Aktuell. Libysche Stämme – Militärische Lage – UNO/Genf-Gespräche – LNA – Gefangene – International – Verschiedenes

Libysche Stämme

+ Würdenträger, Scheichs, Vertreter von Sozial- und Jugendverbänden des ad-Dschawazi-Stammes haben sich mit dem Oberkommandierenden der LNA, Khalifa Haftar, in seinem Hauptquartier getroffen und ihm ihre Unterstützung beim Kampf gegen den Terrorismus zugesagt.

+ In Murzuk trafen sich Stammesführer und Vertreter sozialer Verbände aus ganz Südlibyen. Initiiert hatte das Treffen Belgasim al-Abadsch, ehemaliger General der Gaddafi-Zeit mit großem Ansehen und Einfluss in Südlibyen, der in vorausgegangenen Konflikten als Friedensvermittler auftrat.
Das Treffen soll einen Neustart zwischen arabischen Stämmen und Tibu, den ehemaligen Kriegsparteien in Südlibyen, vermitteln.

+ Die Ölblockade durch die libyschen Stämme dauert bereits sieben Wochen. Die Einnahmeausfälle belaufen sich auf 2,2 Milliarden US-$. Sich von ausländischen Kräften nicht in die Knie zwingen zu lassen, betrachten die Stämme als eine Sache der Ehre.

Militärische Lage

+ Eine fünfköpfige Familie wurde in ihrem Auto bei einem Drohnenangriff der ‚Einheitsregierung‘ in ar-Rawajeh (Tripolis) getötet. Die UN und die internationale Gemeinschaft schweigen dazu.

+ Die ‚Einheitsregierung‘ hat Qasr bin Ghashir mit Grad-Raketen angegriffen. LNA-Sprecher Mismari: „Dutzende wahllos abgefeuerter Raketen zielen auf besiedelte Gebiete in Qasr bin Ghashir. „Terroristische Banden, die von Türken angeführt werden, terrorisieren Zivilisten in den Außenbezirken von Tripolis mit schwerem Beschuss, ausgeführt von verschiedenen Orten im Zentrum der Hauptstadt.“

+ Nach Raketenangriffen auf den Mitiga-Flughafen (Tripolis) durch die LNA wurde vorübergehend der Flugverkehr ausgesetzt. Bei 29 Angriffen wurde Beträchtliches an türkischer Militärausrüstung zerstört.
Es wurde auch das Flughafenhotel An-Nusoor beschossen, das als Unterkunft für türkische Offiziere diente. Es sollen bei dem Beschuss sieben türkische Militärs ums Leben gekommen und eine unbekannte Zahl verletzt worden sein.

+ Videos zeigen eine dritte innerhalb von 24 Stunden durch die LNA abgeschossene türkische Drohne.

+ In ganz Tripolis ist starkes Artilleriefeuer zu hören.

+ Es erfolgte ein LNA-Angriff auf eine Ansammlung türkischer Soldaten im Hafen von Tripolis.

+ Die LNA schickt verstärkt Truppen in Richtung Tripolis.

UNO – Genf-Gespräche

+ Die von den Vereinten Nationen geführten „Verhandlungen zur Schaffung eines neuen politischen und Regierungsrahmens für Libyen“ begannen am 26. Februar in Genf, wurden aber von der Hälfte der 50 eingeladenen Delegierten boykottiert. Dazu gehören Parlamentsabgeordnete, die loyal zur Übergangsregierung in Tobruk stehen, Angehörige des Staatsrats von Tripolis sowie fünf weitere Personen aus dem Osten Libyens.

[Tatsächlich wird bei diesen Verhandlungen nichts anderes versucht, als eine Neuauflage des 2015 geschlossenen Skhirat-Abkommens zu erzwingen. Das Skhirat-Abkommen wurde ebenso wenig vom Parlament anerkannt als der von der sogenannten ‚internationalen Gemeinschaft‘ eingesetzte Premierminister Sarradsch. Es fragt sich schon, was diese Farce soll.]

