Bei dem vor einer Woche in der marokkanischen Stadt Bouznika stattgefundenen Treffen des libyschen 6+6-Ausschusses wurde ein neues Wahlgesetz ausgehandelt. Insbesondere ging es um die Zulassung der Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi und Khalifa Haftar.
Wie jetzt bekannt wurde, haben sich die Teilnehmer darauf verständigt, Saif al-Islam Gaddafi bei den geplanten Präsidentschaftswahlen auszuschließen. Im Gegensatz dazu soll Khalifa Haftar, Oberbefehlshaber der Libyschen Nationalarmee (LNA), zugelassen werden. Dieses Ergebnis war zu erwarten.
Der Ausschluss von Saif al-Islam Gaddafi wird damit begründet, dass diejenigen, gegen die ein Gerichtsurteil vorliegt oder die von der Justiz gesucht werden, nicht kandidieren dürfen. Dies bezieht sich zum einen auf den vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen Saif al-Islam Gaddafi ausgestellten Haftbefehl, der rein politisch motiviert ist. Zum anderen wurde gegen ihn in Abwesenheit von einem von der Moslembruderschaft beherrschten Gericht in Tripolis im Juli 2015 ein Todesurteil verhängt, das jeder juristischen Gepflogenheit Hohn spricht und inzwischen aufgehoben wurde. Saif al-Islam wurde im Rahmen einer Generalamnestie 2017 aus der Gefangenschaft von Milizen in Zintan entlassen.
Aktivisten des demokratischen Weges im Visier von Khalifa Haftars Milizen
Drei Schreckgespenster gehen in Libyen um, ihre Namen sind „Moslembruderschaft“, „Miliz“ und „Demagoge“. Sie wurden von jenen Parteien ins Leben gerufen, die – koste es, was es wolle – die politische Macht für sich alleine beanspruchen, für diese ein Monopol schaffen wollen.
Um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen, gehen sie insbesondere gegen politische Aktivisten und Medienschaffende vor, die zum Schweigen gebracht werden müssen. Zu diesem Zweck werden innerhalb der libyschen Zivilgesellschaft demokratische Grundfreiheiten unterdrückt und es wird auf gewalttätige Weise versucht, den Willen des Volkes zu brechen.
Es häufen sich Verhaftungen, Entführungen und die Versuche, Menschen mittels Drohungen mundtot zu machen. Der gescheiterte Staat setzt im Osten und Westen des Landes auf seine verschiedenen Repressionsapparate in Form von ‚Sicherheitseinrichtungen‘ als da sind ‚Sicherheitszentralen‘, ‚Sicherheitsabteilungen‘, Geheimdienste, Kripo und andere, die sich von ihren ursprünglichen, in Gesetzen festgelegten Aufgaben weit entfernt haben. So wurden aus Gesetzen, geschaffen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit, Ordnung und gesellschaftlicher Stabilität, repressive und der Gerechtigkeit Hohn sprechende Instrumente, die im Zusammenspiel mit rachsüchtigen Milizen im Dienst autoritärer Einzelherrschaft stehen.
Ein beklemmendes Beispiel ist die Stadt Sirte, in der die Menschen schwersten Schikanen und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Sie erleiden Verfolgung, Verhaftung, Erpressung, Entführung, werden eingeschüchtert und man lässt sie verschwinden. Dies alles geschieht, um ihren Willen zu brechen, ihre Grundfreiheiten einzuschränken, ihre Rede- und Meinungsfreiheit zu beschneiden. Diese Menschen haben sich die letzten zehn Jahre in einem friedlichen Kampf für Fortschritt, Gleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Regierungstransparenz eingesetzt und alle Erfolge, die sie damit erzielen konnten, sollen nun ausgelöscht werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, üben die Machthaber systematisch Gewalt aus. Allein in den letzten beiden Jahren wurden in Sirte fast dreißig Personen verhaftet und auf direkte Anweisung des Militärkommandanten von ar-Radschma in die Gefängnisse von ar-Radschma und Bengasi im östlichen Libyen verschleppt. Unter den Gefangenen befinden sich Mitglieder der Partei Gemeinsam für das Vaterland und andere Aktivisten, die sich um nationale Versöhnung bemühen, darunter der Dekan der juristischen Fakultät, Dr. Muftah Darbasch.
