Saif al-Islam Gaddafi will zunächst Parlamentswahlen / Parlament will neue Übergangsregierung und legt Kandidatenregeln fest / Kämpfe der LNA im Süden gegen den IS / Gesundheitsminister verhaftet / EU unterstützt weiterhin die höchstumstrittene libysche Küstenwache

+ Saif al-Islam Gaddafi/Wahlen. Saif al-Islam Gaddafi, der auch als Präsidentschaftskandidat antrat, hat einen neuen Vorschlag vorgestellt, um die Sackgasse um die Durchführung von Wahlen zu beenden. Es sollten zunächst nicht Präsidentschaftswahlen, sondern unverzüglich Parlamentswahlen durchgeführt werden. Eine neu gewählte Legislative könne dem Land einen Krieg und eine Spaltung ersparen. Das neue Parlament wäre dann für Vorbereitung und Durchführung von Präsidentschaftswahlen verantwortlich. Dies würde es dem libyschen Volk ermöglichen, das Land wieder aufzubauen, die Souveränität wiederherzustellen und den Staat ohne jegliche Einmischung von außen zu gestalten.
https://libyareview.com/20828/saif-al-islam-gaddafi-suggests-immediate-parliamentary-elections/
https://twitter.com/SaifFuture/status/1486879763558027265
Es würde auch dem Gerangel um die Aufstellung einer Kandidatenliste für die Präsidentschaftswahlen ein Ende bereiten.

+ 27.01.: US-Senator/Saif al-Islam Gaddafi. US-Senator Richard Black übermittelt Saif al-Islam Gaddafi und den libyschen Stämmen seine besten Grüße und sagt: „Es gibt keine Lösung für die Libyer außer Wahlen und den Erfolg einer Person mit der Fähigkeit, dem Mut und der Erfahrung wie Dr. Saif al-Islam sie hat: Wir ermutigen die Libyer, diese Wahl zu treffen“.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1486693584430637057

+ 24.01.: Treffen der Wahlverhinderer. In Tripolis fand ein Symposium mit dem Titel „Zuerst eine Verfassungstatt, an dem Eigentlich-Nicht-Mehr-Premierminister Abdelhamid ad-Dabaiba, der Vorsitzende des Hohen Staatsrats (HSC) Khaled al-Mishri, der Leiter des Rechnungshofs Khaled Shakshak und der Chef der libyschen Zentralbank, Sadik al-Kebir, teilnahmen – allesamt Vertreter des Status quo und der Befürworter der Verschiebung der Wahlen auf unbestimmte Zeit, d.h. Personen, die um ihr Amt, ihre Macht und ihr Geld fürchten.
Zu den weiteren Teilnehmern gehörten der stellvertretende Vorsitzende des Präsidialrats Abdulla al-Lafi, der stellvertretende Parlamentssprecher Fawzi an-Nuweiri und der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, Mohamed al-Hafi.
Der Bürgermeister der Amazigh-(Berber)Stadt Zuwara bekräftigte, dass die Berber den vorliegenden Verfassungsentwurf nicht akzeptieren, da ihnen zu wenige Minderheitenrechte eingeräumt werden.
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/some-of-libyas-leading-anti-election-forces-attend-a-tripoli-pro-constitution-event/
Wohl wissend, dass eine Verfassungsdiskussion mit einem anschließend zu erfolgenden Referendum Wahlen in Libyen auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben würde, ist das Bekenntnis zu Wahlen eine reine Heuchelei und Augenwischerei der Beteiligten, um sich die eigenen Posten und Pfründe zu sichern und den Einfluss des Auslands aufrechtzuerhalten, das wiederum diese Politiker versucht an der Macht zu halten.
Eine illustre Gesellschaft, die sich da versammelt hat: Dabaiba hatte entgegen seines Versprechens auf dem Genfer
Forum für den politischen Dialog in Libyen (LPDF), bei den Wahlen am 24. Dezember nicht zu kandidieren, auf seiner Kandidatur bestanden, obwohl er auch nicht sein Amt als Premierminister drei Monate vor der Wahl aufgegeben hatte, so wie es das Wahlgesetzt vorschreibt.
Der Chef der CBL, al-Kebir, wurde bereits zweimal vom Parlament entlassen, weigerte sich aber, seinen Sessel zu räumen. Der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, Shakshak, verlängerte seine Amtszeit über den gesetzlich zulässigen Zeitraum hinaus. Khaled Mishri steht dem nicht gewählten HSC vor, der eine Schöpfung des politischen Skhirat-Abkommens von 2015 ist, um den Moslembrüdern nach ihrem Wahldebakel eine Machtbasis zu erhalten.
Keiner der Herren würde nach Wahlen sein Amt behalten können – sehr zum Leidwesen der ausländischen Unterstützer.
Und was hatte der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs bei diesem Symposium zu suchen? In Libyen wird nun seine politische Unabhängigkeit bezweifelt und sein Rücktritt gefordert.
Ein Treffen der Macht- und Geldgierigen unter dem Deckmäntelchen einer Verfassungsveranstaltung!

