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Kurznachrichten Libyen – 13.02. bis 19.02.2023

Dabaiba feiert am Grünen Platz in Tripolis den 12. Jahrestag des schwarzen 17. Februars 2011 / USA planen, Präsidentschaftswahlen in Libyen zu streichen / Libyen weiterhin als Bedrohung für die USA eingestuft / Human Rights Watch: Auslieferung von al-Massud an USA war nicht rechtskonform

17.Februar 2011 – ein schwarzer Tag für Libyen
Als alles begann:
https://gela-news.de/17-februar-2011-zwoelf-jahre-krieg-und-chaos-in-libyen

Info-Sperber schreibt: „Weitgehend unbemerkt blieb in der westlichen Öffentlichkeit die Tatsache, dass es schon 2011 im Krieg in Libyen darum ging, ein Wirtschaftsprojekt zu verhindern. Muammar al-Gaddafi plante eine afrikanische Währungsunion und stand damit kurz vor der Verwirklichung. Ein – wie im Folgenden darzulegen – unerhörter Affront gegenüber Frankreich und westlichen Konzernen.
Gaddafi wandte sich Afrika zu. Der libysche Herrscher hatte sich im letzten Jahrzehnt seines Lebens mehr und mehr Afrika zugewandt. 2010 und 2011 war er Präsident der Afrikanischen Union. Das ölreiche Libyen nahm nicht nur viele afrikanische Arbeitsimmigranten auf und gab «den afrikanischen Brüdern» Arbeit, sondern finanzierte Projekte wie den afrikanischen Kommunikations-Satelliten, was für einen ganzen Kontinent erleichterten Zugang zu Telefon und Internet bedeutete. Libyen war 2010 das einzige afrikanische Land mit einem vergleichsweise hohen Bruttoinlandprodukt von 14’000 US-Dollar pro Kopf. Bildung und medizinische Versorgung waren kostenlos. Für 0,12 Euro bekamen Libyer einen Liter Benzin, das war manchmal billiger als Wasser.
Höchste Alarmstufe. Das brisanteste Projekt Gaddafis war die Schaffung einer afrikanischen Währungsunion. Damit wollte er der Abhängigkeit von Dollar und Euro entgehen. Das Projekt löste in der globalen Wirtschaft, also bei großen westlichen Banken, Rohstoffkonzernen und beim Internationalen Währungsfonds höchste Alarmstufe aus.
Der Soziologe und Nordafrika-Experte Werner Ruf nennt den Sturz und die Ermordung Gaddafis «eines der finstersten, aber kaum beachteten Beispiele neo-imperialer Politik» (Fritz Edlinger/Günther Lanier: Krisenregion Sahel, Seiten 199 ff). Laut Ruf gründete Gaddafi eine afrikanische Investitionsbank mit Sitz in Sirte (Libyen), einen afrikanischen Währungsfonds mit Sitz in Yaoundé (Kamerun) und eine afrikanische Zentralbank in Abuja (Nigeria) zwecks Einführung einer afrikanischen Währung. Kapitalisiert werden sollte das Projekt unter anderem mit der enormen Menge an Gold und Dollarreserven, die Libyen angehäuft hatte, und mit dem durch Sanktionen blockierten 30-Milliarden-Dollar-Guthaben der libyschen Zentralbank, das von der UNO freigegeben wurde.
Um die politische Explosivität dieses Vorhabens zu begreifen, muss man wissen, dass es Frankreich 1945 auf der Konferenz von Bretton Woods gelang, in seinen ehemaligen Kolonien eine Währungszone, die Communauté Financière d’Afrique (CFA) durchzusetzen, in der der CFA als Währung an den französischen Franc und später an den Euro gekoppelt war (1 Euro entspricht derzeit zirka 650 CFA).
Unter französischer Kontrolle. Die französische Zentralbank kontrolliert bis heute (im Auftrag der Europäischen Zentralbank) den Wechselkurs und die bei ihr deponierten Reserven der mehr als ein Dutzend Mitgliedsländer der Westafrikanischen und der Zentralafrikanischen Union. Die afrikanischen Länder haben also nicht die Möglichkeit, über ihre Geldpolitik selbst zu entscheiden. Der freie Kapitalverkehr garantiert westlichen Konzernen den ungehinderten Zugang zu den afrikanischen Märkten und strategisch wichtigen Rohstoffen sowie die Repatriierung von Gewinnen. Afrikanische Ökonomen kritisierten das System immer wieder als Knechtschaft und «monetäre Erpressung» (Ruf, Seiten 201/202).“
https://www.infosperber.ch/politik/libyen-warum-gaddafi-beseitigt-wurde/
Weiterlesen lohnt!

