In eigener Sache: Urlaubsbedingt kann es in den nächsten Wochen zu einer eingeschränkten Libyen-Berichterstattung kommen.

Tote und Verletzte bei Milizenkämpfen / Royal Navi in Tripolis – Sidiq al-Kebir (CBL) mit an Bord / UN-Vollversammlung: Schwere Vorwürfe des Globalen Südens gegen den Globalen Norden

+ 02.10.: „Am 2. Oktober 1986 veröffentlichte die Washington Post eine außergewöhnliche Geschichte, die von dem legendären Journalisten Bob Woodward geschrieben wurde: >Gaddafi Ziel eines geheimen US-Desinformationsplans<. Auf Anweisung des Weißen Hauses verbreitete der US-Geheimdienst falsche Informationen in den US-Medien. Infolge dieses Skandals setzte sich das Wort >Desinformation< in der englischen Sprache durch.“
Nur wenige Tage später: „Bernard Kalb trat heute (08. Oktober 1986) als Hauptsprecher von Außenminister George P. Shultz aus Protest gegen das Desinformationsprogramm der Regierung gegen den libyschen Führer Muammar Gaddafi zurück. (…) Er sagte, er habe die Wahl, im Ministerium zu bleiben und eine Dulderhaltung einzunehmen oder aus Protest zurückzutreten. (LA Times)“
https://inteltoday.org/2022/10/02/on-this-day-gaddafi-target-of-u-s-disinformation-october-2-1986-bob-woodward-disinformation-goes-mainstream/

+ 26.09.: Milizenkämpfe. Bei den Milizenkämpfen vom Sonntag in az-Zawiya, westlich von Tripolis, wurden ein Kind getötet und fünf weitere verletzt. Insgesamt soll es fünf Tote und 13 Verletzte gegeben haben. Die Kämpfe fanden am 26.09. eine Fortsetzung. Hilfskräfte konnten nicht zur Zivilbevölkerung durchkommen.
Der Einsatz schwerer Artillerie in Wohngebieten wird verurteilt.
https://libyareview.com/27404/child-killed-as-armed-groups-clash-in-west-libya/

+ 28.09.: Großbritannien. Im Hafen von Tripolis (Abu-Sita-Militärbasis) legte das zur britischen Kriegsmarine gehörige Schiff HMS Albion an. Es ist der erste Besuch der Royal Navy in Libyen seit acht Jahren. Abends fand an Bord ein geselliges Zusammensein mit Botschaftern und einigen libyschen Politikern u.a. ‚Außenministerin‘ Mangusch statt. Mitglieder der libyschen Marine erhielten an Bord auch eine Ausbildung durch die Briten.
https://www.libyaherald.com/2022/09/british-royal-navy-ship-hms-albion-docks-in-tripoli-a-first-in-eight-years/
Großbritannien setzt seine Duftmarken in Libyen. Es besteht auf seinem vermeintlichen Recht an der Sirte/des Ghadames-Gasbeckens, da BP in den fünfziger Jahren zur Entdeckung dieser Felder beigetragen hat und als Gaddafi den Ölsektor verstaatlichte eine finanzielle Entschädigung erhielt. 2007 verlängerte Gaddafi die Verträge mit BP im Gegenzug für eine Einigung im Lockerbie-Fall.

+ 28.09.: Großbritannien. An Bord der britischen HMS Albion erschien auch der Chef der Libyschen Zentralbank (CBL), Siddiq al-Kebir, begleitet wurde er vom stellvertretenden Vorsitzenden des Präsidialrats, Musa al-Koni. Al-Kebir war bereits 2014 vom libyschen Parlament wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten von seinem Posten als Chef der CBL vom Parlament enthoben worden, weigert sich aber bis heute, seinen Posten aufzugeben. Die Frage stellt sich nun, was al-Kebir, der bekanntermaßen die Moslembruderschaft und die Türkei unterstützt, auf dem britischen Kriegsschiff zu suchen hatte.
https://libyareview.com/27520/why-was-libyas-central-bank-governor-on-a-british-navy-ship/

