Das Gezerre und der Kampf der ausländischen Großmächte um den Einfluss und die Ressourcen Libyens und die Rückkehr in koloniale Vor-Gaddafi-Zeiten gehen weiter. Noch ein Schritt in Richtung Spaltung des Landes.

Laut einer Abmachung zwischen den USA und der Türkei werden die türkischen Militärangehörigen von dem nahe der Hauptstadt Tripolis gelegenen Maitiga-Luftwaffenstützpunkt in das etwa 200 Kilometer weiter östlich gelegene Misrata verlegt. Der komplette Maitiga-Luftwaffenstützpunkt soll anschließend an die US-Luftwaffe übergeben werden.

An die Bewohner der Gegend um den Maitiga-Luftwaffenstützpunkt ist bereits ein Räumungsbefehl ergangen. Sie sollen ihre Häuser und Wohnungen freimachen, damit dort die Angehörigen von Offizieren und anderen hochrangigen US-amerikanischen Militärs untergebracht werden können, die sich bereits auf den Umzug vorbereiten. Mit der Behauptung, die Bewohner hätten gegen den mit der Wohnungsbauabteilung des Stützpunkts geschlossenen Vertrag verstoßen, gab ihnen der Militärstaatsanwalt von Tripolis ganze fünf Tage Zeit, um ihre Häuser zu verlassen.[1] Gegen die Übernahme ihres Wohngebiets durch das Pentagon fanden bereits Proteste statt.[2]

Mit dieser Übernahme des Maitiga-Luftwaffenstützpunkts durch die USA werden die Hauptstadt Tripolis und das westliche Libyen zum US-amerikanischen Einflussgebiet, während sich die Kontrolle über die Stadt Misrata die Türkei und Italien teilen sollen. Vorgesehen ist, die Stadt Sirte und das östliche Libyen, mit der zweitgrößten libyschen Stadt Bengasi, Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zuzuschlagen. Frankreich darf im Süden, am Luftwaffenstützpunkt al-Wig bleiben, der ihr vor wenigen Wochen von der LNA und dessen Oberkommandierenden Khalifa Haftar zuerkannt wurde, um Paris den militärischen Zugriff auf die Sahelzone und insbesondere auf den benachbarten Niger zu ermöglichen. Daneben wollen im Süden auch die USA mitreden, vor allem mit Hilfe des ihnen im Niger verbleibenden Militärstützpunkts, von dem aus sie mittels Drohnen Libyens Süden überwachen.

Alle kämpfen um Einflusszonen und Pfründe, verhandeln mit allen, um Libyen mit Hilfe willfähriger libyscher ‚Politiker‘ zur Zufriedenheit fremder Staaten aufzuteilen und es zu deren Interessengebiet herabzuwürdigen, während das Land dem Verfall und Chaos preisgegeben wird und die libysche Bevölkerung immer ärmer und schutzloser wird, aller Einflussmöglichkeiten beraubt.

Die Geschichte des Militärflughafens

Die Maitiga-Militärbasis hat eine lange Geschichte, eng verbunden mit den USA. Erbaut wurde der Luftwaffenstützpunkt 1923 von der italienischen Luftwaffe, die damals Libyen besetzt hielt, und trug den Namen Mellaha. Während des Zweiten Weltkriegs diente er zunächst der deutschen Luftwaffe, ab 1943 wurde er von der US-amerikanischen Luftwaffe genutzt und 1945 von ihr in Wheelus Air Base umbenannt. Nach der Unabhängigkeit Libyens blieb der Flughafen unter König Idris I. ein US-amerikanischer Luftwaffenstützpunkt, allerdings nicht irgendeiner, sondern er war zeitweise die größte US-Militäreinrichtung außerhalb der USA. Ein ehemaliger US-Botschafter in Libyen beschrieb ihn als „Miniatur-Amerika an der Mittelmeerküste“.

Am 11. Juni 1970 war der Spuk vorbei, denn die damalige Revolutionsführung verwies das US-amerikanische Militär des Landes. Zunächst trug der Stützpunkt den Namen Uqba bin Nafi, wurde aber später in Maitiga umbenannt. Am 16. April 1986 wurde der Stützpunkt von US-amerikanischen Kampfflugzeugen im Rahmen der „Operation el-Dorado-Canyon“ bombardiert, die unter der Reagan-Regierung gegen Libyen durchgeführt wurde und Dutzende von Menschenleben forderte. 1995 wurde Maitiga dem zivilen Nutzen zugeführt und diente zur Abfertigung von Inlandsflügen und wenigen internationalen Flügen.

Nach dem Nato-Krieg gegen Libyen im Jahr 2011 geriet der Maitiga-Flughafen unter die Kontrolle der Milizen, diente als Startbahn bei militärischen Operationen und erhielt einen Gefängniskomplex. Für das Pentagon scheint jetzt die Zeit gekommen, sich den Militärstützpunkt in Libyen zurückzuholen.

Kann man die Zeit zurückdrehen?

Die USA versuchen, die Zeit zurückzudrehen. Libyen befindet sich wieder in einem Zustand wie vor der al-Fatah-Revolution 1969, als ein König Idris I. den ausländischen Machthabern zu Diensten war. Es ist zerstückelt und zerrissen, verfangen in Interessensphären ehemaliger und neuer Kolonialmächte, die von Libyen aus ihren geopolitischen Machtgelüsten frönen, während sie gleichzeitig die Ressourcen des Landes unter ihre Kontrolle bringen.

Nur eine echte libysche Regierung, die wahrhaftig die Interessen der Libyer vertritt, kann dem entgegentreten und die korrupte politische Klasse, die augenblicklich Libyen ‚regiert‘, aus ihren Ämtern verjagen, um das Land wieder aufzubauen.

Es wird Zeit für einen Neubeginn.

Nachtrag 29.09.2023:

+ 27.09.: Haftar/Russland/Militärstützpunkte. Nach der Hafen von al-Khoms von der Dabaiba-‚Regierung‘ an die Türkei übergeben wurde, ist nun auch der Hafen der Stadt Sirte an die Wagner-Streitkräfte übergeben worden, die zusätzlich den Militärstützpunkt Gardabija kontrollieren.
Dies scheint auf den Besuch Haftars in Moskau zurückzugehen.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1707057435704266792

 

 

[1] https://twitter.com/SaifFuture/status/1704570901742625236

[2] https://www.youtube.com/watch?v=qsBaHSTUtJ0