+ 17.02.: Grüner Platz. Die Dabaiba-Feier zum Jahrestag des ‚Aufstands‘ in Bengasi 2011 wird von vielen als „Party der Schande“ bezeichnet. Feiern könnten nur die Kriegsgewinnler. Der 17. Februar 2011 wird von den meisten Libyern als Anfang der libyschen Katastrophe gesehen.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1626642555982020611

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Kurznachrichten Libyen – 09.01. bis 15.01.2023

Libysches Gericht setzt türkisch-libysche Vereinbarung zu Öl- und Gasexplorationen aus / Widerstand gegen den Ausschluss von Saif al-Islam Gaddafi bei Wahlen / CIA-Direktor in Bengasi und Tripolis / Sogenannte Aussöhnungskonferenz in Vorbereitung / Haftar strukturiert LNA um / Auslieferung as-Senussis an USA droht

Erdöl/Erdgas/Türkei

+ 10.01.: Explorationsabkommen/Türkei. Das Berufungsgericht in Tripolis hat die libysch-türkischen Vereinbarung über die Öl- und Gasexploration im Mittelmeer ausgesetzt. Laut dem Libysch-Politischen Abkommen sei die Dabaiba-‚Regierung‘ nicht befugt, internationale Abkommen zu schließen. Das Gericht stellte fest, dass das Abkommen auch gegen zahlreiche andere Gesetze verstoße, so gegen Bestimmungen des Ölgesetzes, insbesondere wegen der fehlenden Erfahrung türkischer Unternehmen. Es verstoße auch gegen das Gesetz über das staatliche Rechnungsprüfungsamt zur Kontrolle öffentlicher Gelder, wie auch gegen das staatliche Finanzgesetz von 2008 zur Verwaltung staatlicher Gelder.
Das Gericht ließ der Dabaiba-‚Regierung‘ die Möglichkeit, Berufung einzulegen.
https://libyareview.com/30868/tripoli-court-suspendes-libya-turkey-energy-deal/

+ 12.01.: Abkommen/Türkei. Der türkische Außenminister Cavusoglu sagte, dass Ankara in Kontakt mit Premierminister Dabaiba stehe. Çavuşoğlu: „Dieses Gerichtsurteil ist nicht das endgültige Urteil. Die Regierung steht nach wie vor hinter dem Abkommen und hat uns mitgeteilt, dass sie die notwendigen Arbeiten fortsetzt und wir dieses Gerichtsurteil nicht ernst nehmen sollten“.
https://libyareview.com/30942/after-libyan-court-suspends-deal-turkish-fm-says-libyan-government-still-backs-it/

Politische Absprachen

+ 08.01.: Saddam Haftar/Milizen. Mit einem Privatflugzeug flogen Milizenführer von Tripolis (Mitiga-Flughafen) in Richtung Jordanien, um sich unter US-amerikanischer Schirmherrschaft in Amman mit Saddam Haftar, dem Sohn des LNA-Kommandanten Khalifa Haftar, zu treffen. An Bord mit dabei: Ghaniwa al-Kikli, Muhammad Bahron (die Maus), Abd as-Salam Zubi, Mahmoud bin Rajab und Abdullah at-Tarabulsi.
Dies ist bereits das zweite Treffen von Milizenführern aus dem Westen mit Saddam Haftar. Bei den Treffen geht es um die Auflösung des Staatsrats und des Parlaments und um eine Kabinettsumbildung in der Dabaiba-‚Regierung‘.
https://twitter.com/libyapress2010/status/1612171017757097986

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Kurznachrichten Libyen – 12.12. bis 18.12.2022

Al-Massud von Dabaiba-‚Regierung‘ an USA ausgeliefert: Empörung und Proteste über alle politischen Grenzen hinweg könnten Ende von Dabaiba-‚Regierung‘ einläuten / Fessan-Stämme fordern Freilassung politischer Gefangener / Milizenkämpfe in Sabratha / Saddam Haftar bringt Ostbanken unter seine Kontrolle / Ägypten legt Seegrenzen mit Libyen neu fest