+ 5+0-Militärgespräche: Am 27. Februar begann eine neue Verhandlungsrunde der 5+5-Militärgespräche in Genf, allerdings ohne Teilnahme der Libyschen Nationalarmee. [D.h. die Militärvertreter der ‚Einheitsregierung‘ verhandeln jetzt mit sich selbst. Der neue Name sollte lauten: 5+0-Militärgespräche]

+ Der Sprecher des libyschen Parlaments, Abdullah Blayheg, bestätigte, dass das Parlament nicht an den Genfer Gesprächen teilnehme. Das Parlament hatte nach Wahlkreisen 13 Abgeordnete gewählt. Allerdings lehnte es der UN-Sonderbevollmächtige Salamé ab, diese zu akkreditieren. Blayheg: „Salamé und die UN-Mission für Libyen haben das libysche Volk erneut beleidigt, indem sie die Vertreter des demokratisch gewählten libyschen Parlaments abgelehnt und andere nach persönlichem Gutdünken auswählten.“ Stattdessen hat die „UN-Mission für Libyen Abgeordnete kontaktiert und nach Genf eingeladen, die nicht vom Parlament dafür bestimmt worden waren. Deshalb haben wir uns von den Genf-Gesprächen zurückgezogen.“
[Nicht zu vergessen, die UN trat mit dem Versprechen an, alle libyschen Parteien in die Gespräche miteinzubeziehen. Und nun weigerten sich aus guten Gründen mehr als fünfzig Prozent der Delegierten, in Genf teilzunehmen.]
Die Libyer sind wütend. Ein Tweed bringt die Stimmung zum Ausdruck: „Wenn Ghassan Salamé bestimmt, wer an den Gesprächen teilnimmt und wer nicht, kann man ihm nur zurufen: Komm herunter von deinem hohen Ross. Wir wissen alle, was du möchtest: Diese ‚Einheitsregierung‘ soll gegen das libysche Volk regieren. Diese Politiker und Salamé haben es darauf abgesehen, Libyen zu ruinieren!“

+ LibyaDesk bemerkt zu den Genf-Verhandlungen: „Es sei darauf hingewiesen, dass Gaddafisten, Berber, Tibu, Tuareg und die Stämme nicht entsprechend vertreten sind. Stattdessen sind ein Minister der ‚Einheitsregierung‘ und ein Sarradsch-Berater dabei. Die internationale Gemeinschaft muss erkennen, dass dies nicht mehr das Jahr 2014 ist und dass die Dynamik in Libyen eine völlig andere ist als damals. Etwas mit aller Macht durchzusetzen, Ausschlüsse und die Teilnahme unechter Repräsentanten zu erzwingen, funktionieren nicht mehr und heizen den Konflikt nur noch weiter an.
Der Berlin-Prozess ist eindeutig gescheitert, und der Versuch, einen Deal zu erzwingen, um einen Deal zu erzielen, ist Zeitverschwendung und beinhaltet das Risiko, dass die UN-Mission für Libyen auch noch den verbliebenen geringen Einfluss verliert.“

+ Bundesaußenminister Heiko Maas: „In Libyen müssen wir den von den Vereinten Nationen geführten politischen Prozess mit konkreten Maßnahmen unterstützen. Wir müssen das Waffenembargo effektiv überwachen und diejenigen öffentlich benennen, die dagegen verstoßen.“
Laut einem libyschen Beobachter war das Berlin-Abkommen von dem Moment an zum Scheitern verurteilt, als die ‚Einheitsregierung‘ der Türkei zugestand, das Berlin-Treffen zu dominieren, um es zusammen mit Salamé und Merkel zu kontrollieren.

Libysche Nationalarmee (LNA)

+ Der Sprecher der libyschen Nationalarmee, al-Mesmari, wirft den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ vor, in weniger als 24 Stunden 31 Verletzungen der Waffenruhe durch Angriffe mit schweren Waffen begangen zu haben. Sie hätten Kriegsverbrechen begangen, so zum Beispiel Wohnviertel mit schwerer Artillerie bombardiert. Mesmari warnte vor der weltweiten Ausbreitung des von Erdogan unterstützten Terrorismus.

Gefangene

+ Laut LNA sollen Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Gefangenschaft geratene Soldaten der LNA erschossen haben. Dies ist ein Kriegsverbrechen. Genannt wird Leutnant Maari Ibrahim, der letzten November in Gefangenschaft geriet und heute am Mitiga-Flughafen exekutiert wurde.

