Ausnahmezustand für Ölverladehäfen verhängt / Gespannte Lage in und um Tripolis / Libysche Stämme fordern Abhaltung von Wahlen / UN-Sondersitzung soll kommen / Stephanie Williams omnipräsent

Schließung von Erdölfeldern und Pipelines im Südwesten Libyens

Die Turbulenzen um die für den 24. Dezember geplanten, aber wohl nicht stattfindenden Präsidentschaftswahlen in Libyen haben nun auch die Erdölproduktion erreicht. Ein harter Machtkampf steht bevor.

Drei Erdölfelder im westlichen Südlibyen, al-Wafa, al-Hamada und das größte Ölfeld Libyens, asch-Scharara, wurden am 19. Dezember von der Petroleum Facilities Guard (PFG) geschlossen.
Daneben wurde die Pipeline abgedreht, die das Scharara-Ölfeld mit dem Ölverladehafen Zawiya im Westen Libyens (ca. 50 km westlich von Tripolis) verbindet, ebenso wie die Erdgaspipeline des Wafa-Gasfeldes, die über die Greenstream-Pipeline die EU mit Erdgas versorgt. Es werden beachtliche Auswirkungen auf die europäischen Erdgas- und Ölpreise befürchtet.
Die Schließung der Ölfelder könnte die tägliche Gesamtproduktion Libyens, das über die größten Erdölreserven auf dem afrikanischen Kontinent verfügt, auf unter eine Million Barrel drücken. Dies bedeutet einen schweren Rückschlag für die Bemühungen der OPEC, die Ölproduktion zu steigern. Im November lag die Fördermenge bei etwa 1,2 Millionen Barrel.
Die Schließungen sollen so lange andauern, bis die Forderungen der PFG von der GNU-Regierung, der National Oil Corporation (NOC) und der 5+5-Militärkommission erfüllt sind. Die PFG lehnt die Neubesetzung des Managementausschusses durch den NOC-Vorsitzenden Mustafa Sanella ab. Sanella wurde vom libyschen Erdölminister Mohamed Aoun bereits suspendiert, blieb aber trotzdem im Amt. Die Verwaltungskontrollbehörde hatte am 19. Dezember die Entscheidung zur Suspendierung Sanellas für ungültig erklärt.

Siehe Karte: https://twitter.com/reportingLibya/status/1472887841617334276

https://newsquawk.com/headlines/libya-s-production-of-oil-drops-to-950k-bpd-due-to-the-loss-of-the-production-of-el-sharara-field-estimated-at-280k-bpd-after-it-was-closed-by-an-armed-group-affiliated-with-the-pfg-20-12-2021
https://libyareview.com/19734/libyas-oil-fields-shut-down/
https://twitter.com/smmlibya/status/1472907104868614144

Gespannte Lage um und in Tripolis

Es wird berichtet, dass auf mehreren Zufahrtsstraßen nach Tripolis Sandbarrieren errichtet wurden. Gepanzerte Fahrzeuge drangen auf das Gelände der Universität von Tripolis vor. Die Uni wurde geschlossen.

Am 21. Dezember sind immer mehr bewaffnete Streitkräfte unterwegs nach Tripolis.
Foto: https://twitter.com/smmlibya/status/1473279196764028931

Die drei Präsidentschaftskandidaten Fathi Bashagha (Moslembruder) und Ahmed Maetiq treffen sich am 21.12. im LNA-Hauptquartier bei Bengasi mit dem verfeindeten LNA-Befehlshaber Khalifa Haftar. Haftar ließ die beiden Angereisten erst einmal warten.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1473203655725785096
https://twitter.com/LibyaReview/status/1473243270956429313
https://twitter.com/LibyaReview/status/1473237637523812362

Wer ist der schlimmste Finger?
https://twitter.com/mahmouedgamal44/status/1473295027782754304/photo/1

 

Stellungnahmen zur Wahlverschiebung

Offiziell sind die Präsidentschaftswahlen am 24. Dezember immer noch nicht abgesagt bzw. verschoben. Für eine Absage sind das Parlament und/oder die Hohe Nationale Wahlkommission zuständig. Doch keiner will sich den schwarzen Peter zuschieben lassen.

Die GNU-Übergangsregierung unter Übergangspremierminister Dabaiba war beauftragt, für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen in Libyen am 24. Dezember 2021 Sorge zu tragen. Dieser Aufgabe ist die GNU-Regierung in keiner Weise nachgekommen. Auch der auf der Berliner Libyen-Konferenz beschlossene Abzug von Söldnern wurde nicht umgesetzt.

