Hannibal al-Gaddafi setzt Hungerstreik fort / Das Parlament in Bengasi stimmt für das neue Wahlgesetz und den politischen Fahrplan / Die UNSMIL unter Bathily arbeitet im Auftrag des Westens gegen Wahlen / Angriffe auf den Justizrat

+ 24.07.: Hannibal al-Gaddafi/Hungerstreik. Hannibal, Sohn von Muammar al-Gaddafi, wurde 2015 aus Syrien in den Libanon verschleppt und sitzt seither ohne Anklage und Gerichtsverhandlung im Gefängnis. Seit einigen Wochen befindet sich Hannibal aus Protest gegen seine jahrelange Inhaftierung im Hungerstreik. Bereits mehrmals wurde er wegen seines sich verschlechternden Gesundheitszustands in ein Krankenhaus eingeliefert.
Nun gab Hannibal eine Erklärung ab, in der er die libanesischen Behörden der Korruption bezichtigte. Im Libanon seien die Politik und Justiz in einem Korruptionssystem verflochten.
Laut Hannibal haben die libanesischen Behörden im Gegenzug für seine Freilassung gefordert, Zugriff auf zwei Milliarden USD zu erhalten, die sich auf libanesischen Konten befinden und Libyen gehören. Dies bedeute nichts anderes als dass er seinen Hungerstreik fortsetzen werde.
Hannibals Anwalt erklärte, Hannibal werde als „politische Geisel für nicht offen benannte Zwecke genommen“.
Menschenrechtsgruppen fordern die bedingungslose Freilassung von Hannibal al-Gaddafi, dessen Gefangenschaft auch die Beziehungen zwischen Libyen und dem Libanon stark belastet. Letzte Woche forderte der ehemalige libanesische Justizminister und jetzige Parlamentsabgeordnete Ashraf Rifi die libanesischen Behörden auf, Hannibal freizulassen. Rifi sagte: „Meiner Meinung nach ist es völlig inakzeptabel, ihn acht Jahre lang ohne Gerichtsverfahren in Haft zu halten. Das ist keine Gerechtigkeit, sondern wegen eines politischen Standpunkts“. Die Verantwortung hierfür trügen die libanesischen Behörden.
https://libyareview.com/36346/hannibal-gaddafi-claims-lebanon-demanding-2-billion-for-his-release/

Fahrplan und Wahlen

+ Bathily/Wahlen. Der UN-Sondergesandte Bathily sagte, dass es die Wahlgesetzte in ihrer jetzigen Form nicht ermöglichen werden, erfolgreich Wahlen durchzuführen. Die Gesetzesentwürfe müssten erst verbessert werden.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1683829325248733185

+ 6+6-Militärkomitee/Bathily. Die Mitglieder des 6+6-Militärkomitees, das sich aus Parlaments- und Staatsratsmitgliedern zusammensetzt, und das gerade in Paris tagte, fahren schweres Geschütz gegen den UN-Sondergesandten Bathily auf. Bathily wird beschuldigt, seine Sicht der Dinge durchsetzen zu wollen, eine Seite zu bevorzugen und damit eine Spaltung des Landes voranzutreiben. Bathily wurde aufgefordert, den von Parlament und Staatsrat vorgelegten Entwurf zu unterstützen und die Vereinigung der Institutionen durch die Bildung einer neuen Einheitsregierung zu fördern. Es sei der Wunsch des libyschen Volkes, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten.
https://libyareview.com/36349/libyas-66-committee-accuses-un-envoy-of-bias-in-elections/
Wie hinlänglich bekannt, sind die Dabaiba-‚Regierung‘ in Zusammenarbeit mit dem Haftar-Clan fest entschlossen, Wahlen zu verhindern, um das Land weiter in eine östliche und westliche Regierung, mit Dabaiba und Haftar an der Spitze, zu spalten, während Parlament und Präsidialrat auf eine neue Regierung hinzuarbeiten scheinen, die das Land zu Wahlen führt.