 + 24.01.: Wahlen/Roadmap. Das Parlament in Tobruk hat beschlossen, dass das Roadmap-Komitee des Parlaments einen verbindlichen Termin für die Durchführung von Wahlen gemäß den beiden vom Parlament erlassenen Wahlgesetzen festlegen muss. An der Sitzung nahmen 122 Parlamentarier unter Leitung des Parlamentspräsidenten Agila Saleh teil. Parlamentssprecher Abdulla Belhig berichtete, dass das Parlament in jedem Fall auf die Abhaltung von Wahlen pocht – ob mit oder ohne Verfassung. Es könnten allerdings parallel Verhandlungen bezüglich einer Verfassung stattfinden. Das Verfassungskomitee solle allerdings aus Verfassungsrechtlern gebildet werden und ohne Zeitdruck arbeiten können.
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/hor-road-map-committee-must-set-deadline-for-holding-elections-with-or-without-a-constitution/
Das Schreiben über Wahlen in Libyen verursacht inzwischen Pickel.

+ 24.01.: Parlament/Neuer Übergangspremier. Das Parlament beschloss, dass ein neuer Premierminister benannt werden soll. Es hatte die Regierungszeit von Dabaiba und seiner Regierung auf den 24. Dezember 2021, dem vorgesehenen Wahltag, beschränkt. Bereits im September letzten Jahres war der Regierung das Vertrauen entzogen worden und sie war nur noch geschäftsführend im Amt. Dies sehen Stefanie Williams, die UNSMIL und die westlichen Regierungen anders, da sie die Dabaiba-Regierung im Amt halten wollen.
Gemeinsam erklärten Frankreich, Deutschland, Italien und GB: „Im Einklang mit der Pariser Erklärung erinnern Frankreich, Deutschland, Italien, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten daran, dass sie davon ausgehen, dass die Übertragung der Macht von der derzeitigen Interimsexekutive (Dabaiba-Regierung) auf die neue Exekutive nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der vorgezogenen und unverzüglichen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erfolgen wird.“
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/hor-to-present-a-mechanism-for-selecting-a-new-libyan-government-and-prime-minister-tomorrow/

+ 24.01.: Agila Saleh. Parlamentspräsident Saleh während einer Sitzung: „Wir brauchen Lebensmittel, Medikamente und medizinische Versorgung, und das ist die Aufgabe der Exekutive. Das Problem der Regierung ist, dass ihre Amtszeit abgelaufen ist.“ Saleh wies darauf hin, dass sich Libyen in einer gefährlichen und entscheidenden Phase befindet, in der es notwendig sei, Probleme zu lösen und Verantwortung zu übernehmen.
https://libyareview.com/20704/libyan-parliament-speaker-governments-mandate-has-expired/