Der Leiter der Nationalen Wahlkommission (HNEC), Imed al-Sajeh, ordnete am 21.12. die Auflösung der Wahlkomitees im ganzen Land an. Mit diesem Schritt wurde faktisch die Präsidentschaftswahl in dieser Woche abgesagt. 
https://www.aljazeera.com/news/2021/12/21/libya-electoral-commission-dissolves-poll-committees

Der Oberste Rat der libyschen Stämme und Städte lehnt die Verschiebung der Wahlen ab. Die Verzögerung sei „ein böswilliger Versuch, die Krise aufrechtzuerhalten“, heißt es in einer Erklärung des Rates, der die UN, den UN-Sicherheitsrat und die UNSMIL für das Scheitern der Wahlen verantwortlich macht.
Bereits am 17.12. war es in Sirte vor dem Sitz der Hohen Nationalen Wahlkommission (HNEC) zu Protesten gegen die Verschiebung der Wahlen gekommen. Die Demonstranten erklärten, es gebe keine Alternative zu den am 24. Dezember angesetzten Präsidentschaftswahlen.
https://libyareview.com/19712/libyan-tribes-reject-delaying-december-elections/

Von der HNEC liegt ein Papier vor, dass keine Wahlen in diesem Jahr – und wahrscheinlich auch nicht im nächsten – abgehalten werden sollen. In dieser Zeit sollen regionale Komitees aufgelöst werden. Allerdings ist das HNEC nach allgemeiner Auffassung zu solchen Aussagen nicht berechtigt. Die Aufgabe des Komitees ist es ausschließlich, für die korrekte Durchführung von Wahlen Sorge zu tragen.
https://twitter.com/RamiRMusa/status/1473255288069410821

Der UN-Sicherheitsrat erwägt eine Dringlichkeitssitzung zur Verschiebung der für den 24. Dezember geplanten Präsidentschaftswahlen abzuhalten. An der Sitzung sollen auch die Sonderberaterin von Guterres, Stephanie Williams, sowie der zurückgetretene Sonderberater Jan Kubis teilnehmen.
Es heißt, die Sitzung werde sich von allen bisherigen Sitzungen zu Libyen unterscheiden. Es sollen Entscheidungen getroffen werden, die die Einhaltung eines neuen Wahltermins spätestens zwei Monate nach dem 24. Dezember gewährleisten. Die Kandidatenliste soll nach Prüfung der Einsprüche und Ausschluss von Kandidaten, die gegen das Wahlgesetz verstoßen haben, veröffentlicht werden.
Berlin solle erneut eine Libyen-Konferenz ausrichten.
https://libyareview.com/19704/libyas-hnec-parliament-responsible-for-announcing-elections-postponement/

Der Parlamentsabgeordnete Ali at-Tekbali erklärte, das Parlament sei bereit, die derzeitige Regierung der Nationalen Einheit (GNU) unter Leitung von Premierminister Abdelhamid Dabaiba abzusetzen und eine neue nationale Regierung zu bilden. Das Mandat der GNU ende am 24. Dezember und sie sei nicht berechtigt, nach diesem Datum im Amt zu bleiben. Allerdings könnte der GNU-Premierminister versuchen, sich mit Hilfe von Milizen an der Macht zu halten.
https://libyareview.com/19719/libyan-mp-parliament-ready-to-form-new-government/

Leila Benkhalifa, Parteivorsitzende von Nationale Bewegung und Präsidentschaftskandidatin, hält eine Wahlverschiebung über einen längeren Zeitraum für unakzeptabel, nur eine zeitnahe Verschiebung sei denkbar. Allerdings solle bis zur Wahl die GNU-Regierung im Amt bleiben.
https://libyareview.com/19728/libyan-presidential-candidate-rejects-formation-of-new-interim-government/

 

Stephanie Williams zieht an allen Strippen

Die Aktivitäten der US-Amerikanerin Stephanie Williams lassen kaum Zweifel über ihren Versuch, die politischen Entwicklungen in Libyen zu dominieren. Es gibt Gerüchte, nach denen Stephanie Williams (auf dem für sie neu geschaffenen Posten der Beraterin des UN-Generalsekretärs) auf eine Verschiebung der Wahlen bis Ende 2023 drängt.

Am 18.12. ließ Williams in einem Tweet über ihr Treffen mit dem 5+5-Militärausschuss wissen: „Großartiges Treffen heute mit dem Gemeinsamen 5+5-Militärausschuss in Sirte.“ Sie informiere sich über die neuesten Entwicklungen bezüglich Waffenstillstandsabkommen und des Abzugsplans von Söldnern und ausländischen Kämpfern. Bei der Vereinheitlichung der militärischen Institutionen gebe es noch viel zu tun.

Williams ist auch bei der Libyschen Zentralbank (CBL) präsent. So gab die US-Botschaft in Libyen bekannt, dass die Ko-Vorsitzenden der Wirtschaftsarbeitsgruppe die Bedeutung einer Wiedervereinigung der CBL betonen. Und wer sind die Ko-Vorsitzenden? Stephanie Williams, Diplomaten von EU, USA, UN und Ägyptens! Dies ist ausländische Einmischung in Reinform.

