Militärische Lage – Libysches Parlament – Libysche Nationalarmee – ‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei – Verschiedenes

Militärische Lage

+ Die LNA gibt bekannt, dass die Gegend von al-Rammla (westlich des Internationalen Flughafens von Tripolis) vollständig unter ihrer Kontrolle ist.

+ Abschuss einer türkischen Drohne am 13.05. in Asch-Schuwairef (westliches Libyen) durch die LNA.

+ Heftige Kämpfe zwischen LNA und Milizen der ‚Einheitsregierung‘, unterstützt von syrischen Söldnern, in verschiedenen Stadtteilen von Tripolis.

+ Am 13.05. Zusammenstöße in Abu Grain (südlich von Misrata) zwischen LNA und Milizen der ‚Einheitsregierung‘.

+ Ein Schaftransporter wurde von der ‚Einheitsregierung‘ in Zentrallibyen bombardiert.

+ Aus der Stadt Sirte wird eine große Explosion gemeldet

+ Laut LNA haben die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ ihr Hauptquartier, nachdem es unter Beschuss genommen worden war, aus dem Stadtteil Abu Salim (Tripolis) evakuiert und in den Palästen der Gastfreundschaft aufgeschlagen. Sie sollen ihre schwere Artillerie in Wohngegenden verbracht haben.

+ Laut der ‚Einheitsregierung‘ hat sie mit Hilfe türkischer Drohnen sechs Mal den Watija-Militärstützpunkt bombardiert.
Es gibt schlüssige Hinweise, wonach türkische Drohnen, welche die al-Watija-Luftwaffenbasis der LNA im Westen Libyens bombardierten, vom südlichen Tunesien aus gestartet sind.
Ein tunesischer Parlamentarier meinte, Tunesien werde nicht mehr nur vom gewählten Präsidenten kontrolliert, sondern auch von Erdogan, Katar und der Moslembruderschaft. So sei vor kurzem ein türkisches Militärflugzeug mit „medizinischen Hilfsgütern“ für Libyen ohne Wissen der tunesischen Behörden gelandet. Hinzu komme, dass der türkische Botschafter auf dem Flughafen ohne jegliche Absprache mit den tunesischen Behörden anwesend war und das tunesische Präsidialamt gezwungen wurde, zu später Stunde eine Erklärung über dieses Vorkommnis abzugeben, deren Wahrheitsgehalt stark angezweifelt wird.

Libysches Parlament

+ Parlamentspräsident Saleh und der Oberkommandierende Haftar gaben eine gemeinsame Erklärung ab: Das Parlament ist ein demokratisch gewähltes Gremium, welches das gesamte libysche Volk vertritt und nur durch freie und faire Wahlen, wie sie im Jahr 2014 stattfanden, aufgelöst werden kann.

+ Am 11.05. hatten die fünf Außenminister von Frankreich, Griechenland, der VAE, Ägypten und Zypern eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie das Vorgehen der Türkei in Libyen und im Mittelmeer verurteilten und die Abkommen zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und der Türkei als nichtig bezeichneten.
Das Außenministerium der Übergangsregierung in Tobruk begrüßte diese Erklärung, denn darin werden die Verstöße der Regierung Erdogan und die Missachtung aller internationaler Normen und Gesetze auch hinsichtlich der Souveränität von Staaten und der Nichteinmischung in deren innere Angelegenheiten streng verurteilt.
Das Ministerium lehne die beiden im November 2019 zwischen der Türkei und as-Sarradsch vereinbarten Memoranden of Understanding kategorisch ab, da diese den Friedensprozess in Libyen durch die Verbringung von syrischen Söldnern nach Libyen und die Bewaffnung terroristischer Milizen untergraben. Die Regierung unterstütze vollumfänglich die LNA und ihren Krieg gegen die Milizen, die Tripolis kontrollieren und gegen die türkische Invasion.
Das Ministerium erinnert daran, dass die LNA für den Monat des Ramadan einen humanitären Waffenstillstand ausgerufen hatte, der von den Milizen durch die fehlgeschlagenen Angriffe auf den Luftwaffenstützpunkt al-Watija und die Stadt Tarhuna gebrochen wurde.
Die internationale Gemeinschaft und die UNO seien deshalb aufgerufen, die türkische Militärinvasion in Libyen und die Verbringung ausländischer Söldner in das Land zu verurteilen. Sie sollten mutig genug sein, das libysche Volk zu unterstützen, indem sie der ‚Einheitsregierung‘ die Anerkennung entziehen, die zum einen verfassungswidrig, zum anderen nicht anerkannt und zwischenzeitlich auch noch abgelaufen ist. Milizen regierten Tripolis, die durch die Unterzeichnung des beschämenden Abkommens mit der Regierung Erdogan für Unruhe und Chaos in Libyen, in der Welt und in den Ländern des Mittelmeers verantwortlich seien.
https://almarsad.co/en/2020/05/12/statement-by-the-libyan-ministry-of-foreign-affairs-on-the-five-party-meeting-on-libya/