+ 26.07.: 5+5-Militärkomitee/Sicherheitsgruppe. Im Beisein von Vertretern der UN-Sondermission hat in Bengasi die Sitzung der Sicherheitsgruppe mit dem 5+5-Militärkomitee begonnen. Der Generalmajor der „westlichen“ Region, Mukhtar an-Naqasa sagte, dass „die politischen Gremien, die in den Medien Wahlen fordern, in Wirklichkeit diejenigen sind, die einer Abstimmung im Wege stehen“. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass in naher Zukunft Wahlen abgehalten werden können.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1683829325248733185

+ 25.07.: Stimmung. LibyaHerald schreibt: „Lähmende Auswirkungen von Gewalt und Angst. Eines der größten Hindernisse für politisches Engagement in Libyen ist die allgegenwärtige Atmosphäre von Gewalt und Angst. Entführungen, Morde und Einschüchterungen haben ein Umfeld geschaffen, in dem die Menschen Angst haben, ihre Meinung zu äußern, sowohl online als auch offline. Social-Media-Plattformen, einst ein Ort der freien Meinungsäußerung, sind nun zu einer Gefahrenquelle für diejenigen geworden, die es wagen, den Status quo zu kritisieren oder Bedenken über die aktuellen Herausforderungen im Land zu äußern.“
https://libyaherald.com/2023/07/op-ed-the-libyan-peoples-aspirations-navigating-political-apathy-amidst-societal-challenges/
In diesem Artikel wird eindeutig für die Nichtabhaltung von Wahlen plädiert, weil das Volk dazu nicht reif sei. Dazu muss man wissen, dass LibyaHerald ein britisches Onlinenachrichtenportal ist. Befürchtet wir wohl in erster Linie, dass Wahlen nicht so ausgehen, wie es für den Westen und seine Verbündeten wünschenswert wäre – sollten denn alle Kandidaten zugelassen werden. Und über die Zulassung von Kandidaten wollen wiederum ausländische Mächte bestimmen. Solange der Westen nicht über den Ausgang von Wahlen bestimmen kann, sollen sie nicht abgehalten werden.
Witzigerweise werden anschließend Vorschläge gemacht, um die Situation in Libyen für die Menschen zu verbessern. Aber hallo! Wenn das jemals das Ziel gewesen sein sollte, dann war dazu seit 2011 Zeit – also zwölf Jahre – in denen sich alles immer mehr verschlechtert hat.

+ 25.07.: Parlament/Wahlen. Das Parlament in Bengasi hat den vom 6+6-Militärkomitee ausgearbeiteten Fahrplan, der zu Wahlen führen soll, angenommen.
Das Parlament ist ermächtigt, der Regierung das Vertrauen auszusprechen.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406143

+ 25.07.: Parlament/Neue Regierung. Um Premierminister Dabaiba abzusetzen und eine neue Regierung zu bilden, die zu Wahlen führen soll, ließ Parlamentspräsident Agila Saleh über den Mechanismus zur Bestimmung dieser neuen Regierung abstimmen. Obwohl die UN-Sondermission unter Bathily und westliche Länder weitere Konsultationen forderten, stimmte die Mehrheit der libyschen Abgeordneten mit Ja, und die Angelegenheit wurde zur Genehmigung an den Hohen Staatsrat verwiesen.
Bathily reagierte auf diese Entscheidung mit scharfen Worten und warnte vor einseitigen Maßnahmen.
LibyaDesk, 28.07.2023

+ 08.07.: Wahlen/UN. Der Parlamentarier Essam al-Dschehani warf der UNSMIL und Bathily vor, Fortschritte im politischen Prozess zu behindern.
Die UNSMIL verhalte sich so, als vertrete sie eine eigene Partei. Sie wolle die Krise verwalten, aber nicht lösen. Der politische Fahrplan müsse „durch eine endgültige Einigung über die Wahlgesetze und die Bildung einer einzigen Regierung, die in der Lage ist, die Wahlen zu überwachen, vervollständigt werden“.
https://libyareview.com/36428/libyan-mp-accuses-un-of-hindering-political-progress/

+ 25.07.: Saleh/Parlament. Parlamentspräsident Agila Saleh erklärte, dass „die Beschlüsse der Sitzung vom 26. Juni ungültig sind“.
Auf der Parlamentssitzung vom 26. Juni, die vom zweiten stellvertretenden Parlamentspräsidenten Musbah Doma geleitet wurde, waren neue Vorsitzende für die Verwaltungskontrollkommission und den Nationalen Planungsrat ernannt worden. Die Abgeordneten stimmten auch über die Wahl des Präsidenten und die Mitglieder des Verfassungsgerichts ab.
Etwa 40 Mitglieder des Parlaments protestierten gegen diese Beschlüsse und die Rechtmäßigkeit der Sitzung und drohten mit einem Boykott.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406147

