Mit dem Global Fragility Act (Gesetz zur globalen Fragilität) wird ein neues Kapitel der alten imperialen Politik Washingtons zur Unterdrückung schwacher Staaten aufgeschlagen. Das Pilotprojekt soll in Haiti starten, dann sollen afrikanische Länder – allen voran Libyen – die US-amerikanische „Führungsrolle“ zu spüren bekommen.

Der GFA wurde bereits am 20. Dezember 2019 mit der Zustimmung aller US-Parteien vom damaligen US-Präsidenten Präsident Donald Trump in Kraft gesetzt. Die jetzige Biden-Regierung sieht in dem Gesetz zu „Beginn eines entscheidenden Jahrzehnts“ ein probates Mittel zur „Förderung der nationalen Interessen Amerikas auf der Weltbühne“ und zur „Stärkung für Frieden und Stabilität in der Welt“, einer Welt, der sich die USA als vertrauenswürdiger Partner“ anbieten – ausgerechnet die USA!

Und so stellen sich die USA den Schwerpunkt ihres Wirkens mittels des FGA in „konfliktbetroffenen Gebieten“ vor: Es sollen die Beziehungen zur „lokalen Zivilgesellschaft“ aufgebaut werden, um damit sicherzustellen, dass die USA „eine wirksame Führungsrolle übernehmen“ kann, mit dem Ziel, „Extremismus und gewaltsame Konflikte“ zu verhindern. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die USA versuchen, mit dem Global Fragility Act und der Hilfe von NGOs ihre globale Hegemonie aufrechtzuerhalten und ehemalige und neu entstandene Kolonien zu beherrschen.

Das Pilotprojekt soll in Haiti starten und anschließend auf Libyen, Mosambik, Papua-Neuguinea sowie auf die westafrikanischen Länder Benin, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea und Togo ausgeweitet werden.

Militärisches Eingreifen eingeschlossen

Das US-Verteidigungsministerium soll bei der Umsetzung der Globalen Fragilitätsstrategie eine „eine breite Palette von Sicherheitsunterstützungsmaßnahmen“ bereitstellen und den USA damit ermöglichen, „militärische Ziele mit und durch ihre Partner in fragilen Staaten erfolgreich umzusetzen“ – so die Alliance for Peace Building, eine NGO, die sich für die Verabschiedung des GFA einsetzte. Die benötigten Gelder werden von USAID (United States Agency for International Development) und dem US-Außenministerium verwaltet. Patrick Quirk vom International Republican Institute (IRI) der National Endowment for Democracy (NED) beschreibt die GFA als „integralen Bestandteil der Strategie der Biden-Administration für eine globale demokratische Erneuerung“, um die „geopolitische und wirtschaftliche Position der Vereinigten Staaten“ zu erhalten“, „kurzfristige Interessen zu sichern“ und „mit seinen geopolitischen Rivalen zu konkurrieren“.

Bilateralismus statt Multilateralismus

Da die USA ihre außenpolitischen Ziele mit Hilfe der Vereinten Nationen, wo Russland und China immer intensiver ihr Vetorecht nutzen, und des Bretton-Woods-Systems, das den US-Dollar als Ankerwährung einsetzte, immer weniger durchsetzen können, soll nun die Globale Fragilitätsstrategie zum Einsatz kommen.

US-Außenminister Antony Blinken sieht als gefährlichsten Gegner China, über das er sagte, es sei „das einzige Land, das über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, um das stabile und offene internationale System ernsthaft in Frage zu stellen – all die Regeln, Werte und Beziehungen, die dafür sorgen, dass die Welt so funktioniert, wie wir es uns wünschen.“ Und wie wünschen sich die USA, dass die Welt funktionieren möge? Nicht nur militärisch und wirtschaftlich kontrollierbar durch die USA, sondern auch mit günstigem Zugang der multinationalen Konzerne zu den Rohstoffen dieser Welt. Dies bestätigte US-Finanzministerin Janet Yellen, als sie sagte: „Wir können nicht zulassen, dass Länder wie China ihre Marktposition bei wichtigen Rohstoffen, Technologien oder Produkten nutzen, um unsere Wirtschaft zu stören und sie als ein unerwünschtes geopolitisches Druckmittel einsetzen“. Geopolitische Druckmittel sollen allein den USA zur Verfügung stehen.

Indem die USA mit Hilfe des Global Fragility Act „fragilen Staaten“ bilaterale Beziehungen aufzwingen, sichern sie sich den Zugang zu wichtigen Rohstoffen und verhindern, dass Russland oder China ihren Einfluss ausweiten.

