Update 16.07.:

+ Freilassung Boumtari. Nach drei Tagen Gefangenschaft wurde der als Nachfolger des CBL-Chefs al-Kebir gehandelte Faradsch Boumtari freigelassen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1680291529917603843

+ Öffnung Erdölfelder. Das Öl- und Gasministerium kündigt die Wiederaufnahme des Betriebs auf den Ölfeldern Scharara und el-Feel an.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1680341607189495813

 

Entführung von Faradsch Boumtari, Schließung der größten Ölfelder und Hintertreibung der Roadmap durch Dabaiba und Haftar

Faradsch Abderrahmane Boumtari, der der neue Chef der Libyschen Zentralbank (CBL) werden sollte, wurde am Mittwoch, 12. Juli 2023, bei seiner Ankunft am Mitiga-Flughafen von Tripolis verhaftet. Die sogenannte Agentur für innere Sicherheit (Internal Security Agency/OSI/ehemals RADA) verschleppte ihn an einen unbekannten Ort. Erst am 11. Juli hatte LibyaReview die Nachricht verbreitet, dass der schon mehrfach vom Parlament abgesetzte und fragwürdige Chef der Libyschen Zentralbank, Siddiq al-Kebir, ersetzt wird.

Boumtari, der im Jahr 2018 Finanzminister der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis war, gehört dem Stamm der Zawija an, deren Stammesführer Siddiq al-Kebir und den ‚Premierminister‘ in Tripolis, Abdulhamid Dabaiba, bezichtigen, hinter der Entführung von Boumtari zu stehen.

Blockade der größten Ölfelder

Die Ankündigung des Zawija-Stammes, die Ölfelder im Süden Libyens zu schließen, sollte Boumtari nicht umgehend freigelassen werden, wurde am 13. Juli in die Tat umgesetzt. Es erfolgte die Blockade der beiden größten Ölfelder el-Feel und asch-Scharara im Südwesten Libyens. Angedroht wurde auch die Schließung der großen Erdölverladehäfen im östlichen Libyen.

Der Protest gegen die Verschleppung Boumtari wird von den Stämmen der az-Zawiya und al-Maghariba angeführt, die sich auch an die UNSMIL und an ausländische Botschaften wandten. Ebenso wurde der libysche Generalstaatsanwalt zum Handeln aufgefordert. Neben der Freilassung von Boumtari forderten die Stämme auch die Entlassung von al-Kebir als Chef der Libyschen Zentralbank. Das Vorgehen der Milizen in Tripolis wurde als „Gangsterkriminalität“ bezeichnet.

Al-Kebir und Dabaiba der Verschwörung beschuldigt

Der Führer des Zawiya-Stammes, as-Senussi al-Ahlaiq, sieht Siddiq al-Kebir hinter der Verschwörung um die Entführung von Boumtari. Al-Kebir wolle seinen Posten und somit die Kontrolle über die libyschen Öleinnahmen behalten. Sollte Boumtari nicht freigelassen werden, könne die Situation um die Schließung der Ölfelder weiter eskalieren und auch die Wasserversorgung unterbrochen werden. Al-Kebir müsse vor Gericht gestellt werden.

Inzwischen hat auch das libysche Parlament die Entführung von Boumtari verurteilt und sich ebenfalls gegen ungerechtfertigte Reisebeschränkungen für mehrere Mitglieder des Staatsrats (HCS) ausgesprochen, denen am 13. Juli am Mitiga-Flughafen in Tripolis von Dabaiba-Milizen die Pässe abgenommen wurden, als sie in die Türkei fliegen wollten.

Bemerkenswert ist, dass gerade Milizen von Dabaiba den Kontakt von Mitgliedern des Staatsrats, der der Moslembruderschaft zugehörig ist, zur Türkei behindern. Dabaiba wurde bisher von der Türkei unterstützt.

Dabaiba-Clan und Haftar-Clan hintertreiben Wahlen

Zur Verhinderung der Durchführung der für Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres vorgesehenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen werden in den Korridoren einerseits in Tripolis von den Dabaiba-Leuten und andererseits im östlichen Libyen vom libyschen Armeekommando Pläne zur Vereitelung der Wahlen geschmiedet. Weder Haftar noch Dabaiba sind bereit, ihre Macht und damit die Kontrolle über Teile Libyens und seines Reichtums durch die Öl- und Gaseinnahmen abzugeben.