Es werden Menschen verfolgt und terrorisiert, die eine Einhaltung der Menschenrechte und das Recht auf Wahlen in Libyen fordern und auf die Durchführung von Wahlen hinarbeiten, und zwar ohne die Ausgrenzung und Marginalisierung von Parteien oder Kandidaten.
In Sirte kommt es zu Verhaftungswellen, durchgeführt von sogenannten ‚Sicherheitsorganen‘, die mit dem Kommandanten der Libyschen Nationalarmee (LNA) im östlichen Libyen, Khalifa Haftar, in enger Verbindung stehen und auf seinen Befehl hin handeln. Der Journalist und Leiter des Medienteams von Saif al-Islam Gaddafi, Dr. Agila Dalhum, dessen Ruf nach Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Demokratie immer wieder laut ertönte, war in den letzten Tagen nicht nur schweren Repressionen ausgesetzt, sondern es wurde sogar ein Mordversuch unternommen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Vorher wurden bereits die Organisatoren und Parteichefs von Gemeinsam für das Vaterland, Saleh az-Zarruk, al-Mabruk Onaizah, Ahmed al-Mahdi, al-Fituri abu Saba und Fardsch Amarf Aijasch, verhaftet und an die Innere Sicherheit von Bengasi überstellt. Ihr genauer Verbleib ist bis heute ungeklärt und es besteht Anlass zu höchster Sorge. Anzumerken ist dabei, dass es sich beiGemeinsam für das Vaterland um eine offiziell registrierte Partei handelt, die zu politischer Arbeit berechtigt ist und sich stets für demokratische Wahlen, Aussöhnung und politische Stabilität einsetzte.
Die Stadt Sirte wird kein Einzelfall bleiben. Was sich dort an Repression abspielt, wird sich in anderen libyschen Städten wiederholen mit dem Ziel, den Wahlprozess zu unterminieren, die Wähler einzuschüchtern und ihren Willen zu brechen. Ziel ist es, die Teilnahme von Saif al-Islam Gaddafi an den Präsidentschaftswahlen mit aller Macht zu verhindern, denn ihm werden bei allen Umfragen immer noch die mit Abstand meisten Stimmen vorhergesagt.
Der britische Guardian schrieb am 23. April 2023, dass der libysche LNA-Oberkommandierende Khalifa Haftar die RSF-Miliz von Hamdan Dagalo in den letzten Monaten auf die Kämpfe im Sudan vorbereitet habe. Dies lasse einen langwierigen Konflikt im Sudan befürchten, der von äußeren Kräften angeheizt wird. Soweit so richtig.
Der Krieg im Sudan ist keine rein regionale Auseinandersetzung, sondern bei den einst Verbündeten und heutigen Feinden ziehen regionale und ausländische Geheimdienste die Strippen. Und diese werden auch entscheiden, wie lange dieser Krieg geführt wird.
Es ist eine verkürzte Sicht, die gegenwärtigen Kämpfe im Sudan auf die Rivalität zwischen dem Vorsitzenden des Regierungsrats und Kommandanten der sudanischen Armee, General Abdel Fattah al-Burhan, und seinen Stellvertreter und Kommandanten der RSF-Miliz (Rapid Support Force/Schnelle Eingreifgruppe), Hamdan Dagalo (alias Hemedti), zu beschränken.
Was bis Anfang des Jahres galt
Laut Guardian habe Dagalo früher Söldner nach Libyen geschickt, um die Libysche Nationalarmee (LNA) unter dem Oberbefehl von Khalifa Haftar, der den Osten und Süden Libyens kontrolliert, zu unterstützen. Auch beim Schmuggel, es dürfte sich vorrangig um Waffen, Treibstoff, Drogen und Gold handeln, hätten Dagalo und Haftar zusammengearbeitet. Allerdings seien die sudanesischen Söldner, die an der Seite der LNA kämpften, Rivalen von Dagalo und gehörten der offiziellen sudanesischen Armee unter General al-Burhan an.