+ 26.01.: Neuer Übergangspremier. Da das Parlament die Amtszeit der derzeitigen Regierung Abdelhamid ad-Dabaiba seit dem 24. Dezember 2021 als abgelaufen betrachtet, hat es zwölf Bedingungen für die Annahme der Kandidatur eines Nachfolgers für Dabaiba festgelegt:
1. Er muss Moslem mit moslemischen Eltern und libyscher Staatsbürger sein.
2. Er darf keine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen.
3. Er darf nicht mit einer Ausländerin verheiratet sein.
4. Er darf nicht jünger als 35 Jahre sein.
5. Er muss einen Hochschulabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss einer anerkannten Universität besitzen.
6. Er muss ein Führungszeugnis vorlegen.
7. Er darf nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden sein, das eine moralische Verworfenheit oder Unredlichkeit beinhaltet.
8. Er muss in guter gesundheitlicher Verfassung sein.
9. Er muss sich schriftlich verpflichten, bei den kommenden Wahlen nicht zu kandidieren.
10. Er muss seinen Rücktritt vor seiner Kandidatur gemäß den gesetzlichen Bestimmungen über die Tätigkeit des Kandidaten einreichen.
11. Er muss eine Empfehlung von 25 Mitgliedern des libyschen Parlaments einholen
12. Er muss seine Finanzen offenlegen.
Seine Aufgabe wird es sein, den Wahlprozess voranzutreiben und das Land zu stabilisieren.
Das Parlament beschloss auch, dass eine Verfassung ausgearbeitet werden soll.
Es wurde auch die Meinung vertreten, dass Stephanie Williams nur noch eine persönliche Beraterin des UN-Generalsekretärs ist und kein Mitglied oder Vorsitzende des UNSMIL. Sie spiele daher politisch nur mehr eine sehr beschränkte Rolle. Die Libyer sollen und können jetzt eine libysch-libysche Lösung finden.
Es fand eine Debatte über die weitere Rolle des nicht gewählten und ausschließlich mit einer ‚beratenden‘ Funktion versehenen Hohen Staatsrats statt. Zur Sprache kam dabei der Putsch der radikal-islamistischen Milizen, die unter dem Namen  Libyan Dawn (LIFG) fungierten, nach verlorener Wahl im Jahr 2014 in Tripolis. Der Putsch dieser Tripolis-Milizen führte dazu, dass das Parlament in den Osten des Landes flüchten musste.
https://libyareview.com/20726/libyan-parliament-sets-12-conditions-for-new-prime-minister/
https://www.libyaherald.com/2022/01/26/hor-decides-to-exclude-hsc-from-input-in-appointing-libyas-next-prime-minister-the-whole-continuing-role-of-the-hsc-brought-into-question/
Ursprünglich war vorgesehen, dass auch 15 Mitglieder des von den Moslembrüdern beherrschten Hohen Staatsrats eine Empfehlung für den Posten des Premierministers vorgesehenen Kandidaten abzugeben haben. Mit dem Punkt 11 ist der Hohe Staatsrat außen vor.

+ 31.01.: Parlament/LNA. Dem Präsidentschaftskandidaten Ismail asch-Schtiwi wurde von der LNA die Einreise aus Ägypten nach Libyen verweigert. Auch einem zweiten Parlamentarier soll die Einreise verweigert worden sein. Außerdem kursieren Gerüchte, dass bei den Parlamentssitzungen in Tobruk Stimmen gekauft wurden.
https://twitter.com/Eljarh/status/1488089316941344770
Video: https://twitter.com/SaifFuture/status/1487487636902088704

+ 27.01.: LNA/IS: In al-Gatrun die LNA hat zwei vermutliche IS-Kämpfer getötet und mehrere verwundet. Wie die LNA erklärte, seien die noch anhaltenden Kämpfe Teil einer Operation, die sich gegen eine IS-Schmiede östlich von al-Gatrun richte und noch fortgeführt werde.
In der vergangenen Woche wurden bei einer Explosion südlich von Sebha ein LNA-Soldat getötet und zwei weitere verwundet. Zu dieser Tat bekannte sich der IS. Vorher war im Militärgefängnis Garnada in Bengasi ein Feuer ausgebrochen und fünf IS-Gefangene entkommen.

+ 29.01.: LNA/IS. Die LNA gab bekannt, dass 24 IS-Kämpfer bei dreitägigen Gefechten nahe al-Gatrun im Südwesten Libyens getötet wurden. Ein IS-Kämpfer wurde festgenommen. Vier LNA-Soldaten gelten als vermisst.
https://libyareview.com/20845/libyan-army-kills-24-isis-militants-in-al-qatroun/

+ 30.01.: Erdöl. Die Gewerkschaft der Öl- und Gasarbeiter sagt, dass die falsche Politik der Dabaiba-Regierung darauf hinausläuft, die Schließung der Ölanlagen zu erzwingen. Die Gewerkschaft kämpft für höhere Gehälter und die Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Beschäftigten. Dabaiba werden falsche Versprechungen vorgeworfen: „Die Regierung hat es versäumt, auf die Bedürfnisse der Beschäftigten im Ölsektor einzugehen, die unter einem gravierenden Mangel an sozialen und medizinischen Leistungen leiden, ganz zu schweigen von ihren niedrigen Gehältern“. Die Gewerkschaft hofft, dass die Regierung sie nicht dazu zwingen werde, die Ölanlagen stillzulegen und zu streiken.
https://libyareview.com/20850/oil-gas-workers-union-al-dbaibas-government-forced-oil-shutdowns/

