Zwei „Regierungen“, unter Abdulhamid Dabaiba und unter Fatih Baschagha, kämpfen um die Macht in der Hauptstadt Tripolis, in der sich die wichtigen Institutionen wie die Libysche Zentralbank (CBL) und die National Oil Corporation (NOC) befinden und somit mit der Machtübernahme in Tripolis der Zugang zu den Öleinnahmen gesichert werden kann.
Über die aktuelle Lage herrscht ein unklares Bild. Die Kämpfe flauten ab.
Die politischen Hintergründe
Im Westen Libyens und insbesondere in Tripolis unterstützen rivalisierende Stammesmilizen die jeweiligen „Premierminister“ der beiden Regierungen als da sind Abdulhamid Dabaiba und Fathi Baschagha. Dabei handelt es sich keineswegs um einen ost-west-libyschen Konflikt, da beide „Premiers“ sowohl im Osten wie im Westen auf Unterstützer zählen können. Dabaiba und Baschagha sind die zwei Seiten einer Medaille, die Libyer im Dienste fremder Mächte gegeneinander aufhetzen und in den Krieg treiben.
Der alte „Premier“ Dabaiba, der wohl durch Schiebung und mit Hilfe der UN-Sonderberaterin Stephanie Williams in das Amt kam und das Land eigentlich im Dezember 2021 in Wahlen führen sollte, hat sich vor wenigen Wochen in einem Überraschungscoup mit dem Oberkommandierenden der Libyschen Nationalarmee (LNA), Khalifa Haftar, verbündet. Die LNA hat ihren Hauptstützpunkt nahe Bengasi im Osten Libyens. Der neue „Premier“ Baschagha hingegen wurde vom libyschen Parlament, das sich in der ostlibyschen Stadt Tobruk befindet, zum Premierminister ernannt und ist mit dem Parlamentspräsidenten Saleh verbündet.
Beide, Dabaiba und Baschagha, haben gute Verbindungen zur Türkei und zur Moslembruderschaft, wobei auch die Moslembruderschaft, die sich in Libyen im Hohen Staatsrat organisiert hat, zwischen den beiden Machtblöcken gespalten erscheint. Die Türkei, die im Westen Libyens Militärstützpunkte unterhält und syrische Söldner in Libyen stationiert hat, hält bei den gegenwärtigen militärischen Auseinandersetzungen in Tripolis bisher die Füße still, ebenso wie die LNA, die allerdings am 22. August mit Hilfe eines russischen Flugabwehrsystems eine US-amerikanische, mit Missiles bestückte Drohne nahe ihres Militärstützpunktes Benina im östlichen Libyen abschoss.
Auch in Abu Hadi, nahe der Stadt Sirte, die sich etwa an der Grenze zwischen den nördlichen Regionen Tripolitanien und Kyrenaika befindet, kam es zu Schießereien zwischen Mitgliedern des Stammes der Gadhadhfa und der al-Hashasha-Miliz, von der Abu Hadi belagert wird.
Inzwischen hat auch der Süden Libyens eine eigene Regierungsvertretung proklamiert und pocht darauf, bei Verhandlungen miteinbezogen werden. In den südlichen Wüstengebieten liegen sowohl die Erdöl- und Erdgasvorkommen als auch die Süßwasserreservoire Libyens. Sirte und der Süden Libyens zählen zur Gefolgschaft von Saif al-Islam Gaddafi. Es heißt, dass wegen seiner Kandidatur und seines vorhersehbaren Sieges bei Wahlen diese immer wieder verschoben werden.
Die Einschätzung der politischen Lage in Libyen gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil die Lager teilweise in sich gespalten sind, Allianzen ständig wechseln und Feinde von gestern die Verbündeten von heute sein können. Und selten etwas so ist, wie es scheint.
Auch in Libyen sind die USA und Russland die großen Player, mit dem Unterschied, dass die USA ganz offen ihre Machtpolitik mit Hilfe der Nato sowie ihres Botschafters und Stephanie Williams betreiben, während Russland eher hinter den Kulissen versucht, Allianzen zu schmieden und Strippen zu ziehen und die russische private Wagner-Militärgruppe offiziell „nur“ Ölanlagen sichert. Die Türkei changiert wie gehabt zwischen den Lagern.