirim, der Ort, an dem im August 1949 eine junge Frau Opfer des Krieges wurde, nicht mehr als ein „nebensächliches Detail“.

Nirim war eine von elf Siedlungen, die im Süden, in der Wüste Negev, nahe Rafah an der Grenze zu Ägypten, von jüdischen Siedlern gegründet wurde. Auf dem Weg dorthin, durch die Zonen A, B und C, in die das Palästinensergebiet von Israel aufgeteilt ist, wird die junge Frau bei jeder der zahlreichen Straßensperren und Check-Points von Anspannung und Angst gepackt, gegen die sie ankämpfen muss. Landkarten geben Orientierungshilfe, eine israelische mit dem aktuellen Straßenverlauf, aber auch eine von Palästina vor 1948, in der noch die vielen palästinensischen Dörfer eingezeichnet sind, die inzwischen ausgelöscht und deren Bewohner vertrieben wurden. Beklemmend.

Die Spurensuche verläuft für die Erzählerin frustrierend und der alten „Nebensache“ wird nur eine neue „Nebensache“ hinzugefügt – der allerdings durch die Stimme von Adania Shibli nun eine Innenansicht gegeben wird.

Nebensachen, Grenzen, Panik, Hundegebell, Detonationen, Schüsse und ein Kaugummi – alles, aber kein Leben in „normalen“ Zeiten.

Aktueller könnte das beklemmende Buch von Adania Shibli in einer Kriegszeit, in der sich die „Nebensache“, das Leid von Frauen, Kindern, Zivilisten, ins Unermessliche steigert, nicht sein.

Die Autorin Adania Shibli sollte auf der Frankfurter Buchmesse 2023 den LiBeraturpreis erhalten. Die Preisverleihung wurde verschoben. Die Bühne blieb leer. Das Leid der Zivilbevölkerung – eine Nebensache.

Adania Shibli wurde 1974 in Palästina geboren und lebt in Palästina und Deutschland. Sie ist in akademischer Forschung und Lehre tätig. „Eine Nebensache“ ist ihre erste Buchveröffentlichung.

Adania Shibli, „Eine Nebensache“, Roman, Verlag Berenberg, 117 Seiten

 

https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-palaestinensische-autorin-shibli-buchmesse-verschiebt-preisverleihung-dlf-kultur-faff5d97-100.html

 

Die Spur des Geldes – „Imprimatur“

ImprimaturDer 750 Seiten umfassende Roman Imprimatur(1) aus dem Jahre 2005 stellt für den Leser eine Herausforderung dar. In einer der mittelalterlichen Sprache angepassten Erzählweise führt er uns in das barocke Rom des Jahres 1683, wo den Leser schon bald die historische Authentizität der handelnden Figuren in deren Bann schlägt.

Die Handlung
Als Kriminalgeschichte verfasst, wird der vorgebliche Giftmord an Nicolas Fouquet, dem ehemaligen und später in Ungnade gefallenen Finanzminister des Sonnenkönigs Ludwig XIV., in einer römischen Herberge durch Atto Melani, Kastrat, Sänger, Diplomat und Spion Ludwig XIV., aufgeklärt. Melani erhält bei seinen Nachforschungen die Hilfe des Küchenjungen, aus dessen Sicht die Geschehnisse in der römischen Locanda geschildert werden.

Da zunächst befürchtet wird, Fouquet sei der Pest erlegen, wird die Herberge unter Quarantäne gestellt. Alle darin befindlichen Gäste sowie der Wirt, dessen Küchenjunge und eine betörende Kurtisane dürfen das Haus nicht mehr verlassen und kommen prinzipiell als Tatverdächtige infrage. Allerdings gibt es im Haus einen geheimen Zugang zu den Katakomben, Kloaken und unterirdischen Gängen des mittelalterlichen Roms, der von den festgesetzten Herbergsgästen auch ausgiebig genutzt wird. Bei der Jagd auf den vermeintlichen Mörder spielen sich in dieser Unterwelt wilde Verfolgungsjagden ab. Unterstützt werden die Helden von sogenannten Heiligenfledderern, die in der düsteren Unterwelt auf der Suche nach wertvollen Heiligenreliquien sind. Während es in der Locanda zu weiteren Unfällen und Erkrankungen kommt, befürchtet man in Rom den Untergang des Christentums, da die Türken vor Wien stehen.

Soweit eine Mischung aus ein bisschen Umberto Eco, ein bisschen Agatha Christi und ein bisschen Arthur Conan Doyle.

Daneben gibt es jedoch die fast verstörend langen Passagen, die eine kompakte Einführung in die barocke Gedankenwelt bieten, ob es sich nun um religiöse Vorstellungen, Astrologie, Zahlenmystik, Heilmethoden, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, oder doch sehr befremdlich anmutende Kochrezepte handelt. Diese durchgängige Authentizität des Romans fesselt den Leser immer wieder aufs Neue, so dass man gespannt dem römischen Küchenjungen bei seinen Abenteuern folgt.

Nicht zuletzt noch der Hinweis auf die im Roman erwähnte Musik. Eine wichtige Rolle spielen die frühbarocken Werke von Salamone Rossi und insbesondere ein geheimnisvolles Rondo, Les Baricades mistérieuses(2), das Francois Couperin zugeschrieben wird, von dem der Erzähler der Rahmenhandlung aber vermutet, es stamme ursprünglich aus der Feder Francesco Corbettas, ein italienischer Komponist und Gitarrist.