+ Mordanschlag/Justizministerin. Südlich von Tripolis wurde auf die libysche Justizministerin Halima Abdul Rahman ein Attentatsversuch ausgeübt. Bewaffnete eröffneten das Feuer auf ihren Wagen. Die Ministerin blieb unverletzt.
https://libyareview.com/20841/justice-minister-survives-assassination-attempt-in-libyan-capital/

+ 26.01.: Korruption/Verhaftung Gesundheitsminister. Der Generalstaatsanwalt hat gestern die Festnahme des libyschen Gesundheitsministers Ali Zenati und seines Stellvertreters angeordnet. Ihnen werden finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen.
https://www.libyaherald.com/2022/01/26/attorney-general-orders-detention-of-health-minister-zanati-for-corruption/
Das war schon eine Superregierung, die mit Hilfe der ‚internationalen Gemeinschaft‘ und der UNO in Libyen eingesetzt wurde! Az-Zanati ist die dritte Person im Ministerrang der Dabaiba-Regierung, gegen den in den letzten Wochen ermittelt wird, vor ihm waren der Bildungsminister und die Kultusministerin dran.

+ 27.01.: Korruption. Libyen steht auf der Skala der am stärksten von Korruption betroffenen Staaten auf Platz 172 von insgesamt 180 Plätzen. Dies geht aus dem Korruptionsindex 2021 (CPI) hervor, der am Mittwoch von Transparency International veröffentlicht wurde.
https://libyareview.com/20788/libya-ranked-among-worlds-most-corrupt-countries/

+ 26.01.: Migration. „Ein interner EU-Bericht verlangt die Fortsetzung eines umstrittenen Programms zur Ausrüstung der libyschen Küstenwache – trotz wachsender Besorgnis über die Misshandlung und Ausbeutung von Flüchtlingen in libyschen Lagern.“ In dem Bericht wird die >exzessive Anwendung von Gewalt< der libyschen Behörden gegen Flüchtlinge eingeräumt. Die EU sei dennoch entschlossen, Küstenwachpersonal auszubilden und Libyens Möglichkeiten in Sachen Seenotrettung im Mittelmeer zu stärken. Die libysche Küstenwache wurde bisher mit Millionenbeträgen von der EU gefördert. Diese bringt die Migranten zurück nach Libyen, wo sie in Lagern den schlimmsten Misshandlungen ausgesetzt sind und ausgebeutet werden. Im Jahr 2021 waren davon rund 31.000 Migranten betroffen.
Mindestens drei Anträge wurden beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht, in denen gefordert wird, dass gegen libysche und europäische Beamte sowie gegen Schlepper, Milizionäre und andere Personen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt wird. Eine im Oktober veröffentlichte UN-Untersuchung ergab ebenfalls Hinweise darauf, dass die in Libyen begangenen Übergriffe möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.
Letzte Woche forderte UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Länder auf, „die Politik zu überprüfen, die das Abfangen von Flüchtlingen und Migranten auf See und deren Rückführung nach Libyen unterstützt“.
Im vergangenen Monat ernannte die libysche Regierung Mohamed al-Khoja, einen Milizenführer, der in Übergriffe gegen Migranten verwickelt ist, zum Leiter der Abteilung für die Bekämpfung der irregulären Migration. Diese Abteilung beaufsichtigt die berüchtigten Haftanstalten des Landes.
https://de.rt.com/europa/130566-eu-verlangt-fluechtlings-ruecknahme-trotz-ausbeutung-in-libyen/
https://libyareview.com/20719/controversial-program-training-libyan-coast-guard-to-continue/

+ 26.01.: Migration. Das libysche Innenministerium teilte mit, dass es von der italienischen Regierung Ausrüstungen für die Küstenwache erhalten habe. Dies ist Teil des gemeinsamen Kooperationsabkommens zwischen den beiden Ländern.
https://libyareview.com/20791/italy-provides-libyas-coast-guard-with-marine-equipment-despite-migrant-abuse/