Haftar und seine LNA erhielten außerdem von Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Unterstützung, ebenso von Ägypten.
Trotz seiner jetzigen Positionierung für Dagalo sei Haftar daran gelegen, den Vorsitzenden des Regierungsrats Abdel Fattah al-Burhan, nicht zu verprellen, ebenso wenig wie Ägyptens Präsidenten es-Sisi, der auf Seiten al-Burhans steht.
Dagado und Haftar im Jahr 2023
Laut Guardian habe Haftar zwischen Februar und Mitte April wichtige Aufklärungsinformationen an Dagalo weitergegeben, dessen Feinde verhaftet, die Treibstofflieferungen erhöht und möglicherweise eine Abteilung von Hunderten von RSF-Kämpfern im Häuserkampf ausgebildet.
Wie die feuchten Träume von Big Pharma schuldenfinanziert durch die Weltbank im geschundenen Libyen Realität werden.
UNICEF verspricht „Immunisierungsrevolution“
Erfreut gab UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, am 18. April 2023 bekannt, dass inzwischen an 100 der geplanten 700 und über ganz Libyen verteilten Impfstellen das erste elektronische Impfverwaltungssystem namens Tahsin mit Unterstützung von UNICEF installiert wurde. Ziel sei es, das erweiterte Impfprogramm (EPI) effizienter durchführen zu können.
Mit Tahsin, so UNICEF, werde die Impfhistorie jedes Einzelnen im System gespeichert und so die Impfpläne jeder Person elektronisch überwacht. Dies gewährleiste eine genaue Verfolgung des Impfstatus jedes Menschen.
Dazu bedürfe es der Zusammenarbeit mit dem Libyschen Nationalen Zentrum für Krankheitskontrolle (NCDC), das bereits im Oktober 2021 die Tahsin-App einführte, um die ‚Impfung‘ gegen Covid-19 zu überwachen. Nun sollen in diesem System wirklich alle libyschen Kinder in Libyen erfasst werden, um davon zu „profitieren“.
UNICEF verspricht nichts weniger als eine „Immunisierungsrevolution“, um den Menschen in Libyen „ein sicheres und gesünderes Leben“ zu bieten.
Finanzierung durch die Weltbank
Bekanntermaßen befindet sich das einst reiche Libyen seit 2011, als die Nato den Sturz der Dschamahirija-Regierung herbeibombte und Muammar al-Gaddafi ermordete, im Zustand des failed state und bedarf der Unterstützung aus dem Ausland. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, medizinisches Personal fehlt, ebenso wie Medikamente und medizinische Ausstattung Mangelware sind. Die meisten der verantwortlichen Politiker sind bis unter die Haarwurzeln korrupt und ausschließlich auf ihren eigenen finanziellen Vorteil bedacht. Wie also soll das Ganze finanziert werden?
Razzia in Sirte und Verhaftungen während eines Symposiums missliebiger politischer Konkurrenten
Über willkürliche Verhaftungen und Verschleppungen unerwünschter Menschen in Tripolis und Umgebung durch die der Dabaiba-‚Regierung‘ zuzuordnenden Milizen wird hinreichend in den Medien berichtet. Geht es dagegen um Menschenrechtsverletzungen und die Anwendung von schmutzigen Methoden wie Folter zur Erpressung von Geständnissen, die von der Libyschen National Armee (LNA) unter dem Oberbefehl von Khalifa Haftar und den ihr angeschlossenen Milizen begangen werden, schweigen sich die Medien aus.