+ 29.09.: Libysche Stämme. Die Föderation der libyschen Stämme gab eine Erklärung zum Ankern des britischen Kriegsschiffes an der libyschen Küste ab: Die Begrüßung der Ankunft des britischen Kriegsschiffes durch prominente libysche Politiker zeige ohne jeden Zweifel, dass die durch den internationalen Willen auferlegten politischen Machthaber in Libyen Werkzeuge in den Händen ausländischer Geheimdienste sind. Das libysche Volk, vertreten durch seine Stämme, die sich dem Kolonisator, seinen Streitkräften und Regeln widersetzten und sich ihm entzogen, weigern sich, dass die Heimat beleidigt wird, ihre Souveränität kompromittiert und die Würde seiner Bürger aufgegeben. Das libysche Volk erklärt durch seine Stämme seine Ablehnung dieser Absurdität, warnt vor seiner Fortsetzung und bekräftigt seine Bereitschaft zum Kampf angesichts des Kolonisators und seiner Werkzeuge.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1575978253248253952/photo/1

+ 29.09.: Türkische Besatzung. Libysche und türkische Seestreitkräfte führten gemeinsame Militärübungen im Mittelmeer durch.
https://libyareview.com/27542/libyan-turkish-naval-forces-carry-out-joint-military-drills/
Ein weiterer Tiefpunkt: Kollaboration mit den Besatzern.

+ 30.09.: LNA/Dschuwaili. Dass sich das Bündnis zwischen LNAFeldmarschall Haftar und al-Dschuwaili, dem General aus Zinten, verstärkt, wird durch einen Auftritt Haftars in der südlibyschen Stadt Brak asch-Schati während Rundreise bestätigt. LibyaDesk sieht darin einen Hinweis, dass eine erneute militärische Aktion starten könnte.
Aus: LibyaDesk, Weekly Political Risk Dossier, Issue #34-22

+ 28.09.: Folter/Mord. Nach Angaben der Weltorganisation gegen Folter (OMCT) haben libysche Strafverfolgungsbeamte und Milizen zwischen Januar 2020 und März 2022 mindestens 581 Zivilisten, sowohl Staatsangehörige als auch Migranten, getötet, darunter auch Menschen, die in Haftanstalten hingerichtet oder zu Tode gefoltert wurden. Diese Fälle stellten nur die Spitze des Eisbergs dar. „Außergerichtliche Tötungen von wehrlosen Zivilisten, oft begleitet von entsetzlicher Folter, sind in Libyen inzwischen an der Tagesordnung.“
https://libyareview.com/27496/report-hundreds-tortured-to-death-in-libya/

+ 26.09.: Emad Trabelsi. Die Nationale Kommission für Menschenrechte in Libyen (NCHRL), verurteilte die Ernennung von Emad Trabelsi zum Untergeneralsekretär des Innenministeriums in der Dabaiba-Regierung, da Trabelsi „einer der prominentesten Verletzer der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Libyen“ sei.
https://libyareview.com/27445/nchrl-denounces-appointment-of-human-rights-abuser-in-libyan-government/

+ 26.09.: 77. UN-Vollversammlung. Der Interimspremierminister von Mali, Abdoulaye Maïga, verurteilte die französische Intervention in Libyen 2011. Er erinnerte an die erzwungene Teilnahme Tausender Afrikaner am Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie an die jüngsten Interventionen Frankreichs. Er warf Paris vor, in jüngster Zeit wiederholt den malischen Luftraum verletzt und terroristischen Gruppen Informationen und Waffen geliefert zu haben und beantragte eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates.
Der Außenminister von
Venezuela, Carlos Faría Tortosa, berichtete über die Versuche, sein Land zu destabilisieren, und nahm Bezug zu den unnötigem Blutvergießen im Irak, auf Haiti, im Jemen, in Somalia, Libyen und Syrien. Der globale Norden müsse erkennen, „dass das unipolare, kolonialistische System nicht in der Lage ist, angemessen auf die Probleme und Nöte zu reagieren, die sie selbst geschaffen haben.“
Der Außenminister von
Russland, Sergej Lawrow, verurteilte in seiner Rede die „Angriffskriege der Vereinigten Staaten im ehemaligen Jugoslawien, im Irak und in Libyen, die viele Hunderttausende von Menschenleben gefordert haben.“ Washington versuche, die ganze Welt in seinen eigenen Hinterhof zu verwandeln“.
https://libyareview.com/27429/malian-pm-criticizes-frances-intervention-in-libya/

+ 30.09.: UN-Sicherheitsrat. Der UN-Sicherheitsrat verlängerte die Ermächtigungen, die den Mitgliedstaaten ermöglichen, verdächtige Schiffe, zu inspizieren, um Waffenschmuggel nach Libyen zu unterbinden.
https://libyareview.com/27539/un-authorises-inspection-of-vessels-off-libyan-coast/
Was für eine Farce, nachdem die Türkei ständig mit militärischen Frachtmaschinen auf die von ihr besetzten Militärstützpunkte einfliegt, ebenso wie sich Italien und andere Staaten militärisch in Libyen tummeln.