+ 28.01.: Migration. Benjamin Lewis vom Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (UNHCR) sagte, dass Libyen Migranten über seine Grenzen ins „Niemandsland“ abdränge, d.h. in einsame Wüstenabschnitte, in denen es kein Wasser gibt. Dies soll verstärkt Migranten davon abhalten, nach Europa zu gelangen.
https://libyareview.com/20836/unhcr-libya-abandoning-migrants-in-desert-without-water/

+ 30.01.: Migration. Die libysche Küstenwache hat in nur zwei Tagen fast 500 Migranten aus Seenot ‚gerettet‘. Mehr als 200 Migranten seien durch Ertrinken oder Unterkühlung gestorben.
https://libyareview.com/20890/500-migrants-rescued-off-libyan-coast/
Interessieren die vielen Toten überhaupt noch irgendjemanden? Hilfe!

+ 24.01.: Belgien/Libysche Vermögenswerte. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Brüssel einen internationalen Haftbefehl gegen den Vorsitzenden der Libyan Investment Authority (LIA), Ali Mahmoud Hassan, ausgestellt hat, will der libysche Generalstaatsanwalt Sidiq as-Sour nach Brüssel und in andere europäische Hauptstädte reisen.
In dem juristischen Streit geht es darum, dass das Unternehmen Global Sustainable Development Trust (GSDT) die von Libyen in Belgien angelegten Vermögenswerte beschlagnahmen möchte. GSDT hat enge Verbindungen zu Prinz Laurent, dem Bruder des belgischen Königs. Im Jahre 2008 hatte das Landwirtschaftsministerium der Dschamahirija-Regierung mit GSDT ein Aufforstungsprojekt vereinbart, das aber nicht realisiert wurde. Daraufhin forderte GSDT 17 Mio. EUR Entschädigung. Diese Forderung hat sich inzwischen auf etwa 50 Mio. EUR erhöht. Bereits im November 2014 verurteilte ein belgisches Gericht Libyen zur Zahlung einer Entschädigung.
Die belgischen Gerichte unterstützten die Auffassung der GSDT, dass sie sich an den LIA-Geldern, die in Belgien eingefroren sind, bedienen könne. Die LIA ist jedoch der Auffassung, dass sie eine regierungsunabhängige Organisation ist und die GSDT ihre Forderungen an das libysche Landwirtschaftsministerium richten solle.
Die LIA hatte weltweit rund 14 Milliarden USD angelegt, die 2011 eingefroren wurden und von der belgischen Euroclear-Bank verwaltet werden. Die von den Geldanlagen abgeworfenen rund zwei Milliarden EUR an Zinsen und anderer Erträgen wurden –unrechtmäßig – von Euroclear für LIA freigegeben. Unklar bleibt, wohin sie geflossen sind.
Im Februar 2021 lehnte der UN-Sicherheitsantrag den Antrag Belgiens ab, aus in Belgien angelegten LIA-Geldern die Entschädigung für GSDT in Höhe von rund 50 Mio. EU zu zahlen. Nun versucht GSDT an die an LIA gezahlten Erträge in Höhe von zwei Milliarden EUR heranzukommen.
Da die LIA sich weigerte, dem Untersuchungsrichter Claise Frage und Antwort zu stehen, habe dieser den Haftbefehl gegen Ali Mahmoud Hassan ausgestellt. Über diese politische Einschüchterung zeigte man sich in Libyen sehr ungehalten.
https://www.libyaherald.com/2022/01/24/attorney-general-in-bid-to-end-belgian-legal-moves-to-seize-lia-assets/
Zum einen ist es fragwürdig, ob der GSDT die Zahlungen in Höhe von 17 Mio. bzw. jetzt fast 50 Mio. EUR überhaupt zustehen. Zum anderen verstieß es gegen die UN-Resolution, die das Einfrieren der LIA-Gelder im Ausland anordnete, die daraus resultierenden Dividenden auszuzahlen. Man kann davon ausgehen, dass sie entweder in private Taschen flossen oder zur Finanzierung von Milizen im westlichen Libyen benutzt wurden. Nun lässt Belgien gegen den LIA-Vorsitzenden einen internationalen Haftbefehl ausstellen, obwohl es selbst unrechtmäßig die Gelder an LIA freigab.