+ 17.12.: Skhirat-Abkommen. Vor sieben Jahren, am 17. Dezember 2015 unterzeichneten die rivalisierenden Parteien Libyens in der marokkanischen Stadt Skhirat unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen das so genannte „Friedens- und Versöhnungsabkommen“ von Skhirat. Das Abkommen brachte alles andere als Versöhnung, dafür vertiefte es die Spaltung Libyens, indem neben dem gewählten Parlament auch ein von der Moslembruderschaft beherrschter Hoher Staatsrat ins Leben gerufen wurde.
Die Regierung in Tripolis setzte sich auch ständig über Vereinbarungen hinweg, so über jene, der Nichtbefugnis, ohne Einverständnis des Parlaments weitreichende Abkommen (wie z.B. mit der Türkei) einzugehen.

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Al-Massuds Entführung und Auslieferung an die USA

+ 12.11.: USA. Die Dabaiba-‚Regierung‘ lieferte den libyschen Staatsbürger Abu Ajila Massud (Abu Agila Mohammed Masoud Khair al-Muraimi) an die US-Behörden aus.
https://gela-news.de/doppelter-verrat-abu-agila-al-massud-an-usa-ausgeliefert
Völlig ungeniert setzen sich die USA über alle rechtsstaatlichen Vorgaben hinweg und lassen in Zusammenarbeit mit einer der berüchtigtsten Milizen einen libyschen Staatsbürger entführen und in Wildwestmanier in die USA verschleppen.

+ 12.11.: Parlament. Das Parlament forderte den Generalstaatsanwalt as-Siddiq as-Sour auf, ein Strafverfahren gegen die an der Entführung und Auslieferung des libyschen Staatsbürgers Abu Ajila Massud Beteiligten einzuleiten. In einem Schreiben heißt es: „Dieser Fall wurde mit der US-Regierung im Rahmen einer offiziellen Vereinbarung beigelegt, die zu einer nicht-strafrechtlichen Haftung des libyschen Staates und zu einer finanziellen Entschädigung für die von diesem Terrorvorfall Betroffenen führte.“
https://libyareview.com/29908/libyan-parliament-calls-for-criminal-proceedings-against-those-involved-in-lockerbie-extradition/

+ 12.11.: Sicherheitsberater. Der nationale Sicherheitsberater Libyens, Ibrahim Buschnaf, teilte mit, dass der Nationale Sicherheitsrat „derzeit in Kontakt mit der amerikanischen Seite steht, um zu ermitteln, welchen rechtlichen Status der libysche Staatsbürger Abu Agila Massud hat und auf welcher Grundlage gegen ihn ermittelt wird“. Und: „Wir bekräftigen das von beiden Parteien ratifizierte Abkommen, das den Streit beendete und die Tür für eine erneute Auseinandersetzung geschlossen hat. Wenn die amerikanische Seite argumentiert, dass das Recht auf einen Rechtsstreit nicht verjährt, dann bestätigen wir, was die ganze Welt bezeugt, nämlich dass ratifizierte internationale Abkommen über der lokalen Gesetzgebung stehen“. Weiter heißt es: „Wir stehen in unserer Eigenschaft als Nationaler Sicherheitsrat in Kontakt mit der Regierung und allen Beteiligten in Libyen, um die Umstände dieses Falles aufzuklären und zu erfahren, wer ihn wieder aufgerollt hat. Unser Augenmerk liegt jetzt auf den Vereinigten Staaten von Amerika, damit sie sich an das Abkommen halten, das den Konflikt beendete und vom Kongress auf Vorschlag des damaligen Abgeordneten Joe Biden, des jetzigen Präsidenten, ratifiziert und durch ein von Präsident George W. Bush unterzeichnetes Dekret erlassen wurde“.
https://libyareview.com/29918/libya-us-discuss-lockerbie-extradition-case/

+ 13.12.: USA. Massud wurde bereits am 12.12. einem Gericht in Washington vorgeführt, verweigerte aber die Aussage, bevor er sich nicht mit einem Anwalt beraten konnte.
Der heute knapp 80-jährige Massud leidet unter mehreren schweren Erkrankungen.
https://www.theguardian.com/uk-news/2022/dec/13/abduction-of-lockerbie-bomb-suspect-undermines-rule-of-law-analysts-say