Haiti – das Pilotprojekt

Laut Elizabeth Hume (Alliance for Peace Building) ist Haiti der erste Schritt. Und wenn alles gut geht, „wird irgendwann jedes Land, jeder konfliktbetroffene und fragile Staat ein GFA-Land sein“. Und wenn ein Land noch keine Konflikte hat, dann werden die USA schon dafür sorgen, dass es diese bekommt. Erinnert sei hier nur an das Beispiel Libyen, ein rohstoffreicher, prosperierender Staat, der 2011 zunächst von den USA, Großbritannien und Frankreich, später von der Nato, in einen failed state gebombt wurde und seitdem mit aller Macht in diesem Zustand gehalten wird.

Haiti bietet sich als Pilotprojekt an, weil die Biden-Regierung die US-Hegemonie dort aufrechterhalten will und weil es laut Keith Mines (United States Institute for Peace) den Inbegriff von Fragilität mit einer „erschütternder Leere der Regierungsführung“ darstellt. Tatsächlich sind für diesen Zustand Haitis in erster Linie die USA verantwortlich, die sich jetzt als Retter mit einem GFA-10-Jahres-Plan anbieten, der mit „diplomatischen, entwicklungspolitischen und militärischen Bemühungen“ einen „dauerhaften und widerstandsfähigen Frieden“ zum Ziel hat. Zuerst werden Länder zerstört, um sich dann als deren „Retter“ anzubieten zum Preis der Unterwerfung. Im Falle Haitis befürchtet Travis Ross, dass eine willfährige Führung den US-Kapitalisten eine Vorzugsbehandlung zuteilwerden lässt, „indem sie ihnen Rechte zur Ausbeutung von Bodenschätzen wie Gold zusichert und die Höhe des Mindestlohns in den Billiglohn-Textilfabriken diktiert“.

Über die Situation in Haiti bemerkt Travis Ross: „Seit mehr als einem Jahrhundert verletzen die Vereinigten Staaten die Souveränität Haitis und untergraben seine Demokratie, indem sie Invasionen durchführen, Putsche orchestrieren und Diktatoren unterstützen“. Ein GFA-Abkommen mit Haiti könnte den USA eine vierte militärische Besetzung (nach 1915, 1994 und 2004) ermöglichen. Das Geschwafel von sogenannten „lokalen zivilgesellschaftlichen Gruppen“ sei reine Augenwischerei.

Ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und Haiti könnte nicht nur die Entsendung einer „Stabilisierungstruppe“ durch die Vereinten Nationen ausschließen, sondern auch jede Annäherung Haitis an Russland oder China verhindern. Immerhin ist Haiti eines von nur 14 Ländern weltweit, die Taiwan als unabhängige Nation anerkennen. Travis Ross: „Die Volksrepublik China hat versucht, Haiti dazu zu bewegen, Taiwan fallen zu lassen und formell diplomatische Beziehungen zu ihr aufzunehmen, so wie es die benachbarte Dominikanische Republik 2018 getan hat. Im Jahr 2017 bot China an, die marode Infrastruktur von Port-au-Prince mit einem 4,7-Milliarden-Dollar-Hilfspaket zu sanieren, wenn Haiti es anerkennen und sich seiner >One Belt, One Road<-Initiative anschließen würde. Bislang ist das nicht geschehen, und die GFA will, dass das so bleibt.“ Haiti soll sich keinesfalls den BRICS-Staaten zuwenden, obwohl die meisten Haitianer der Meinung sind, dass die Hilfen der USA für das Land verheerende Auswirkungen hatten.

Der fehlende Verhandlungspartner

Da die USA und ihre Verbündeten aus der CORE-Gruppe Ariel Henry, den nicht gewählten De-facto-Premierminister, ernannt haben, gibt es in Haiti keine legitime politische Vertretung des Landes. Um überhaupt einen legitimen Vertragspartner für die Implantierung des GFA-Abkommens zu haben, dessen Umsetzung sich über den langen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken soll, drängen die USA auf eine schnelle Abhaltung von Wahlen. Unterstützt werden sie dabei von „zivilgesellschaftlichen Gruppen“, die meist auch von ihnen finanziert und unterstützt werden.

Die Situation ist durchaus mit der in Libyen vergleichbar, wo die USA ebenfalls ständig beteuern, wie sehr ihnen an baldigen Wahlen gelegen ist – allerdings dürfte das nur dann der Fall sein, wenn der Wahlausgang zu steuern ist und ein Ergebnis in ihrem Sinne bereits im Vorfeld feststeht.

Quelle: „The Global Fragility Act: Washington’s New Tool for Controlling an Indomitable Haiti“ von Travis Ross
https://orinocotribune.com/the-global-fragility-act-washingtons-new-tool-for-controlling-an-unruly-haiti/