Libysche Nationalarmee (LNA)

+ In einem Sputnik-Interview am 12.05. erklärte der Sprecher der LNA, al-Mismari: „Das Skhirat-Abkommen ist nie in Kraft getreten. Wir haben es von Anfang an nicht anerkannt. Keine libysche Institution arbeitet nach den Vorgaben dieses Politischen Abkommens. Das libysche Volk und das Parlament haben dieses Abkommen zu Fall gebracht“. Der Konflikt in Libyen sei kein politischer Konflikt, sondern ein Kampf für die Sicherheit, gegen Terroristen, Abtrünnige (Takfiris) und Extremisten“. Der Mitiga-Flughafen in Tripolis sei zwischenzeitlich zu einem türkischen Militärflughafen geworden, von dem täglich Dutzende Drohnen abhoben. Er sei somit zu einer Gefahr für die Zivilbevölkerung geworden und deshalb bombardiert worden. Die Verurteilung der Bombardierung durch die UN schrieb er deren einseitiger Sichtweise vor. Sie sei auf einem Auge blind. Der UN sei nicht klar, um was es in Libyen wirklich ginge. Und so lange sie das nicht erkenne, würde sie mit all ihren Bemühungen scheitern. Die Voreingenommenheit der UN diene dazu, die Krise in Libyen zu verlängern.
Mismari: „Die türkischen Infanteriekräfte sind jetzt vor Ort. Sollte die Luftwaffe Kampfflugzeuge einsetzen, würde dies die Situation verändern. Wir werden uns mit der Situation befassen, falls dies geschieht“.
Wie Mismari auch mitteilte, stehe eine Gruppe von Syrern in Verhandlung mit der LNA. Diese würden nach deren Überlaufen nicht als Gefangene betrachtet, sondern dem Roten Kreuz übergeben werden. Nach Meinung Mismaris sei die Zahl der Syrer in Libyen bedeutend höher als die offizielle Zahl von 11.000, geschätzt befänden sich an die 17.000 ausländische Kämpfer in Libyen.
Zur militärischen Lage sagte Mismari, es sei eine große Herausforderung, mit aller militärischen Härte vorzugehen und gleichzeitig die Zivilbevölkerung zu schützen. Alles sei als eine einzige Front zu betrachten, eine Schlacht: Tripolis, die Gebiete östlich oder südlich von Misrata, und die westliche Region, an denen jeweils Schlachten ausgetragen werden.
https://almarsad.co/en/2020/05/13/al-mismari-mitiga-airport-is-a-turkish-military-base-that-threatens-the-armed-forces-and-civilians/

+ Al-Mismari bestreitet, für den Beschuss der türkischen und der italienischen Botschaft in Tripolis verantwortlich zu sein und macht seinerseits Milizen der ‚Einheitsregierung‘ dafür verantwortlich. Es handle sich um eine False-Flag-Aktion, um den Beschuss der LNA anhängen zu können.

+ Wie die LNA auf Twitter mitteilt, wurden 25 Bewohner von Bengasi, die mit dem Flugzeug von der Türkei kommend am 10.05. in Misrata gelandet waren, mit Bussen an nicht bekannte Orte verschleppt.

‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei

+ Das türkische Außenministerium erklärte, dass die Türkei die LNA als legitimes Ziel betrachte, falls die LNA ihre Angriffe auf den Mitiga-Militärflughafen und den Diplomatenbezirk in Tripolis fortsetze und so türkische Interessen bedrohe.