Doch damit nicht genug: Williams ist auch zu Gesprächen mit dem Stadtrat nach Bengasi gereist, um sich um den Wiederaufbau, illegale Migration und die Notwendigkeit der Dezentralisierung zu kümmern. Williams always and everywhere!
https://almarsad.co/en/2021/12/18/williams-explains-details-of-her-meeting-with-the-55-committee-in-sirte/
https://twitter.com/smmlibya/status/1472900070861377536
https://libyareview.com/19673/us-stresses-importance-of-unifying-libyas-central-bank/
https://libyareview.com/19688/williams-holds-talks-with-benghazi-municipal-council/

Weitere Nachrichten aus Libyen

+ 20.12.: Bildungsminister/Korruption. Der Generalstaatsanwalt stellte einen Haftbefehl gegen den Bildungsminister Musa al-Maqrif aus. Obwohl ein Budget von Milliarden LD für den Druck von Schulbüchern bereitgestellt wurde, wurde kein Druck in Auftrag gegeben und die Schüler stehen bei Schulbeginn ohne Bücher da. Man konnte sich wohl nicht darauf einigen, welche Druckerei beauftragt werden sollte – d.h. an welchen der Amigos die LD-Milliarden fließen sollten.
https://libyareview.com/19739/libyas-attorney-general-orders-arrest-of-education-minister/

+ 19.12.: UN/Eingefrorene libysche Vermögen. Der UN-Sondersanktionsausschuss für Libyen hielt eine geschlossene Sitzung im UN-Hauptquartier ab zum Thema „eingefrorene libysche Vermögenswerte“.
https://libyareview.com/19682/un-sanctions-committee-discusses-libyas-frozen-assets/
Will man sich hier einigen, an wen die libyschen Staatsgelder verschoben werden sollen?

+ 19.12.: LNA. Die LNA ließ wissen, dass sie die Bildung von bewaffneten Gruppen außerhalb des Gesetzes nicht zulassen werde. Dies bezieht sich v.a. auf die Situation im südlichen Libyen und die Vorkommnisse in Sebha.
https://libyareview.com/19702/libyan-national-army-we-will-eliminate-all-illegal-armed-groups/

+ 17.12.: Mord. Bewaffneter Mann tötet acht Menschen in Tobruk (östliches Libyen).
https://twitter.com/LibyaReview/status/1471857223236259849

+ 19.12.: Migration. Im Krankenhaus von Bengasi sind vier durch Schusswaffen leicht verletzte Migranten behandelt worden. Die Schüsse wurden von bewaffneten Unbekannten abgegeben.
https://libyareview.com/19697/gunmen-open-fire-on-4-migrants-in-libya/

+ 21.12.: Migration. Laut der EU-Grenzbehörde Frontex kamen in diesem Jahr 64.400 Migranten über Libyen nach Europa, ein Anstieg von 89 % gegenüber 2020.
https://twitter.com/ian_urbina/status/1472950459547664390

+ 18.12.: Granaten. Sechs Kinder wurden im Gebiet von Wirschefana durch die Explosion einer Granate aus dem Krieg von 2014 getötet und zwei weitere verletzt.
https://libyareview.com/19657/explosion-kills-6-children-in-libya/

+ 18.12.: Atommüll. Eine libysche Delegation forderte bei der UN, „eine einheitliche Position zur Verbringung und Ablagerung von Atommüll in Entwicklungsländern, insbesondere in Libyen, um diese zu kriminalisieren und die katastrophalen Auswirkungen auf die Menschheit zu begrenzen“.
Libyen hat westliche Länder schon öfters beschuldigt, nahe seiner Küsten Atommüll abzuladen, so warf es bereits 2013 Israel vor, Libyen zu einer Deponie für seinen Atommüll zu machen. Das Thema wurde allerdings aufgrund der überbordenden Probleme des Landes nicht weiter verfolgt.
https://libyareview.com/19676/libya-accuses-countries-of-dumping-nuclear-waste-on-its-lands/

+ 19.12.: Reiserisiko. Die Website Travel RiskMap hat Libyen zusammen mit Syrien, Jemen, Somalia, Irak, Mali und Afghanistan erneut als eines der gefährlichsten Reiseziele 2022 eingestuft.
https://libyareview.com/19684/libya-ranked-among-most-dangerous-travel-destinations-for-2022/

+ 19.12.: Al-Bayda im Schnee: https://twitter.com/AmrFatihalla/status/1472546291918032909/photo/1

 

Nachrichten aus anderen Ländern

21.12.: Sudan. Hunderttausende von Demonstranten auf den Straßen von Khartum fordern die Rückkehr zu einer zivilen Regierung und ein Ende der militärischen Intervention.
https://t.me/rt_de/9051