+ 13.12.: USA. US-amerikanische Medien veröffentlichen Bilder des libyschen Staatsbürgers al-Massud:
Foto: https://twitter.com/MstrMax11/status/1602672318437888000/photo/1

+ 13.12.: Anwalt. Rechtsanwalt Jumaa Ahmed Atiqa meldet sich zur Verteidigung von Brigadegeneral Abu Ajila Masoud. Er will dafür keine Bezahlung.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1602813743678849025/photo/1

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Kurznachrichten Libyen – 01.08. bis 06.08. 2022

Explosion eines Tankwagens mit vielen Toten und Verletzten im Fessan / Fessan-Bewegung droht mit erneuter Schließung der Ölfelder / Parlamentspräsident Aguila Saleh bei Erdogan / Gift in Brot und Mehl / Vereinzelt Milizenkämpfe in Tripolis / Vorbereitung einer Libyen-Konferenz unter Schirmherrschaft des Kongo

Tankwagenexplosion und deren Folgen

+ 01.08.: Fessan. Bei der Explosion eines Tankwagens im Süden Libyens wurden neun Menschen getötet, 70 erlitten schwere Verbrennungen. Etliche Autos gingen in Flammen auf. Der Tankwagen war in Folge einer Panne liegengeblieben und die Menschen versuchten, aus dem Tank Treibstoff abzuzapfen.
Verschiedene Länder haben sich bereit erklärt, Verwundete medizinisch zu versorgen.
In dem ölreichen Land ist besonders im Süden Treibstoff knapp und teuer. https://libyareview.com/25857/reason-for-libyas-fuel-tanker-explosion-issued/

+ 01.08.: Al-Mangusch/Sebha. Als das Flugzeug der Außenministerin der Dabaiba-Regierung, Nadschla al-Mangusch, in der südlibyschen Stadt Sebha landen wollte, verweigerten ihr die einheimischen Sicherheitsbeamten am Flughafen die Landeerlaubnis.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1554119702233874434

+ 04.08.: Bankraub. In Sebha wurde ein Geldtransporter der Libyschen Zentralbank (CBL) ausgeraubt. Es wurden 700.000 LD (etwa 141.000 €) erbeutet.
https://libyareview.com/25870/gunmen-steal-700000-from-bank-vehicle-in-south-libya/

06.08.: Proteste/Ölfelder. Der Koordinator der Fessan-Bewegung, Baschir asch-Scheik drohte, die Öl- und Gasfelder im Süden des Landes erneut stillzulegen und die Zufahrt zum größten Ölfeld der Region, dem Scharara-Ölfeld, zu blockieren, falls die Regierung nicht den benötigten Treibstoff und ausreichend Gas zur Verfügung stellt.
Laut asch-Scheik sei der Süden geprägt durch eine mangelhafte Grundversorgung, grassierenden Schmuggel und zusammengebrochenen Institutionen. Gefordert wird der Bau von neuen Ölraffinerien, die Wiederinbetriebnahme der Flughäfen des Fessan auch für den internationalen Flugverkehr, neue Straßenbauprojekte und weitere Maßnahmen zur Stärkung der Region und ihrer Bewohner. Die Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen noch vor Juni nächsten Jahres müsse sichergestellt werden.
https://libyareview.com/25945/libyan-protesters-threaten-to-shut-down-southern-oil-fields/

Türkeireise von Parlamentspräsident Saleh

+ 03.08.: Türkei/Saleh. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfing Parlamentspräsidenten Agila Saleh. Saleh traf auch mit seinem türkischen Amtskollegen Mustafa Sentop zusammen, der die Einheit Libyens betonte. Begleitet wird Saleh von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Präsidialrats, Abdullah al-Lafi.
Bisher waren die türkischen Streitkräfte im westlichen Libyen und das Parlament im Osten erbitterte Feinde.
Soweit bekannt, brachte das Treffen zwischen Saleh und der türkischen Regierung keine direkten Ergebnisse.
Nach seiner Rückkehr erklärte Saleh, er habe ein „sehr produktives“ Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan gehabt, den er über die Lage in Libyen informiert habe.
Foto: https://twitter.com/alsaaa24/status/1554482832428470274
https://libyareview.com/25836/ageela-saleh-meets-turkish-counterpart-in-ankara/
https://libyareview.com/25885/libyas-parliament-speaker-values-productive-meeting-with-turkeys-erdogan/
Aqila Saleh ist in der Türkei und sucht die Zustimmung der Türkei für die Absetzung Dabaibas und die Einsetzung der Baschagha-Regierung. Ein Besuch war bereits im Juli geplant, wurde aber nach landesweiten Protesten, die sogar zur Stürmung des Parlaments in Tobruk führten, zunächst verschoben. Das Parlament unter Saleh lehnte seinerzeit alle zwischen der damaligen ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und der Türkei getroffenen Abmachungen ab.
Bisher waren im Osten Saleh und LNA-Oberkommandierender Khalifa Haftar verbündet, Haftar unterstützt inzwischen aber Dabaiba in Tripolis, während das Parlament eine neue Regierung unter Baschagha eingesetzt hat. Es kann also von einer Spaltung in Ost und West überhaupt keine Rede mehr sein. Die Spaltung vollzieht sich innerhalb beider Landesteile.