+ Auch Dschuma al-Gomati, Vorsitzender der Partei des Wandels und Sondergesandter der ‚Einheitsregierung‘ für die Maghrebstaaten hatte erklärte: „Es ist kein Geheimnis, wir haben Hunderte von türkischen Armeeoffizieren in Tripolis, um das zwischen dem Präsidialrat und der Türkei unterzeichnete Sicherheitsabkommen umzusetzen. Es gibt eine Koordinierung bei der Ausbildung, und wenn die Türkei der Ansicht ist, dass Haftar ihre Streitkräfte ins Visier nimmt, dann wird er zu einem legitimen Ziel. Die Türkei ist ein starkes Land und hat eine starke Armee, und deshalb wird ihre Reaktion stark sein.“
https://libyareview.com/?p=2604

+ Der berüchtigte Dschihadist und Führer der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG), Khaled asch-Scharif, soll mit dem Chef des türkischen Geheimdienstes, der am 8. Mai zu Besuch in Misrata war, aus der Türkei nach Libyen zurückgekehrt sein und in Tripolis seine Aktivitäten wieder aufgenommen haben. Scharif war bis Mai 2017 Kommandant des Hadba-Gefängnisses in Tripolis, in dem nicht nur gefoltert und gemordet, sondern auch Bomben hergestellt wurden. Daneben wird ihm die Verbindung zum Manchester-Bomber Salman Abedi nachgesagt.
LIFG hatte sich am 3. November 2007 formell al-Kaida angeschlossen.
Scharif findet sich auch auf einer Auflistung von Terroristen plus den ihnen gemachten Vorwürfen der Jamestown Foundation wieder:
https://www.refworld.org/docid/596c92b64.html

+ Ali Buzakuk, wichtiges Mitglied der Muslimbruderschaft in den USA und in Libyen, der zwar Mitglied des Parlaments ist, dieses aber boykottiert, sagte: „Haftar und seine Anhänger können in Zukunft niemals zu den Erbauern des libyschen Staates gehören“. Er zähle auf die eigenen Kräfte und die Türkei, um den Sieg zu erringen.“
Buzakuk pendelt zwischen den USA und Libyen. Er befürwortete die dschihadistischen Ansar asch-Scharia, die er als „Teil der Bengasi-Brigaden zur Verteidigung gesetzloser Kräfte“, bezeichnete. Gemeint war damit die LNA.
https://almarsad.co/en/2020/05/12/muslim-brotherhood-we-only-count-on-our-forces-and-turkey-to-achieve-victory/

+ Wie Al-Monitor berichtet, rekrutieren manche der von der Türkei unterstützten Militäreinheiten in Syrien Minderjährige für den Kampf in Libyen. Insbesondere wird dieser Vorwurf der Sultan-Murad-Fraktion gemacht.

Verschiedenes

+ Wie die WHO schreibt, wurden Lastwagen, die lebenswichtige Güter für die Stadt Tarhuna über Bani Walid transportierten, mehrmals von türkischen Drohnen der ‚Einheitsregierung‘ bombardiert. Fast 150.000 Menschen leiden in Bani Walid unter akutem Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verurteilte die Bombardierung ihrer Lastwagen mit lebenswichtigen Gütern und medizinischer Ausrüstung zur Bekämpfung der Coronapandemie für die Städte Tarhuna und Bani Walid scharf.
In Tarhuna sei die Kühlkette für Impfstoffe durch die Blockade von Wasser und Strom durch Milizen unterbrochen, was das Ausbruchsrisiko für Krankheiten stark erhöht. In Bani Walid musste der Bau für 100 Isolationsbetten aufgrund der anhaltenden Unsicherheit durch türkische Drohnenbombardements der ‚Einheitsregierung‘ ausgesetzt werden.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1260229908242010112
https://almarsad.co/en/2020/05/13/who-says-its-humanitarian-convoys-to-tarhouna-and-bani-walid-bombed/

