Eine neue Friedensallianz und baldige Parlamentswahlen könnten den Weg aus der libyschen Krise weisen.

Saif al-Islam Gaddafi, der als aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat für die ausgesetzten Präsidentschaftswahlen galt, die eigentlich am 24. Dezember 2021 hätten stattfinden sollen, hat seinen Vorschlag für den Weg Libyens aus der politischen Sackgasse vorgestellt: Er plädiert für die unverzügliche Abhaltung von Parlamentswahlen und die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen.

Es wird ein Friedensabkommen mit verschiedenen libyschen Parteien geschmiedet, dazu zählen neben Saif al-Islam Gaddafi auch Agila Saleh, Khalifa Haftar und Fathi Bashagha. Involviert in die Gespräche sind auch libysche Stämme.

Parlamentspräsident Agila Saleh steht für das libysche Parlament (House of Representatives/HoR) mit Sitz im ostlibyschen Tobruk. Khalifa Haftar ist der Kommandeur der Libyschen Nationalarmee (LNA), die nahe der Stadt Bengasi ebenfalls im östlichen Libyen ihr Hauptquartier hat. Interessant ist die Beteiligung von Fathi Bashagha, der auf bedeutende Milizen im westlichen Libyen, vor allem in der Hauptstadt Tripolis, zählen kann. Bashagha war in dieser Woche in Tobruk, um dort mit Dutzenden von Abgeordneten und politischen Akteuren Gespräche zu führen. Er stellt sich damit zusammen mit Saif al-Islam und den Kräften im Osten in Opposition zu dem jetzigen Premierminister der Übergangsregierung, ad-Dabaiba und dessen Milizen.

Diese neue Allianz zwischen dem östlichen und dem westlichen Libyen könnte durchaus in der Lage sein, das Land aus dem seit nunmehr zehnjährigen Chaos zu führen und insbesondere eine erneute Kriegsgefahr zwischen den verfeindeten Gruppierungen zu bannen sowie die Spaltung des Landes zu verhindern.

Die sich an die Macht klammernden libyschen Akteure wie Dabaiba, unterstützt von der Türkei und anderen westlichen Akteuren, aber auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten, setzen alles daran, ihre Posten zu behalten. Obwohl laut der Roadmap die Regierungszeit der Dabaiba-Übergangsregierung am 24. Dezember 2022 endete, arbeitet Dabaiba an einer Verlängerung seines Mandats um zwei weitere Jahre, um das protürkische Kräfteverhältnis zu wahren.

Das libysche Parlament betrachtet das Regierungsmandat der Dabaiba-Übergangsregierung als abgelaufen und wird nächste Woche einen neuen Regierungschef wählen, der Libyen in Wahlen führen soll.

Insbesondere Europa könnte von einem stabilen Libyen profitieren, nicht nur in der Flüchtlingsfrage, sondern auch, was eine wirtschaftliche Partnerschaft mit einem verlässlichen Erdöl- und Erdgaslieferanten betrifft. Beim Ausbau erneuerbarer Energien könnten in Libyen Projekte wie DesertDec wiederbelebt werden und zur Energiesicherheit in Europa beitragen. Voraussetzung dafür allerdings ist, dass Libyen wieder als souveräner Staat agieren kann.

 

Im Folgenden der Wortlaut des Schreibens des Anwalts von Saif al-Islam Gaddafi und dessen Ruf nach Parlamentswahlen in Libyen

Im Zuge der jüngsten politischen Spannungen, die unser Land erschüttern und die Zukunft seines großen Volkes gefährden, hat mein Mandant Dr. Saif al-Islam die Initiative ergriffen und einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der den Durchbruch in dieser langwierigen politischen Pattsituation bringen und unser geliebtes Land aus der Sackgasse befreien kann, in die uns die rivalisierenden politischen und militärischen Fraktionen manövriert haben.

In Anbetracht der Situation und in Übereinstimmung mit dem Zeitplan der LPDF-Roadmap [Libyen Political Dialog Forum], die von den internationalen Mächten festgelegt wurde und der die Libyer zugestimmt haben, hoffen wir, einen Weg aus diesem dunklen Tunnel zu finden, insbesondere, nachdem die Durchführung von Präsidentschaftswahlen zweimal gescheitert ist und man sich immer wieder mit dem Thema weiterer Verschiebungen und langer Übergangsfristen auseinandersetzen muss. Dies führt ausschließlich zur Beschädigung der Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft sowie zu neuen Unruhen und könnte die Rückkehr zu zwei miteinander konkurrierenden Regierungen nach sich ziehen.

Vor diesem Hintergrund und aus Respekt vor dem Willen von 2,5 Millionen Libyern und in dem aufrichtigen Bemühen, die politische Roadmap zu retten, schlagen wir vor, die Präsidentschaftswahlen vorerst zu verschieben, jedoch unverzüglich Parlamentswahlen abzuhalten. Angesichts dieses neu gewählten parlamentarischen Gremiums wäre eine weitere Übergangsperiode nicht mehr zu rechtfertigen und es würde der Möglichkeit eines Krieges ein Riegel vorgeschoben. Es wäre dann die Aufgabe dieses neu gewählten Parlaments, die notwendigen und ihr richtig erscheinenden Maßnahmen zur Durchführung von Präsidentschaftswahlen zu ergreifen. Auf diese Weise könnten wir einen Zustand der Dauerhaftigkeit und Stabilität gewährleisten, der es dem libyschen Volk ermöglicht, seine volle Souveränität zurückzuerlangen, sein politisches Schicksal wieder frei zu bestimmen und den Zugriff auf seine natürlichen Ressourcen zurückzugewinnen, frei von jeglicher äußeren Einmischung sowie der Einmischung internationaler und regionaler Gegner.
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