+ 25.09.: Erdgasleitung. Öl- und Gasminister Mohamed Aoun stellte eine Studie vor, nach der die geplante nigerianische Gaspipeline nach Europa, die durch Algerien verlaufen soll, stattdessen durch Libyen geführt werden könnte.
https://www.libyaherald.com/2022/09/libyas-oil-ministry-counter-proposes-that-nigeria-europe-gas-pipeline-run-through-libya/
Diese Gaspipeline ist Zukunftsmusik. Sie durch einen failed-state wie Libyen zu verlaufen zu lassen, erscheint mehr als unwahrscheinlich.

+ 26.09.: Yusuf al-Qaradawi. Der Ägypter Yusuf al-Qaradawi, ein als Unterstützer des islamistischen Terrorismus angesehener, muslimischer Fernsehprediger, der am 21. Februar 2011 auf al-Jazeera eine Fatwa gegen Muammar al-Gaddafi verhängte und zu seiner Ermordung aufrief, ist tot. Zuletzt lebte al-Qaradawi in Katar.
https://twitter.com/alsaaa24/status/1574350829376659461

+ 28.09. Volkskongress. In Bani Walid fand die erste Sitzung des Volkskongresses von Bani Walid statt. Das Thema ist die Befreiung von der Abhängigkeit von den im Parlament vertretenen Parteien.
Video:
https://twitter.com/SaifFuture/status/1575158539026255891

+ 28.09.: Politische Gefangene. Nachdem der Libyer Nader ad-Darsi an mehreren Demonstrationen, bei denen die Abhaltung von Wahlen gefordert wurde, teilgenommen hat, wurde er am 23.09. in al-Baida vor einem Café von bewaffneten und maskierten Männern entführt. Sein Schicksal und sein Aufenthaltsort sind immer noch unbekannt.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1575159915857203200


Aus anderen Ländern

+ Burkina Faso: „In Burkina Faso hat es nur acht Monate nach dem letzten Staatsstreich erneut einen Militärputsch gegeben. Präsident Damiba wurde abgesetzt. Zuletzt hatte die schlechte Sicherheitslage den Druck auf die Übergangsregierung erhöht. […] An der Spitze Burkina Fasos stehe nun Hauptmann Ibrahima Traoré von den burkinischen Streitkräften, hieß es weiter. Das Übergangsparlament ist den Angaben zufolge aufgelöst und die Verfassung ausgesetzt worden. Die Grenzen Burkinas wurden demnach vorerst geschlossen. […] Auch lang anhaltende Dürren und Hungerkrisen machen dem trotz reicher Goldvorkommen verarmten Land zu schaffen.“
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/putsch-burkina-faso-101.html

+ Burkina Faso.Burkina Faso: Angriff auf französische Botschaft. In Burkina Faso haben Demonstranten die französische Botschaft angegriffen. Zuvor hatte der neue Machthaber Frankreich beschuldigt, dem gestürzten Präsidenten Unterschlupf zu gewähren. Frankreich stritt das ab. […] Videoaufnahmen in den sozialen Medien zeigten Einwohner mit Fackeln vor dem Gebäude. Andere Bilder zeigten, dass Teile der Residenz in Flammen standen.
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/putsch-burkina-faso-103.html
+ Jemen. „Lässt der Westen Jemen fallen, um Wirtschaftskrieg gegen Russland zu führen? Im angespannten Klima durch die Folgen des anhaltenden Konflikts zwischen der NATO und Russland um die Ukraine könnte Frankreich alle Aussichten auf Frieden im Jemen zunichtemachen, um sich Energieressourcen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu sichern. Der Jemen gilt nach Einschätzung der Vereinten Nationen als der Ort der schlimmsten humanitären Krise in der modernen Geschichte. […] Nach Schätzungen der UN belief sich die Gesamtzahl der im Krieg im Jemen getöteten Menschen Anfang 2022 bereits auf 377.000. Die Zahl der getöteten Zivilisten soll sich nach Angaben des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) seit dem umstrittenen Abzug von UN-Menschenrechtsbeobachtern verdoppelt haben. […] Obwohl die Rolle Frankreichs in der westlichen Öffentlichkeit kaum bekannt ist, ist Paris der drittgrößte Waffenlieferant für die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, die diese Waffen für ihre Kriegsanstrengungen im Jemen benötigen, und folgt direkt hinter den USA und Großbritannien. Tatsächlich haben auch Deutschland, Spanien und Italien Waffen an den Golf verkauft, die in diesem verheerenden Krieg auch eingesetzt wurden. […] Das vielleicht größte Problem ist jedoch nicht nur, dass der Jemen ein rohstoffreiches Land mit einer hungernden Bevölkerung ist, das von fremden Mächten auseinandergerissen wird, sondern auch, dass niemand im Westen weiß, woran ihre jeweiligen Regierungen beteiligt sind.“
https://pressefreiheit.rtde.tech/international/149514-westen-ist-bereit-jemen-fallen-zu-lassen/