Die Personen des Romans sind historisch belegt
Wie in der Rahmenhandlung und auch im Anhang ausführlich bezeugt, sind die Personen dieses Buches und ihre Historie in weiten Teilen nicht frei erfunden, sondern historisch belegt. Und auch die politischen Verstrickungen und Intrigen der damaligen politischen Herrscherhäuser und des Papstes, die im Verlauf der Handlung aufgedeckt werden, haben einen wahren Hintergrund, dessen Offenlegung noch im Jahr 2005 bei Veröffentlichung des Romans für einen handfesten Skandal sorgte. Im Buch heißt es hierzu: „Am Ende triumphierte also die Lüge, und der Geldgeber der Ketzer wurde Retter der Christenheit genannt.“ Und weiter: „Die Gestalt und das Werk Innozenz XI. sind demnach völlig zu Unrecht gefeiert und erhöht worden, mit falschen, irreführenden oder parteilichen Argumenten.“ Allerdings hat die Realität das Buch eingeholt und die von Montaldi und Sorti zutage geförderte Wahrheit kam zu guter Letzt doch noch ans Licht.

Die Funde der beiden Autoren Rita Moraldi und Francesco Sorti nach akribischen Recherchen in verstaubten Archiven zeitigten weitreichende Konsequenzen. Die Veröffentlichung des Romans und der echten Archivdokumente entwickelte eine so gewaltige Brisanz, dass die 2002 anstehende Heiligsprechung des bedeutendsten Papstes des 17. Jahrhunderts, Innozenz XI., der aus der schwerreichen Familie der Odescalchi stammte, vom Vatikan abgesagt wurde. Der Historikerstreit war beendet.

Historischer Hintergrund
Die Autoren konnten Dokumente ausfindig machen, die belegen, dass Papst Innozenz XI. Wilhelm von Oranien große Geldbeträge zur Verfügung stellte, die es Wilhelm ermöglichten, das Heer zur Eroberung Englands zu finanzieren, dort die Katholiken zu vertreiben und ein für allemal den Protestantismus in England durchzusetzen. Vermutlich geschah dies aus reiner Habgier von Innozenz XI., denn nach der Eroberung Englands verfügte Wilhelm von Oranien über die Mittel, seine Schulden samt Zinsen zurückzuzahlen. Unter dieser Schuldlast litt vor allem sein protestantisches Fürstentum Orange (Oranien). Dieses lag am Rande der Legation Avignon, die dem Vatikan zugehörig war, und diese Legation Avignon lag inmitten von Südfrankreich, das zum Herrschaftsgebiet des französischen Königs Ludwig XIV. gehörte. Orange muss über seine Schuldenlast so verzweifelt gewesen sein, dass es dem Papst antrug, sich seiner Herrschaft zu unterwerfen. Der Vatikan lehnte dankend ab.

Dazu muss man wissen, dass sich „Seine Allerchristlichste Majestät“ Ludwig XIV. und Papst Innozenz XI. in tiefster Feindschaft verbunden waren. Es heißt, Ludwig XIV. habe nicht davor zurückgeschreckt, mit den Türken vor Wien zu konspirieren mit dem Ziel, Europa nach einem Sieg der Muselmanen zwischen ihnen und Frankreich aufzuteilen – unter Ausschaltung anderer Herrscherhäuser und des Vatikans. Dagegen wiederum konspirierte die Frau von Ludwig XIV. und Königin von Frankreich, die Habsburgerin Maria Theresia, die ihrem Ehemann – nicht zuletzt wegen dessen unzähliger amouröser Abenteuer – nur Verachtung und Hass entgegenbrachte. Kaiser Leopold in Wien, der Habsburger, sei genauestens über die sinistren Geldumläufe der europäischen Politik informiert gewesen, selbstverständlich auch über jene, die über „venezianische Strohmänner der Odescalchi“ an „ketzerische italienische Bankiers“ flossen.

Das Buch und seine Autoren
Nach 15.000 verkauften Exemplaren wurde das Buch in Italien zunächst nicht mehr aufgelegt. Nach Anfeindungen gingen die Autoren nach Wien ins Exil, wo sie Imprimatur bei einem niederländischen Verlag wieder in italienischer Sprache veröffentlichen konnten.

Die Autoren sind der Meinung, dass nach dem Auffinden und Bekanntmachen der einschlägigen Dokumente die Geschichte neu geschrieben werden muss. Geschichtsklitterung ist also beileibe keine Erfindung der Neuzeit. Und es bleibt die Erkenntnis, dass auch Inhalte von gefälschten Dokumenten wahr sein können und diese allein mit dem Ziel in Umlauf gebracht werden, die darin beschriebene Wahrheit zu diskreditieren.

„Imprimatur“, Monaldi und Sorti, Roman, List 2005, 752 Seiten

(1) Imprimatur, d.h. Druckerlaubnis, Erlaubnis der katholischen Kirche zur Veröffentlichung eines religiöse und kirchliche Themen betreffenden Druckwerks.
(2) https://fr.wikipedia.org/wiki/Les_Barricades_myst%C3%A9rieuses
https://de.wikipedia.org/wiki/Monaldi_%26_Sorti

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