Gewalt und Proteste

+ 27.07.: Oberster Justizrat/Parlament. Das Parlament hat den von einer Miliz verübten Angriff auf den Sitz des Obersten Justizrates in Tripolis verurteilt.
Die libysche Justiz werde immer stärker in die politischen Auseinandersetzungen verstrickt.
https://libyareview.com/36383/libyan-parliament-denounces-attack-on-supreme-judicial-council-in-tripoli/

+ 27.07.: Oberster Justizrat. Der Oberste Justizrat verurteilte die „brutale“ Erstürmung seines Sitzes und lobte gleichzeitig die Position des Parlaments als Reaktion.
In der Erklärung wurden auch die „heftigen Angriffe der Medien“ verurteilt, die sich gegen die Legitimität des Obersten Justizrates richteten, und es wurde betont, dass er seinen Auftrag und die ihm übertragenen Aufgaben weiterhin erfüllen werde.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406348

+ 27.07.: az-Zawija/Proteste. In der westlich von Tripolis gelegenen Stadt az-Zawija forderten Demonstranten das Ende aller Übergangsphasen. Alle politischen Gremien sollten ihren Rücktritt erklärten und zügig Wahlen abhalten.
Shaaban Hadiya (alias Abu Ubaidah az-Zawi) wies in seiner Abschlusserklärung auf die Wichtigkeit der Einigkeit des Landes hin und erklärte, dass an diesem 27. Juli „die Stimmen aus dem Osten und dem Westen Libyens zusammenkamen und zu einer gemeinsamen Haltung aufriefen“. Die Spaltung zwischen Ost und West müsse beendet werden. Libyen befinde sich „in einem noch nie dagewesenen Zustand des politischen Verfalls, des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und der katastrophalen Sicherheitsbedingungen“.
Es wurden Panzer gesichtet.
https://libyareview.com/36416/protesters-demand-end-to-libyas-transitional-phases/

+ 27.07.: Proteste. Angestellte der Libyan Airlines protestierten vor dem Verwaltungsgebäude des Unternehmens in Bengasi dagegen, dass ihnen seit 30 Monaten keine Gehälter gezahlt werden. Das Unternehmen hat immense Schulden angehäuft, unter anderen beim Sozialversicherungsfond 20 Millionen LD.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406294

Libyen und das Ausland

+ 24.07.: Italien/Flugverkehr. Italien hat den kommerziellen Flugverkehr mit Libyen nach zehn Jahren Unterbrechung wieder aufgenommen. Es wird die Verbindung Rom – Tripolis bedient.
https://twitter.com/smmlibya/status/1683461496284622848

+ 25.07.: Iran. Die Außenministerin der Dabaiba-‚Regierung‘, Nadschla Mangusch, hat den Iran besucht. Dies ist seit Jahren der erste hochrangige Kontakt zwischen den beiden Ländern. Mangusch wurde von ihrem iranischen Amtskollegen Hossein Amir-Abdollahian zu Gesprächen empfangen.
https://libyareview.com/36352/libyan-fm-visits-iran/

+ 26.07.: Erdöl/USA. Der US-amerikanische Erdölkonzern Schlumberger hat nach Angaben der libyschen National Oil Corporation (NOC) einen Vertrag über drei Ölbohrungen abgeschlossen. Dies betrifft die Ölfelder Nasr und Wahat. Schlumberger wird mit der libyschen National Company for Oil Wells Drilling and Maintenance zusammenarbeiten.
https://libyareview.com/36377/schlumberger-wins-subcontract-to-drill-three-oil-wells-in-libya/

+ 27.07.: Afrika-Gipfel/Russland. Laut AgenziaNova stach unter den Reden der zum Gipfel nach St. Petersburg geladenen Gäste die des Vorsitzenden des libyschen Präsidialrates, Mohamed al-Menfi, hervor. Dieser sagte, Libyen „zähle auf die Hilfe Russlands und der afrikanischen Länder beim Abzug ausländischer Truppen aus seinem Territorium“.
Unter den bilateralen Treffen sei das Treffen zwischen Putin und dem Ägypter as-Sisi erwähnenswert, bei dem Putin sagte: „Die Beziehungen zwischen Russland und Ägypten sind seit Jahrzehnten von strategischer Natur. Wir haben viele große gemeinsame Projekte“.
https://www.agenzianova.com/en/news/al-vertice-russia-africa-putin-promette-sostegno-su-grano-sicurezza-ed-energia/