+ 28.01.: UNO. Großbritannien hat einen Resolutionsentwurf zur Verlängerung der UN-Sondermission in Libyen (UNSMIL) um ein weiteres Jahr vorgelegt. Darin wird gefordert, dass die libyschen Behörden „Maßnahmen ergreifen, um die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen so bald wie möglich zu ermöglichen“. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, jegliche Unterstützung für Söldner in Libyen unverzüglich einzustellen und diese abzuziehen.
Russland und andere Staaten haben den Resolutionsentwurf abgelehnt. Russland drängt insbesondere darauf, dass der Resolutionsentwurf die Notwendigkeit der Ernennung eines neuen UN-Beauftragten für Libyen bekräftigt. Der Slowake Jan Kubis, der das Amt des UNSMIL-Vorsitzenden bis November innehatte, ist aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem UN-Generalsekretär über den Wahlprozess abrupt von seinem Amt zurückgetreten.
Die USA haben den russischen Antrag abgelehnt. Die US-Amerikanerin Stephanie Williams übt das speziell für sie erfundene Amt einer persönlichen Sonderberaterin von UN-Chef Guterres aus, spielt sich allerdings in Libyen als Quasi-Regierungschefin auf.
Es wird nicht damit gerechnet, dass der Streit über den UN-Sondergesandten für Libyen zwischen den USA und Russland bis zum 31. Januar beigelegt wird. Zu diesem Termin läuft das UN-Mandat für Libyen aus. Das Mandat wird aufgrund der Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA, Großbritannien und Russland voraussichtlich nur für einen kürzeren Zeitraum verlängert.
https://libyareview.com/20800/security-council-discusses-extending-mission-in-libya/

+ 30.01.: Söldner. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) teilte mit, dass in den kommenden Tagen eine neue Gruppe der von Ankara unterstützten syrischen Söldner nach Libyen geschickt werden soll.
https://libyareview.com/20888/sohr-turkey-to-send-syrian-mercenaries-to-libya/

+ 30.01.: Covid-19. Wegen des starken Anstiegs von Covid-19-Fällen durch die Verbreitung der Omikron-Variante werden in Tripolis für zwei Wochen die Schulen geschlossen.
https://libyareview.com/20848/libya-closes-schools-in-tripoli-following-spike-in-covid-19-cases/
Die Welt macht wegen der leichten Covid-19-Omikron-Variante endlich wieder auf, Tripolis schließt – und dann auch noch die Schulen!

+ 28.01.: Antike Kunst/Diebstahl. Das amerikanische ArtNews berichtete, dass gegen Paloma Botín, die Tochter des spanischen Bankchefs Emilio Botín, und ihren Ehemann Ricardo Gómez-Acebo, Ermittlungen wegen des betrügerischen Erwerbs eines antiken Objekts aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. eingeleitet wurden. Es wird vermutet, dass das Kunstwerk, das wohl aus Libyen/Ägypten stammt, in einer archäologischen Stätte geplündert und anschließend illegal auf dem Kunstmarkt verkauft wurde.
Bei einer Razzia von Kunsthändlern hatten die spanischen Behörden mehrere Objekte entdeckte, die wohl von IS-Kämpfern in den Jahren 2011 bis 2016 in Libyen gestohlen wurden. Die betreffenden Händler stehen nun auch wegen Terrorismusfinanzierung unter Anklage.
https://almarsad.co/en/2022/01/28/spain-investigates-banking-heir-paloma-botin-over-purchase-of-looted-artifact/

+ 25.01.: Wetter. Starker Schneefall in Baida (östliches Libyen):
Video: https://twitter.com/LibyaReview/status/1486013956862926859

 