+ Der Gesundheitszustand des Sohnes von Muammar al-Gaddafi, Saadi Gaddafi, und Muammar al-Gaddafis Vertrauten, Abdullah Senussi, verschlechtert sich zusehends. Beide befinden sich in Gefangenschaft der Rada-Miliz von Tripolis. Wie LibyaDesk berichtet, wurden beide Gefangenen gefoltert und in einem bereits sehr schlechten Gesundheitszustand über mehrere Tage stundenlang verhört. Sie sollten sich gegen eine Unterstützung der LNA aussprechen. Ärztliche Behandlung wurde bisher verweigert.
Die Freilassung der Gefangenen wurde mehrmals gefordert. Ein Gericht in Tripolis hat schon vor Monaten die Freilassung von Saadi Gaddafi verfügt, ohne dass er tatsächlich auf freien Fuß gesetzt wurde.

International

+ Moussa Faki Mahamat von der Afrikanischen Union sagte, dass trotz der Berliner Konferenz der Krieg in Libyen weitergehe. Die Ankunft von ausländischen Söldnern gefährde nicht nur die Stabilität Libyens, sondern der gesamten Region.

+ Frankreich und Italien haben bei einem Gipfeltreffen in Neapel alle ausländischen Einmischungen und Verstöße gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen in Libyen nachdrücklich verurteilt. Ebenso sprachen sie sich gegen die Verwendung libyschen Vermögens für die Finanzierung von Militärgütern und Milizen aus.

+ Der US-Botschafter für Libyen sagte, er unterstütze die UN-Sondermission für Libyen und verurteile die jüngsten Angriffe der LNA auf den Mitiga-Flughafen in Tripolis.

+ Die Arabische Liga hat in einer Stellungnahme einen dauerhaften Waffenstillstand als Ergebnis der Militärgespräche in Genf gefordert. Die Diskussionen sollten beschleunigt werden, damit ein Übereinkommen für ein dauerndes und umfassendes Arrangement für die Einsetzung und Beobachtung der Waffenruhe getroffen werden kann.

+ Der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg, Mathias Platzeck, sagte in einem Interview mit Sputnik, dass die Entstehung von immer neuen Friedensinitiativen die Lösungsansätze für Libyen nur weiter erschweren werde.
https://sputniknews.com/analysis/202002271078420592-europe-requires-new-long-term-security-policy-if-us-leaves-nato—ex-brandenburg-leader/

+ Der Internationale Rat für Toleranz und Frieden (IPTP) veröffentlichte eine Erklärung, in der er die Besorgnis über die aktuelle Situation in Libyen zum Ausdruck bringt. Das Kommuniqué schließt mit dem weltweiten Aufruf an alle Menschen, sich für Toleranz und Frieden einzusetzen. Konflikte könnten nicht durch Waffengewalt, Mord und Zerstörung gelöst werden. Das freie libysche Volk müsse unterstützt werden, seine Territorien selbst zu kontrollieren und am Aufbau der Zukunft der libyschen Jugend zu arbeiten.
https://specialelibia.it/2020/02/27/consiglio-internazionale-per-la-tolleranza-e-la-pace-rifiuta-lintervento-turco-in-libia/