+ 28.07.: Afrika-Gipfel/Russland. Der russische Präsident Putin hat die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Libyen im Rahmen der OPEC+-Gruppe hervorgehoben. In seiner Rede sagte Putin, dieser Schritt trage zur Stabilisierung des Energiemarktes bei. Er bekräftigte auch die Unterstützung Russlands für die Souveränität Libyens.
Der Vorsitzende des Präsidialrats, al-Menfi, hatte auf dem Gipfel erklärt, dass der Präsidialrat „Infrastrukturprojekte in Zusammenarbeit mit Russland anstrebt“.
Außerdem hatte er auf die „historische Benachteiligung“ Afrikas im UN-Sicherheitsrat hingewiesen und forderte eine Änderung bei der Zusammensetzung der ständigen und nicht-ständigen Mitglieder.
https://libyareview.com/36434/putin-highlights-importance-of-opec-cooperation-with-libya/

+ 27.07. Niger. Der Militärputsch im Niger hat die Nachbarländer in höchste Alarmbereitschaft versetzt und Libyen dazu veranlasst, seine Grenzsicherung zu verstärken.
https://libyareview.com/36401/libya-bolsters-border-security-amid-tensions-in-niger/

+ 27.07.: Serbien. Serbien weigerte sich, dem jüngsten EU-Beschluss zum Waffenembargo gegen Libyen zuzustimmen. Der EU-Beschluss stellt eine Ergänzung zum Beschluss (GASP) 2015/1333 dar. Darin werden die Mitgliedstaaten beauftragt, die Entsorgung von beschlagnahmten Waffen und damit zusammenhängendem Material im Namen von EUNAVFOR MED IRINI zu erleichtern. Dabei handelt es sich um eine Militäroperation zur Durchsetzung des UN-Waffenembargos auf hoher See in Libyen.
https://libyareview.com/36389/serbia-rejects-eus-new-arms-embargo-measures-on-libya/

Migration

 24.07.: Italien/Konferenz. Die in Italien abgehaltene Migrationskonferenz befasst sich mit der illegalen Einwanderung aus Afrika über nordafrikanische Länder, insbesondere Libyen/Tunesien. Für Libyen nahmen al-Menfi (Präsidialrat) und Dabaiba (Tripolis-‚Regierung‘) teil.
Merkwürdigerweise war auch der Präsident der VAE, Muhammad bin Zayid Al Nahyan, anwesend.
https://en.alwasat.ly/news/libya/405925

+ 24.07.: Italien/Gelder. Italien hat für 7,5 Millionen Euro für den Niger und 8,5 Millionen Euro für Libyen bereitgestellt, um das Schleusertum zu bekämpfen und die Migrationsströme zu steuern.
https://libyareview.com/36292/italy-allocates-e16-million-to-combat-migration-in-libya-niger/

+ 24.07.: Ansiedlung. Der vom Parlament eingesetzte ‚Premierminister‘ Osama Hamad, warnt vor „jeglichen Versuchen oder Initiativen“, Migranten in Libyen anzusiedeln.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1683269595765899270

+ 24.07.: Leichenfund. Die Leichen von fünf Migranten aus Subsahara-Afrika wurden in einem unwirtlichen Gebiet nahe der Grenze zu Tunesien geborgen.
https://libyareview.com/36343/libya-recovers-migrant-bodies-near-tunisian-border/

+ 28.07.: Algerien/Grenzgebiet. Der Hohe UN-Flüchtlingskommissar (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) haben ihre tiefe Besorgnis über die Notlage Hunderter von Migranten, zum Ausdruck gebracht, die an der Grenze zwischen Libyen und Algerien festsitzen. Die Migranten, unter denen sich auch Frauen und Kinder befinden, wurden von Tunesien abgeschoben.
https://libyareview.com/36453/un-concerned-over-migrants-stranded-on-libya-algeria-border/

Weitere Nachrichten aus Libyen

+ 23.07.: Roter Halbmond. Das Deutsche Rote Kreuz und der Libysche Rote Halbmond haben ein Partnerschaftsabkommen geschlossen.
https://libyareview.com/36280/libya-germany-sign-humanitarian-agreement/

+ 23.07.: Archäologie. In der Gemeinde az-Zawiya wurde eine Begräbnisstätte freigelegt, die auf die Zeit der Phönizier zurückgeht.
https://libyareview.com/36289/archaeological-cemetery-discovered-in-libyas-al-zawiya/

 

+ Rückblick. Es sollte niemals die Ermordung Gaddafis durch die Nato und die Zerstörung Libyens, eines Landes, das damals den höchsten Lebensstandard in Afrika hatte, vergessen werden.
Video: https://twitter.com/REVMAXXING/status/1684360533686845443