+ Tunesiens Premierminister Elyes Fakfak sagte, sein Land lehne jede ausländische Einmischung ab und sei gegen jede militärische Aktion in Libyen. Eine Lösung sei „nur unter Libyern möglich und müsse den Willen des libyschen Volkes zum Ausdruck bringen, das souverän ist und sein Schicksal selbst und frei von jeder ausländischen Einmischung entscheiden muss“.
https://libyareview.com/?p=2650

+ Der Generalsekretär der tunesischen Oppositionspartei Popular Movement, Zuhair Hamdi, sagte, dass die Angaben zur Landung eines türkischen Flugzeugs mit medizinischen Hilfsgütern auf dem tunesischen Flughafen von Dscherba verwirrend gewesen seien. Zum einen hieß es, die Ladung sei für Tunesien bestimmt, dann hieß es, sie sei für Libyen. Die Landung des Flugzeugs sei vorher nicht bekannt gemacht worden. Die tunesischen Behörden zeigten große Schwäche, wenn es um die Libyenfrage und um den Umgang mit der Türkei gehe.

+ Der deutsche Libyenspezialist Wolfram Lacher wird mit einer seiner Veröffentlichungen vom April 2018 zitiert, als er schrieb: „Seit der Einsetzung der ‚Einheitsregierung‘ im März 2016 haben einige lokale Milizen allmählich den Großteil der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Obwohl offiziell loyal zur Einheitsregierung, dominieren heute diese Gruppen tatsächlich die Regierung. Sie sind zu kriminellen Netzwerken angewachsen, die in das Geschäftsleben, in die Politik und Verwaltung hineinreichen. Die Plünderung staatlicher Gelder – das Markenzeichen libyscher Wirtschaftspolitik – kommt nun einer kleineren Gruppe zugute, mehr als dies jemals seit 2011 der Fall gewesen war. Wer davon ausgeschlossen ist, versucht Allianzen zu schmieden, um die Machtbalance in Tripolis mit Gewalt aufrechtzuerhalten. Neue Sicherheitsstrukturen für die Hauptstadt sind dringend nötig, um neue Konflikte zu vermeiden und die Basis für eine breitere politische Aufstellung zu schaffen.“
Nicht schlecht analysiert von Wolfram Lacher. Aus dieser Sicht müsste er eigentlich die LNA in Tripolis unterstützen. Tut er aber nicht. Steht nach wie vor auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ .
https://twitter.com/burweila/status/1260542965237284865/photo/1

+ Die EU forderte am Dienstag ein Ende der Kämpfe in Libyen und sagte, sie sei „entschlossen“, das UN-Waffenembargo durchzusetzen.

+ Am 12.05. rief der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, die libyschen Konfliktparteien auf, einen Waffenstillstand zu verkünden und die territoriale Integrität Libyens zu respektieren. Er behauptete, dass die Berliner Konferenz ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Frieden sei und dass am 13.05. eine Folge-Videokonferenz stattfinden werde.
Der italienische Außenminister Luigi Di Maio erklärte, dass der Waffenfluss nach Libyen mit dem Beginn der Operation Irini der Europäischen Union zur Überwachung und Durchsetzung des Waffenembargos im Mittelmeerraum gestoppt werden sollte.
https://libyareview.com/?p=2659

+ Die italienische Journalistin Vanessa Tomassini interviewte einen 25-jährigen Syrer, der in Tripolis an der Seite der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ gegen die LNA kämpft. Aus dem Gespräch wird klar, dass dies nicht sein Kampf und der seiner syrischen Kameraden ist. Es sei allein der Wunsch gewesen, die türkische Staatsbürgerschaft zu erhalten, der ihn nach Libyen brachte. Er hat Angst, dass es seine Verwandten in Syrien büßen müssten, sollte er sich aus dem Staub machen. Gegen die Milizen erhebt er schwere Vorwürfe, sie würden sich unwürdig benehmen: „Sie erniedrigen Menschen, sie beleidigen sie, sie belästigen Mädchen.“ Es sei sogar zu Vergewaltigungen gekommen.
Außerdem glaubt er, dass etliche der syrischen Söldner Träger des Coronavirus sind.
https://specialelibia.it/2020/05/13/parla-ali-il-siriano-che-combatte-in-libia-ai-turchi-non-interessa-di-noi-ma-temo-per-la-mia-famiglia-in-siria/