Jüngstes Beispiel hierfür ist eine Razzia am 18. April 2023 in der Stadt Sirte, die der Interne Sicherheitsdienst Sirte (Internal Security Service Sirte) in der Parteizentrale der Partei Gemeinsam für die Nation (Together for the Nation) während eines Wahlsymposiums gegen 23 Uhr durchführte. Der mit Haftar verbundene Interne Sicherheitsdienst und das Sicherheitsdirektorat der Baschagha-Regierung verhafteten die Parteiführer Saleh az-Zarug, al-Mabruk Abdelrahman Onaizah, Faradsch Aiyasch, al-Fitouri Ahmed, Hamad al-Mahdi sowie einen Fotografen, der die Veranstaltung dokumentieren sollte. Die etwa dreißig Teilnehmer, darunter auch Frauen, wurden eingeschüchtert, die Kamera und die Filme des Fotografen beschlagnahmt. Das Symposium sollte der Vorbereitung auf die in Libyen geplanten Wahlen dienen.
Den Verhafteten wird vorgeworfen, nicht die Partei von Khalifa Haftar zu unterstützen. Dieser schikanöse und bedrohliche Vorgang gegen eine Partei, die vom Justizministerium der Dabaiba-‚Regierung‘ eine offizielle Zulassung für ihre politischen Arbeit erhielt, wirft ein beklemmendes Schlaglicht auf den kommenden Wahlkampf und die geplanten Wahlen.
Der Westen bemüht sich, die Kampfzone gegen Russland und China auszuweiten. Das wirtschaftlich und politisch am Boden liegende und von zwei Regierungen gespaltene Libyen bietet sich dafür an.
Auch diesmal werden wie in der Ukraine keine UNO-Soldaten in den Kampf geschickt, sondern es sollen Libyer für die „gute Sache“ des Westens sterben. Die libysche Frontlinie könnte dabei entlang der Nord-Süd-Achse Libyens, von Sirte bis Ghat, verlaufen.
Alle Zeichen stehen auf Krieg
Die Hinweise auf eine bevorstehende militärische Auseinandersetzung verdichten sich. So fand ein Treffen zwischen dem ‚Premierminister‘ der Tripolis-‚Regierung‘, Abdulhamid Dabaiba und dem vom Parlament eingesetzten und bisher mit Dabaiba rivalisierenden ‚Premierminister‘ Fathi Baschagha statt. In Tripolis kamen diese Tage die höchsten Militärkommandanten der östlichen Militärs (Libysche Nationalarmee/LNA) und der westlichen Militärs zusammen. Man will sich in der kommenden Woche in Bengasi noch einmal treffen, um einen Zusammenschluss zu erreichen. Auf einen Fingerzeig der USA wurden urplötzlich alle Feindseligkeiten zwischen der LNA und der islamischen Bewegung vom Tisch gewischt, wobei die LNA noch 2019 mit einem Marsch auf Tripolis ebendiese Streitkräfte der Moslembruderschaft militärisch aufs Äußerste bekämpfte. Wie Fotos bezeugen, umarmten sich die bisherigen Feinde plötzlich auf das Herzlichste.
Es ist nicht mehr zu übersehen, nach welcher Pfeife sowohl Khalifa Haftar mit seiner LNA als auch Dabaiba mit seinen Milizen und nicht zuletzt auch Baschagha tanzen: Es ist die Pfeife der USA und der Nato. Während alle ständig von Wahlen faseln, die tatsächlich der einzig gangbare Weg in eine friedliche Zukunft Libyens wären, die aber kaum eine Chance haben, in absehbarer Zeit stattzufinden, zelebrieren die libyschen Feinde ihre Versöhnung, um anschließend gemeinsam gegen die Wagner-Gruppe im Osten und Süden des Landes vorgehen zu können. Die Situation erscheint günstig, da die Wagner-Gruppe nach dem „Fleischwolf“ von Artjomowsk/Bachmut zwar siegreich, aber erheblich geschwächt sein dürfte.
