Die USA und Großbritannien versuchen, eine Präsidentschaftskandidatur von Saif al-Islam Gaddafi zu verhindern. Als Lösung zur Durchführung eines freien und fairen Wahlprozesses könnte sich die unabhängige Institution The Carter Center anbieten.
Seit dem sich Saif al-Islam Gaddafi im letzten Jahr im Süden Libyens der Presse stellte, um seine Kandidatur für das Präsidentschaftsamt zu bekräftigen, befinden sich seine Rivalen, worunter sich auch Warlords und Milizenführer befinden, in heller Aufregung, denn es erwuchs ihnen eine unbezwingbare Konkurrenz.
Nicht nur die innerlibyschen Rivalen, sondern auch deren ausländische Unterstützer verfielen in Panik und zwar so sehr, dass sie, als es ihnen nicht gelang, Saif al-Islam Gaddafi als Präsidentschaftskandidat von den für den 24. Dezember 2021 vorgesehen Wahlen auszuschließen, diese kurzfristig durch die libysche Wahlkommission absagen ließen.
Nun sind für das Jahr 2023 wieder Wahlen im Gespräch. Und so wie es aussieht, ist es durch die Einflussnahme insbesondere der USA und Großbritanniens und ihrer Helfershelfer vor Ort gelungen, Saif al-Islam Gaddafi durch die Hohe Nationale Wahlkommission von der Kandidatenliste zu streichen. Damit wird der libyschen Bevölkerung jede Hoffnung auf faire Wahlen genommen.
Auf den Ausschluss von Saif al-Islam Gaddafi hatten sich aufgrund internationalen Drucks der Vorsitzende des Parlaments, Aguila Saleh, und dessen politischer Gegenspieler, der Vorsitzende des von der Moslembruderschaft beherrschten Hohen Staatsrats, geeinigt, und diese Entscheidung wurde von der Hohen Wahlkommission übernommen. Wobei durch Wahlen beiden politischen Gremien, dem Parlament (Repräsentantenhaus) und dem Hohen Staatsrat ebenso wie der ‚Regierung‘ in Tripolis, geführt von Abdelhamid Dabaiba, das Aus zumindest in der jetzigen Form sicher wäre und deshalb generell kein besonders großes Interesse an der Abhaltung von Wahlen besteht.
Das Ausland drängt auf Wahlen – zu ihren Bedingungen
Allerdings drängen heute ausländische Akteure auf Wahlen. Anfang Januar erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, dass die USA „regelmäßig mit der libyschen Führung kommuniziert, um die Notwendigkeit politischer Einheit und einer Einigung auf einen Weg zur Durchführung von Wahlen ohne weitere Verzögerung zu betonen“.[i] Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Situation in dem bis zum Nato-Krieg 2011 blühenden und reichen Libyen für deren Bewohner dermaßen prekär geworden ist, dass die Geduld der Libyer bald erschöpft sein dürfte. Mindestens genauso drängend dürften der durch den Ukraine-Krieg hervorgerufene Mangel an Erdöl und Erdgas in Europa sein, dem mit einem sicheren Zugang zu libyschen Ressourcen Abhilfe geschaffen werden könnte, sowie die Unterbindung der Migrantenströme aus afrikanischen Ländern nach Europa. Eine handlungsfähige libysche Regierung wäre also für die westlichen Staaten äußerst wünschenswert, allerdings nur insoweit, als sich diese keinem ihrer Wünschen verweigert, sondern als westliche Marionettenregierung fungiert, so wie es die sich an die Macht klammernde Regierung in Tripolis unter dem vom Westen installierten ‚Premierminister‘ Dabaiba bisher mit Unterstützung der Türkei und Milizen brav tut.