+ Saudi-Arabien/Deutschland. „Nach Scholz-Besuch in Saudi-Arabien: Waffen für den Kronprinzen. [… ] Die „wertebasierte Außenpolitik“ ist flexibel: Während in Deutschland eine hochemotionale Debatte um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine tobt, in der die Skeptiker gerne als herzlos und amoralisch dargestellt werden, hat die Ampel-Regierung ganz nebenbei trotz eines weitgehenden Exportstopps grünes Licht für die Lieferung von Ausrüstung und Munition für Kampfflugzeuge an Saudi-Arabien gegeben. “
https://www.heise.de/tp/features/Nach-Scholz-Besuch-in-Saudi-Arabien-Waffen-fuer-den-Kronprinzen-7280806.html?wt_mc=nl.red.telepolis.telepolis-nl.2022-09-30.link.link

+ Syrien. „Tatsächlich braucht der Libanon keine Hilfe und auch keine Kredite, das Land braucht eine souveräne wirtschaftliche Perspektive ohne Einmischung, bei der es sich seine Partner für die Wirtschafts- und Entwicklungspolitik selber wählt. In den letzten Jahren hatte der Libanon Angebote aus China, Russland und Iran, die von den jeweiligen libanesischen Regierungen aus Angst vor angedrohten US-Sanktionen abgelehnt wurden. Der Verfall der libanesischen Lira ist Ergebnis einer falschen und korrupten Finanzpolitik der libanesischen Zentralbank, die Jahrzehnte von der Weltbank, der EU und den USA unterstützt worden war. Die libanesische Finanzkrise seit Herbst 2019 ist aber auch Folge des US-amerikanischen >Caesar Gesetzes zum Schutz der syrischen Bevölkerung<, das erst die syrische Lira, dann das libanesische Pfund abstürzen ließ. Das Gesetz sieht vor, dass Syrien und jeder, der mit Syrien Handel treibt mit US-Sanktionen bestraft werden kann. Syrien ist der wichtigste Handelspartner des Libanon.“
https://globalbridge.ch/und-wer-kuemmert-sich-um-die-katastrophe-im-libanon/

+ Palästina. „Im Westjordanland hat es erneut eine Razzia der israelischen Armee gegeben – Ziel war das Haus eines mutmaßlichen Attentäters. Dabei kam es zu Schusswechseln, bei denen mehrere Palästinenser getötet und zahlreiche verletzt wurden. […] Das palästinensische Gesundheitsministerium sprach von vier getöteten Palästinensern und mehr als 40 Verletzten.“
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-jenin-razzia-101.html

+ Afghanistan. „Medien-Blackout: Wie die USA eine humanitäre Katastrophe in Afghanistan herstellen. […] Kein Grund zur Empörung: Die US-Regierung klaut den hungernden Afghan:innen Milliarden. US-Regierung hat sieben Milliarden Dollar der afghanischen Zentralbank eingefroren, während Afghan:innen verhungern. Die Medien reagieren mit Wegschauen und gezielten Halbwahrheiten.“
https://www.heise.de/tp/features/Medien-Blackout-Wie-die-USA-eine-humanitaere-Katastrophe-in-Afghanistan-herstellen-7275767.html?wt_mc=nl.red.telepolis.telepolis-nl.2022-09-30.link.link

+ Afrika. „Afrika verurteilt Einmischung von Blinken und Biden“
Video: https://www.youtube.com/watch?v=mzQvxzMdm1Y

+ wöchentlicher Nachrichtenüberblick von VoltaireNet:
https://www.voltairenet.org/IMG/pdf/20220930_voltaire_8_de_.pdf