Bei allem sei nicht vergessen: Haftar hat die Wagner-Gruppe ins Land geholt, die seitdem in erster Linie die Erdgas- und Erdölanlagen schützt, aber auch militärisch an der Seite der LNA gegen Tripolis und seine Milizen kämpfte.
Die Rolle von Khalifa Haftar
Und spätestens hier muss die Frage gestellt werden, welche Rolle der schillernde LNA-Oberbefehlshaber Khalifa Haftar in den Jahren seit 2011 spielt, dieser Haftar, der 2011 aus den USA herbeigeeilt kam, um die Dschamahirija-Regierung gemeinsam mit von den USA und ihren Verbündeten unterstützten Moslembrüder und extremistischen Islamisten zu stürzen, um anschließend die bisherigen islamistischen Waffenbrüder verbissen zu bekämpfen. Auffallend dabei, wie Haftar mit zunächst äußerst siegreichen Streitkräften sowohl 2014 als auch 2019 kurz vor dem Sieg gegen die Moslembrüder in die Defensive geriet und den Rückzug nach Osten antrat. Geschah dies vielleicht nicht aus militärisch-strategischem Unvermögen, sondern wohl kalkuliert, um das Gleichgewicht des Schreckens in Libyen aufrechtzuerhalten – immer mit dem Fernziel der USA, eine endgültige Spaltung Libyens in zwei oder noch besser in drei Teile in greifbare Nähe zu rücken?
Das 5+5-Militärkomitee (Joint Military Committee, JMC) überschreitet eindeutig seine Kompetenzen, wenn es sich in die Vorbereitung der libyschen Präsidentschaftswahlen einmischt
Beim Treffen der Mitglieder des 5+5-Militärkomitees mit ausländischen Botschaftern wurde vom Militärkomitee gefordert, Dr. Saif al-Islam Gaddafi als Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen nicht zuzulassen.
Dazu erklärte das politische Team von Dr. Saif al-Islam Gaddafi, die Forderung des 5+5-Militärkomitees, Saif al-Islam Gaddafi bei Wahlen auszuschließen, sei das jüngste einer Serie von Komplotten, die sich gegen ihren Präsidentschaftskandidaten richten.
Die Aufgabe des 5+5-Militärkomitees, das sich aus je fünf hochrangigen Militärangehörigen der Libyschen Nationalarmee (LNA) unter dem Oberkommando von Khalifa Haftar im Osten Libyens und den Militärs unter der Dabaiba-‚Regierung‘ im westlichen Libyen zusammensetzt, sei es, den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten und die Vereinheitlichung der militärischen Institutionen voranzutreiben, damit im Land die Farce von zwei Oberbefehlshabern, zwei Stabschefs und verschiedener Milizen, die Befehle der verschiedenen intervenierenden ausländischen Mächten befolgen, endlich beendet wird.
Keineswegs sei es die Aufgabe des Militärkomitees, sich in politische Angelegenheiten wie den Wahlprozess einzumischen. Diese Kompetenzüberschreitung lasse an der Integrität und Unparteilichkeit des 5+5-Militärkomitees zweifeln.
Das politische Team des Präsidentschaftskandidaten Saif al-Islam Gaddafi rief das 5+5-Komitee dazu auf, sich den Aufgaben zu widmen, für die es geschaffen wurde. Die gegen den Präsidentschaftskandidaten Gaddafi gerichteten Komplotte könne es getrost dem feindlich gesinnten Ausland überlassen.
Libyer können auf Unterschriftslisten ihre Unterstützung für eine Petition bekunden, die die Abhaltung von Präsidentschaftswahlen in Libyen fordert und in der das von den USA und Großbritannien geplante Projekt, die Präsidentschaftswahlen zu streichen und noch in diesem Jahr ausschließlich Parlamentswahlen abzuhalten, abgelehnt wird. Diese Petition wurde bereits tausendfach unterzeichnet und kann nun auch im Internet unterstützt werden.
Der Petitionstext lautet:
„Es kursieren Nachrichten über den amerikanischen Plan für eine Lösung in Libyen, der auf dem in Washington geplanten 5+2+2-Treffen [USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland / Ägypten, Türkei / VAE, Katar] vorgestellt werden soll.