Dabaiba versucht mit allen Mitteln, seine Macht in Tripolis aufrechtzuerhalten

So plant Dabaiba, den jetzigen Vorsitzenden des Staatsrats, Khaled al-Mischri, durch Mohammed Takala zu ersetzen, um seinen Einfluss auf den Staatsrat auszuweiten. Mit Unterstützung eines bekannten Führers der Moslembruderschaft, dem Katar nahestehenden Imad al-Banani, wird Takala ein großes Budget zur Verfügung gestellt, um sich seine Wahl zum Vorsitzenden des Staatsrats kaufen zu können. Inzwischen bedroht und verhaftet Dabaiba mit Hilfe seiner Milizen jeden, der seine Position in Frage stellt oder ihr gefährlich werden könnte.

Dabaiba und Haftar rüsten auf

Dabaiba rüstet auch militärisch auf. So erließ Dabaiba am 4. Juli 2023 den Beschluss Nr. 291 zur Einrichtung eines militärischen Einsatzzentrums unter der Leitung des Kommandanten der Militärzone West, General Salah an-Namrusch. Dem Einsatzzentrum gehören Kommandeure verschiedener Milizen an, darunter der Chef des Drohnenprogramms im Verteidigungsministerium der Dabaiba-‚Regierung‘. In seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister ordnete al-Dabaiba auch die Aufstellung einer aus 400 bewaffneten Fahrzeugen bestehenden Truppe an, die in der Region westlich von Tripolis für Ordnung sorgen soll.

Im östlichen Libyen scheint der Zusammenhalt der Libyschen Nationalarmee (LNA), der unterschiedliche Strömungen angehören, die sich nicht alle dem Haftar-Clan verpflichtet fühlen, zu bröckeln. Zur Sicherung seines Stellung ernannte der inzwischen 80-jährige LNA-Kommandant Khalifa Haftar seinen Sohn Khaled zum Kommandeur der Chief of Staff of Security Units (Stabschef der Sicherheitseinheiten).

Haftar und Dabaiba gegen Parlamentspräsidenten Saleh

Eine Vereinbarung zwischen Saddam Haftar, dem Sohn des LNA-Kommandeurs Khalifa Haftar, und Ibrahim Haftar, ein Verwandter von Abdulhamid Dabaiba, soll eine Parlamentssitzung unter dem Vorsitz von Agila Saleh in Bengasi verhindern, bei der die Roadmap und das neue Wahlgesetzt angenommen werden sollen, das von der 6+6-Kommission (bestehend aus Parlament und Staatsrat) ausgehandelt wurde. Abgeordnete, die Saleh nahestehen, sahen sich bereits Bedrohungen ausgesetzt.

Die Parlamentssitzung vom 11. Juli endete in einem Eklat, nachdem eine Gruppe von Parlamentariern die Entscheidung der Sitzung vom 26. Juni ablehnte. Bei dieser Sitzung, die vom zweiten stellvertretenden Parlamentssprecher, Musbah Duma, geleitet worden war, wurde die Einrichtung eines Ausschusses zur gerechteren Verteilung der Erdöleinnahmen unter dem Vorsitz des Chefs der National Oil Corporation (NOC), Farhat Bengdara, angenommen.

Sowohl das Parlament als auch der Staatsrat befinden sich in einer für sie bedrohlichen, existentiellen Krise. Unter diesen Umständen scheint die Durchführbarkeit von Wahlen in immer weitere Ferne zu rücken. Es sollte nicht vergessen werden, dass hinter jedem politischen Player in Libyen ausländische Kräfte stehen, die ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Eine Schlüsselrolle fällt dabei der Türkei als Besatzungsmacht im westlichen Libyen zu.

Dabaiba und Haftar

Dabaiba und Haftar – in Kabale vereint

 

https://www.africanews.com/2023/07/14/un-mission-in-libya-concerned-about-growing-abductions-detentions/
https://www.agenzianova.com/en/news/libya-shut-down-production-at-sharara-and-108-oil-fields/
https://libyareview.com/36006/libyan-tribe-threatens-to-shut-down-oil-fields-if-former-finance-minister-is-not-released/
https://twitter.com/TheLibyaUpdate/status/1679259911513939968
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1679599809202728962
https://libyareview.com/36034/libyan-parliament-condemns-kidnapping-of-former-finance-minister/
https://twitter.com/SaifFuture/status/1678766903014359041
https://twitter.com/SaifFuture/status/1678766903014359041
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1678391054196719616
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1678635807723204609
https://twitter.com/LibyaReview/status/1678527702817538050