Verschiedenes

+ RT schreibt: „Laut US-Analysten eignet sich Libyen als Testfeld für US-Truppen, um sich auf die sogenannte ‚great-power competition‘ vorzubereiten.“ […] In dem Artikel wird auch noch einmal auf das Angebot des Innenministers der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, Fathi Bashagha, an die USA eingegangen, der sagte: „Wenn die USA um einen Stützpunkt bitten würden, hätten wir als libysche Regierung nichts dagegen – zur Bekämpfung des Terrorismus, des organisierten Verbrechens und um ausländische Einmischungen abzuwehren. Ein amerikanischer Stützpunkt führe zu Stabilität“.
RT weiter: „Diese Offerte erreichte das Pentagon just zu einer Zeit, in der US-Verteidigungsminister Mark Esper mit dem Gedanken spielt, die US-Truppen in Afrika, wenn nicht zu reduzieren, dann strategisch neu auszurichten, um dem wachsenden Einfluss Chinas und Russlands die Stirn zu bieten. […] Währenddessen wird das nordafrikanische Land mit immer neuen, hochmodernen Präzisionswaffensystemen geflutet. Auch die UN warnte in einem aktuellen Bericht vor der Verbreitung von Hightech-Waffen in Libyen. Diese Entwicklung macht Libyen für das Pentagon laut den Military Times zum idealen Experimentierfeld, um sich besser auf zukünftige Konflikte mit China und Russland vorzubereiten.
Auch laut dem United States Special Operations Command (USSOCOM) sei Afrika ein Gebiet, in dem die amerikanischen Kommandos konkurrieren und sich entfalten können. Diese Einschätzung steht im Zusammenhang mit jüngsten Aussagen von US-Militärkommandeuren und Mitgliedern des US-Kongresses wonach SOCOM aktuell nicht für militärische Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Mächten in der Region und darüber hinaus gerüstet sei.“
Und: „Ähnlich wie in der Ukraine seien auch auf dem libyschen Schlachtfeld längst moderne Luftverteidigungssysteme, elektronische Kriegsführung, Störsender, hoch entwickelte Drohnen und Präzisionstechnik die Norm. […] Laut US-Fachportalen biete der sich rasch transformierende Krieg in Libyen den US-Streitkräften ein experimentelles Operationsgebiet für zukünftige Konflikte mit aufstrebenden Mächten. Insbesondere in Regionen die bislang von extremistischen Gruppen dominiert wurden und in denen weniger intensive Konflikte unter Technikeinsatz stattfanden, sei dies der Fall. Längst würden Söldner und Extremisten Kriegsgerät verwenden, das einst nur von staatlichen Akteuren eingesetzt wurde.
So hätte bereits chinesische Technologie ihren Weg auf das libysche Schlachtfeld gefunden. […] Die libysche Nationalarmee habe aktuell im Drohnenkrieg die Überhand. Sie ist vermeintlich mit der chinesischen Drohne (Wing Long II) ausgestattet, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten geliefert wurde. Dank Satellitenverbindung besitzt diese eine Reichweite von 2.000 km und ist Berichten zufolge mit den in China hergestellten Blue Arrow 7-Präzisionsraketen bewaffnet. Mit der satellitengestützten Drohne könne demzufolge ganz Libyen abgedeckt werden.
Laut UN besäßen Hafters Truppen daher einen „bedeutenden taktischen Vorteil“ gegenüber der türkischen Bayraktar-TB2-Drohne die von der Regierung in Tripolis eingesetzt wird. Die TB2-Drohne besitzt demnach nur eine begrenzte Reichweite von 200 Kilometer und einer Nutzlast von lediglich 55 Kilogramm. […]
In Libyen hingegen werden Militärfahrzeuge des Typs Kirpi eingesetzt, die in der Türkei produziert wurden, minensicher und gegen Hinterhalte geschützt sind. Auch die amerikanische Caiman MRAP und die in Jordanien hergestellten Schützenpanzer al-Mared 8×8 bestimmen das Bild.
https://deutsch.rt.com/international/98488-kampf-gegen-china-und-russland/

+ Der russische Turkologe und Kenner der Region Stanislaw Tarasow sagte in einem Interview mit RT: „Moskau hat auf Bitten der Türkei die Fristen für die Trennung zwischen den gemäßigten und radikalen Islamisten [in Idlib] verschoben. Dann hat Ankara angefangen die radikalen Kämpfer nach Libyen zu entsenden.“ Erdogans Plan sei nicht aufgegangen und so verliere er sowohl in Syrien als auch in Libyen. Die dschihadistischen Kämpfer könnten zum Problem für Erdogan werden, wenn sie sich von ihm verraten fühlten. Auch die arabischen Staaten seien nicht begeistert von der türkischen Einmischung in gleich drei arabischen Ländern (Syrien, Irak und Libyen).
https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/98452-experte-erdogan-ist-in-klemme-das-russlands-syrien-szenario-libyen-ist-nicht-aufgegangen

+ Die Münchner Abendzeitung berichtet über weibliche Jungrinder, die unter falscher Etikettierung von Bayern über Slowenien nach Tripolis exportiert werden. Da seit 2019 ein Lebendtiertransportverbot in sogenannte Risikostaaten besteht, wurden weibliche Kälber als Zuchttiere nach Slowenien transportiert und dort zu Schlachtvieh umdeklariert. Ohne vorgeschriebene Futter- und Wasserversorgung wurden die Tiere quer durch Europa bis nach Spanien und von dort mit einem Frachter nach Tripolis verschifft. Politiker fordern, dieses Tierleid endlich zu stoppen.