Um unter diesen Umständen eine aussichtsreiche Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi zu verhindern, der als Garant für ein souveränes und unabhängiges, der Aussöhnung zwischen den verschiedenen politischen Lagern verpflichteten Libyens steht, reiste ein US-amerikanisches Spezialteam in Tripolis an, um die bei der Hohen Wahlkommission von Saif al-Islam hinterlegten Dokumente einzusehen. Es sollte herausgefunden werden, wie es am besten zu bewerkstelligen ist, seiner Kandidatur Steine in den Weg zu legen. Bereits im Mai 2022 hatte der US-amerikanische Botschafter in Libyen, Norland, die Kandidatur von Saif al-Islam als „eine Bombe, die in einem geschlossenen Raum explodiert“[ii] bezeichnet. Allerdings musste bereits der ehemalige US-Botschafter in Libyen, William Roebuck, eingestehen, dass laut des Urteils eines libyschen Gerichts aus dem Jahre 2021 Saif al-Islam Gaddafi zur Präsidentschaftskandidatur berechtigt ist.[iii] Ein Gericht in Tripolis hatte Saif im Jahr 2015 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, im März 2021 hatte der Oberste Gerichtshof Libyens das gegen Saif al-Islam verhängte Todesurteil wieder aufgehoben. Die Entscheidung, ob Saif al-Islam kandidieren kann oder nicht, obliegt den nationalen Gerichten und der Wahlkommission.
Der internationale Druck auf die Hohe Nationale Wahlkommission, die alles andere als neutral ist und bei deren Besetzung der von der Moslembruderschaft beherrschte Hohe Staatsrat ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat, zwang diese, die Kandidatur von Saif al-Islam Gaddafi abzulehnen. Doch nicht nur die USA und Großbritannien bemühen sich, über die von ihnen installierten, politisch Verantwortlichen ihre Mitsprache zu sichern, auch die Europäer versuchen sich in Wahlbeeinflussung. So trafen am 31. Januar der Leiter der Hohen Nationalen Wahlkommission Libyens, Emad as-Sayeh, mit dem Direktor der Abteilung Nordafrika und Naher Osten des französischen Außenministeriums und dem französischen Botschafter in Libyen, Mostafa Mihraje, zusammen, um „die Schwierigkeiten zu erörtern, denen sich der ins Stocken geratene Wahlprozess in Libyen gegenüber sieht“.[iv]
Rechtliche Schritte gegen die USA und Großbrianniens angedroht
Der Anwalt von Saif al-Islam, Khaled az-Zaidi, wird nun um die Einberufung einer Parlamentssitzung bitten, bei der er Dokumente vorlegen und konkrete Fakten benennen will, die die US-amerikanisch-britische Einmischung in die Wahlen beweisen, mit dem Ziel, Saif al-Islam als Präsidentschaftskandidaten von der Wahlliste zu streichen. Daneben droht az-Zaidi der US-amerikanischen und britischen Botschaft in Libyen wegen ihrer Einmischung in den Wahlprozess mit rechtlichen Schritten.[v]
Sollten bei freien und demokratischen Wahlen nicht der Wille und die Wünsche des libyschen Volkes Ausdruck finden, anstatt dass einer Agenda der CIA und ihrer Verbündeten zum Sieg verholfen wird? Es würde mit dem Ausschluss von Saif al-Islam eine Entmündigung der libyschen Wähler erfolgen und deren Wunsch missachtet, freiheitlich und selbstbestimmt über das Schicksal Libyens zu entscheiden.
Wahlbeobachtung durch The Carter Center anstatt CIA-Agenda
Denkbar wäre, dass die libyschen Wahlen und ihre Vorbereitung von einer wirklich unabhängigen Institution begleitet werden. Dafür würde sich The Carter Center[vi] anbieten, eine 1982 vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und seiner Ehefrau Rosalynn Carter gegründete Organisation, die sich die Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten auf die Fahnen schrieb und die zu ihren Aufgaben eine objektive internationale Wahlbeobachtung zählt. The Carter Center wurde schon 2004 in Venezuela bei einem Referendum zum Verbleib von Hugo Chávez im Präsidentenamt tätig, und auch im Mai 2005 bei allgemeinen Wahlen in Äthiopien.
The Carter Center, das sich der Stärkung nationaler, regionaler und internationaler Systeme, die der Demokratie und den Menschenrechten dienen, verpflichtet sieht, fände in Libyen ein breites Betätigungsfeld. Denn was Libyen vor allem braucht, ist ein ehrlicher Wettbewerb unter fairer internationaler Aufsicht, um das nicht nur für die Libyer so bedrohliche Chaos endlich zu beenden.
[i] https://libyareview.com/31474/us-ambassador-clear-electoral-roadmap-will-ensure-libyas-stability/
[ii] https://twitter.com/SaifFuture/status/1620412089520250880
[iii] https://twitter.com/SaifFuture/status/1620411751576764421
[iv] https://libyareview.com/31483/libya-france-discuss-electoral-challenges/
[v] https://twitter.com/SaifFuture/status/1619755553164763138
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