Die USA und Großbritannien wollen damit erreichen, dass in Libyen bis zum Ende des laufenden Jahres nur Parlamentswahlen und keine Präsidentschaftswahlen abgehalten werden.
Um das Projekt zum Erfolg zu führen, wollen sie über die Vereinten Nationen einen Rechtsausschuss bilden, der Gesetze ausarbeitet und sie dem Parlament zur Verabschiedung innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens vorlegt, ohne dass daran Änderungen vorgenommen werden können.
Dieser Plan wird sich nicht durchsetzen lassen und ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die Abhaltung von Parlamentswahlen in Libyen zu diesem Zeitpunkt wird nur in begrenzten Teilen des Westens des Landes stattfinden und eine zusätzliche dritte gesetzgebende Körperschaft hervorbringen, die weder das Parlament im Osten des Landes noch der Staatsrat im Westen anerkennen oder sich ihr unterordnen werden.
Dies wird die Probleme in Libyen weiter verkomplizieren und eine ähnliche Situation wie 2014 [bewaffnete Auseinandersetzungen] schaffen. Es könnte diesmal sogar zu einer wirklichen Abspaltung und einem Stopp der Ölförderung und -exporte kommen.
Die eklatante Einmischung der US-Amerikaner und Briten in die libyschen Verhältnisse und ihr Versuch, ein Projekt durchzusetzen, das weit von den Vorstellungen der Libyer entfernt ist, sowie die fortgesetzte Präsentation von Ideen, die nicht umsetzbar sind, sind der Grund für das Scheitern und das in Libyen herrschende Chaos.
Die libysche Krise kann nicht gelöst werden, wenn der Wille von 2,8 Millionen Libyern ignoriert wird, die einen gewählten Präsidenten wollen, der direkt durch das Volk bestimmt wird, und Abgeordnete, die noch in diesem Jahr aus gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen hervorgehen.
Das USA-GB-Projekt wird nicht zum Abzug der ausländischen Truppen aus Libyen führen, sondern ganz im Gegenteil wird deren Verbleib in Libyen die Folge sein. Ihr Abzug kann nur durch die Entscheidung eines Präsidenten, der mit einem starken, demokratischen Mandat ausgestattet ist, durchgesetzt werden.
Es besteht Einigkeit, dass eine US-amerikanische Unterstützung durch das berühmte „Carter Center“ geleistet werden soll, nicht aber durch die Washingtoner Regierung und deren Agenda.
Ziel dieser Petition ist es, Unterschriften von libyschen Bürgern zu sammeln, die den Plan und das Projekt der USA ablehnen, das beabsichtigt, ihr Wahlrecht zu beschneiden.“
Die USA versuchen, mit Hilfe ihrer Botschaft in Libyen einen neuen Entwurf der verfassungsrechtlichen Grundlage, auf deren Basis libysche Wahlen stattfinden sollen, durchzusetzen. Vorgesehen ist, die Präsidentschaftswahlen komplett zu streichen und nur Parlamentswahlen durchzuführen. Damit soll eine Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi verhindert und er von der politischen Bühne des Landes verbannt werden.
Wenn am 22. Februar in den USA das nächste 5+2+2-Treffen (USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland / Vereinigte Arabische Emirate, Katar / Ägypten, Türkei) stattfindet, werden die USA versuchen, ihr neues Projekt für Libyen namens „Nationale Wahlen“ durchzusetzen. Das Nationale-Wahlen-Projekt der USA sieht vor, dass nicht – wie bisher beabsichtigt – der Präsident direkt vom Volk gewählt wird, sondern dass ausschließlich eine Parlamentswahl stattfindet und das Parlament anschließend den Präsidenten bestimmt. Damit hätte sich die Diskussion um zwei unliebsame Präsidentschaftskandidaten, in erster Linie Saif al-Islam Gaddafi aber in geringerem Umfang auch Khalifa Haftar betreffend, erledigt.