AUS ANDEREN LÄNDERN

+ Burkina Faso. „Burkina Fasos Armee hat den Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré abgesetzt, die Regierung und das Parlament aufgelöst und die Grenzen des Landes geschlossen. Das erklärte ein Offizier, der am Montagabend im staatlichen Fernsehen ein Statement verlas. Als Begründung nannte er die Sicherheitssituation in dem krisengeschüttelten Land sowie Kaborés Unfähigkeit, Burkina Faso zu einen. Der Offizier, der von einem Dutzend weiteren Militärs flankiert wurde, sprach im Namen eines zuvor unbekannten «Mouvement patriotique pour la sauvegarde et la restauration». […] Zuvor hatten am Sonntag Soldaten in mehreren Militärbasen gemeutert. In der Hauptstadt Ouagadougou und zwei anderen Städten feuerten Soldaten Schüsse in die Luft. Mit einer Liste forderten sie unter anderem die Absetzung der Militärführung und mehr Ressourcen für den Kampf gegen jihadistische Gruppen. […] Demonstranten in der Hauptstadt gingen auf die Straße, um die meuternden Soldaten zu unterstützen. Sie zündeten unter anderem das Hauptquartier der Partei des Präsidenten an. In der Nacht berichteten Anwohner dann von Schusswechseln bei der Residenz von Kaboré.“
Kaboré, der Burkina Faso seit 2015 regierte, soll in einem Militärcamp inhaftiert worden sein.
https://www.nzz.ch/international/burkina-faso-soldaten-nehmen-praesident-kabore-fest-ld.1666162?mktcid=nled&mktcval=164_2022-01-25&kid=nl164_2022-1-24&ga=1&trco=
https://de.rt.com/afrika/130430-praesident-nach-meutereien-in-burkina-faso-festgesetzt/
Nach Mali und Guinea hat nun auch in Burkina Faso das Militär die Führung des Landes übernommen.
Wie in anderen Sahelländern wird auch in Burkina Faso dem Westen vorgeworfen, heimlich mit dschihadistischen Gruppierungen wie IS und al-Kaida zusammenzuarbeiten, diese teilweise zu bewaffnen und auszubilden, um einen Vorwand zu haben, die militärische Präsenz in den Sahelstaaten aufrechtzuerhalten, zum einen um Rohstoffe zu sichern, zum anderen aus geopolitischen Gründen.
+ „Mehr als 1.000 Menschen bekundeten am Dienstag auf dem Nationalplatz in Ouagadougou ihre Unterstützung für die neue Führung. Laut Reuters wurde dabei auch die französische Nationalflagge verbrannt.“
https://www.jungewelt.de/artikel/419301.islamismus-im-sahel-schutz-gefordert.html

+ Iran/Saudi-Arabien. Thierry Meyssan schreibt auf Voltaire.net: „Teheran hat sein militärisches Atomprogramm 1988 abgebaut und nie wieder aufgenommen. Daher scheint es, dass die zweijährigen Verhandlungen in Wien [2013-15] nicht dafür gedacht waren, eine nichtexistierende nukleare Bedrohung zu zerstreuen, sondern die geheimen bilateralen US-iranischen Verhandlungen zu gestalten. […] Wie in den Jahren 2013-15 verschleiern die Verhandlungen zur Wiederherstellung des 5+1-Abkommens andere Verhandlungen, diesmal jene zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. In diesen Tagen haben diese nun zu einer grundsätzlichen Einigung geführt.“ Meyssan weist darauf hin, dass sowohl der Iran als auch Saudi-Arabien „Truppen unter NATO-Befehl zur Unterstützung Bosnien und Herzegowinas (1992-95) gegen Jugoslawien“ entsandten.
Auch schreibt Meyssan, dass Saudi-Arabien in den Krieg gegen den Jemen zog, „offiziell von den Vereinigten Arabischen Emiraten und inoffiziell von Israel unterstützt, das dort taktische Atombomben einsetzte“.
„Derzeit (2021-22) verhandeln die USA und der Iran über ein neues 5 + 1-Abkommen, während Israel und Saudi-Arabien sich auf die Formalisierung ihrer diplomatischen Beziehungen zubewegen. Gleichzeitig verhandeln der Iran und Saudi-Arabien auf der Ebene der Chefs ihrer Geheimdienste und ihrer Diplomaten. Es gilt, ihr Bündnis der frühen 90er Jahre in Bosnien und Herzegowina wiederherzustellen. Sie stehen kurz davor, dies zu erreichen, was die beiden anderen Verhandlungen wieder in Gang setzen wird.“ Sollte dieses Bündnis zustande kommen, wird es in Konflikt geraten mit säkularen Muslimen, die Religion und Politik trennen. „In erster Linie mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Syrien und Ägypten. Gleichzeitig wird dieses Bündnis den Anhängern des politischen Islam, Katar und der Türkei, näherkommen. Es wird eine komplette Umkehrung des Schachbretts des Nahen Ostens werden.“ „Diese westliche Neuordnung des Nahen Ostens widerspricht direkt der traditionellen russischen Vision, die auf der kulturellen Identität der Staaten und nicht nur auf ihrer Religion beruht. […] Die saudisch-iranische Allianz würde den USA und Großbritannien ermöglichen, das dschihadistische System, das vorerst ausschließlich sunnitisch ist, auszuweiten. Man würde dann sehen, wie sich die Fanatiker aller Art gegen die Säkularen vereinen; eine Teilung, die die Briten während ihrer imperialen Zeit meisterten und die sich bewährt hatte.“
https://www.voltairenet.org/article215419.html