Die geplanten Parlamentswahlen sollen dann bis Ende Oktober abgehalten werden – ohne die Gefahr, dass Saif al-Islam kandidieren und – geht man nach den Meinungsumfragen – auch gewinnen würde.
Die Februar-Tragödie: Der 17. Februar 2011 war der Auftakt zu einem Krieg, der Libyen seiner Freiheit, Souveränität und seines Wohlstands beraubte und der bis heute andauert.
Obwohl für die meisten Libyer der 17. Februar ein Tag der Trauer sein dürfte, ordnete Abdulhamid Dabaiba, der sogenannte Premierminister der Tripolis-‚Regierung‘, an, diesen 12. Jahrestags der Bengasi-Proteste groß zu feiern. Der Tag des Beginns der Aufstände, die von ausländischen Mächten angezettelt und zu einer ‚Revolution‘ aufgeblasen wurden, wurde von Dabaiba zu einem offiziellen Feiertag erklärt. https://en.alwasat.ly/news/libya/388671
Zu diesem Zwick wurde am Grünen Platz in Tripolis ein millionenteurer Bühnenaufbau für ein monströses Bühnenspektakel errichtet, das die desaströse Situation, in der sich Libyen seit 2011 befindet, übertünchen soll. Allerdings wirkt der Aufbau fast ebenso bedrohlich, wie sich die Lebenssituation seit 2011 für die meisten Libyer darstellt. Mancher Beobachter mag sich wünschen, dass es sich um eine Zeitmaschine handeln möge, die die guten alten Gaddafi-Zeiten zurückbringen könnte.
Um die Ereignisse des Februar 2011 heute noch zu verteidigen und gut zu heißen, bedarf es entweder einer beträchtlichen ideologischen Verblendung oder es muss diese Lüge mit viel Geld erkauft werden. Foto: https://twitter.com/Oded121351/status/1626197272621993989
Dazu äußerte sich auch der Schriftsteller und Politologe Mustafa al-Fitouri, der konstatiert, wie sehr sich die Lebensbedingungen der libyschen Bürger seit dem Februar 2011 verschlechterten. Es herrsche eine Diktatur der Milizen, die Bürger litten nicht nur unter der schlechten Sicherheitslage, sondern auch unter Korruption, hohen Lebenshaltungskosten, schlechten Bildungseinrichtungen, fehlender medizinischer Infrastruktur und Medikamentenmangel. https://twitter.com/SaifFuture/status/1625865098274172930
Am heutigen Tag gedenken die Anhänger der Dschamahirija und der Bewegung von Saif al-Islam Gaddafi, die in Libyen „die Grünen“ genannt werden, der Gefallenen und Opfer der Februar-Katastrophe. (Die libyschen „Grünen“ sind keinesfalls zu verwechseln mit den Anhängern der deutschen oder europäischen grünen Parteien; grün ist in arabischen Ländern die Farbe des Islam; die Flagge Libyens war bis zum Sturz der Dschamahirija-Regierung grün). https://twitter.com/SaifFuture/status/1625867203458342913
Zu den Vorgängen in Libyen mein Blog-Beitrag des Jahres 2021:
Was 2011 wirklich geschah – zur Erinnerung
In Bengasi kam es am 15. Februar 2011 zu ersten Anti-Gaddafi-Protesten von wenigen hundert Personen. Es erfolgte ein von im Ausland lebenden Libyern initiierter Aufruf zum ‚Tag des Zorns‘ am 17. Februar 2011. Ihm folgten in einigen Städten mehrere Tausend Demonstranten. Bereits fünf Jahre vorher war es in Bengasi am 17. Februar bei Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen zu Gewalttätigkeiten gekommen, als von Islamisten das italienische Konsulat in Brand gesteckt wurde. Bei den damaligen Unruhen waren zehn Personen ums Leben gekommen. Es war also klar, aus welcher Richtung auch 2011 die Proteste kamen.