+ Syrien. „Hunderte Dschihadisten wieder auf freiem Fuß: Rückeroberung von IS-Gefängnis in Nordostsyrien. Die von den US-Besatzern unterstützten kurdischen Kräfte in Nordostsyrien sollen nach fast einer Woche heftiger Gefechte mit IS-Kämpfern die Kontrolle über das Gefängnis in Hasaka zurückgewonnen haben. Der IS hatte letzte Woche einen Angriff auf das Al Sina-Gefängnis gestartet, wo tausende IS-Anhänger festgehalten werden. Den Angriff auf das Gefängnis werten Experten als Machtdemonstration der Terrorgruppe. […] Die IS-Kämpfer hatten den Stadtteil, in dem das Gefängnis liegt, zunächst infiltriert, bevor sie ihren Angriff starteten. […] Etwa 900 US-Soldaten sind weiterhin illegal in Syrien stationiert, ohne jemals ein Mandat von der syrischen Regierung eingeholt zu haben. In den Internierungslagern in Hasaka, wo die sogenannten IS-Familien festgehalten werden, bestehen auch Sicherheitsrisiken: insbesondere das Camp in Al-Hol, in dem etwa 62.000 Personen unter erbärmlichen Bedingungen leben, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Das Flüchtlingslager in Hasaka ist faktisch ein provisorisches Gefängnis, das von den SDF als dortiger Partner der USA betrieben wird.“
https://de.rt.com/der-nahe-osten/130612-hunderte-dschihadisten-wieder-auf-freien/

+ Mali. „Am Montag [24.01.] hat die malische Regierung in einem bisher singulären Akt dänische Truppen aufgefordert, unverzüglich das Land zu verlassen. Hintergrund ist, dass Frankreich seit März 2020 versucht, mit dem Aufbau der von ihm geführten neuen Interventionstruppe Takuba Erleichterung für seine Opération Barkhane zu schaffen, die im Sahel im Kampfeinsatz ist, aber schrittweise reduziert werden soll. Paris bemüht sich seit einiger Zeit, andere EU-Staaten zur Teilnahme an Takuba zu bewegen. Vergangene Woche trafen nun rund 100 Soldaten aus Dänemark in Mali ein. Die Regierung in Bamako teilte am Montag mit, dies sei ohne die erforderliche Abstimmung mit ihr geschehen: Sie habe >mit Überraschung< zur Kenntnis genommen, dass nun auch dänische Spezialkräfte in Takuba eingegliedert werden sollten. Sie sei nicht bereit, Aktivitäten fremder Truppen über ihren Kopf hinweg zu dulden, und fordere Kopenhagen zum sofortigen Abzug der Soldaten auf. Dänemark solle sich vor >einigen Partnern< hüten, >die bedauerlicherweise Probleme haben, ihre kolonialen Reflexe loszuwerden<, wird Regierungssprecher Maïga zitiert. Dänemark streitet ab, Truppen ohne Abstimmung mit Mali entsandt zu haben, hat aber gestern ihren Abzug angekündigt.“
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8824/

+ Libanon. Seyed Alireza Mousavi beschäftigt sich auf RT mit der Frage, was der Rückzug von Saad Hariri, ehemaliger Ministerpräsident und Vertreter des sunnitischen Bevölkerungsanteils, und sein Aufruf für eine Wahlenthaltung im Mai für die politische Situation im Libanon bedeutet. Mousavi kommt zu dem Schluss, dass dies die sunnitischen Bevölkerungsteile weiter in die Arme eines extremistischen Islamismus treiben würde. Für den Schritt von Hariri wird dessen Verbündeter Saudi-Arabien verantwortlich gemacht, andererseits bestünden auch große Spannungen zwischen Hariri und Mohammad bin Salman, dem Herrscher von Saudi-Arabien.
https://de.rt.com/der-nahe-osten/130611-libanon-was-verbirgt-sich-hinter/