+ 05.08.: Türkei/Russland. Bei dem Treffen der russischen Präsident Putin und seines türkischen Amtskollegen Erdoğan im russischen Sotschi war auch Libyen Thema. Beide betonten die Wichtigkeit der Durchführung von fairen und glaubwürdigen Wahlen in Libyen.
https://libyareview.com/25926/putin-erdogan-stress-importance-of-holding-fair-elections-in-libya/
Vermutlich war auch die Initiative des kongolesischen Präsidenten Denis Sassou-Nguesso Thema, der eine Libyen-Konferenz zur nationalen Versöhnung mit Unterstützung Russlands organisieren will.

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Verteilungskämpfe um die libyschen Ressourcen

Die libyschen Öl- und Gasfelder wecken infolge des Ukraine-Krieges vermehrt die Begehrlichkeiten des Westens. Nun wird versucht, das Land dreizuteilen und so mit Hilfe libyscher Handlanger den Zugriff auf die unter dem Saharasand verborgenen Bodenschätze zu erhalten.

Im Süden Libyens befinden sich unter dem Sand der Sahara die großen Erdöl- und Erdgasfelder sowie gigantische fossile Wasserreservoirs, die die Küstenstädte versorgen. Im Nordosten Libyens an der Mittelmeerküste liegen die bedeutendsten erdölverarbeitenden Anlagen und Verschiffungshäfen. Das östliche Libyen sowie der Süden stehen im Auftrag des libyschen Parlaments unter der Kontrolle und dem Schutz der Libyschen Nationalarmee (LNA).

Dagegen haben unter der Schirmherrschaft der UN westliche Staaten, die USA, Großbritannien, die EU, mit Hilfe der militärischen Präsenz der Nato-Macht Türkei im Westen Libyens immer wieder neue ‚Übergangsregierungen‘ in Tripolis eingesetzt, die sich mit Hilfe von Milizen und der Moslembruderschaft an der Macht halten, um die Libysche Zentralbank (CBL) und andere wichtige Finanzinstitutionen in der libyschen Hauptstadt zu kontrollieren. Eine Sonderrolle spielt Frankreich, das notgedrungen aufgrund der Kontrolle des Südens durch die LNA ein Doppelspiel zwischen den Kräften im Osten und der Regierung in Tripolis betreibt.

Augenblicklich spitzt sich die Lage erneut stark zu, da die Regierung in Tripolis unter dem bisherigen Premierminister Abdulhamid Dabaiba sich weigert, die Macht an die vom Parlament zunächst in Absprache mit dem von der Moslembruderschaft beherrschten Staatsrat an die neu ernanntn Regierung unter Premierminister Fatih Baschagha abzugeben.

Der Krieg ums Öl

Auch Libyen ist zum Schauplatz der Verteilungskämpfe um die für Industrienationen unverzichtbaren Ressourcen, insbesondere Öl und Gas, geworden. Seit dem Nato-Krieg 2011, der die staatlichen Institutionen zerschlug und den Staat zerstörte, also seit über elf Jahren, wird gegen den Willen der Bevölkerung versucht, das Land zu spalten.

Bisher ist dies für die alt-neuen Kolonialmächte noch immer nicht zufriedenstellend gelungen. Doch infolge des für den Westen so unvorteilhaft verlaufenden Ukraine-Krieges und des selbst verhängten Ölembargos gegen Russland, wird es für den Westen immer dringlicher, sich die libyschen Öl- und Gasfelder unter den Nagel zu reißen. Die Zerschlagung Libyens soll nun unter dem Vorwand des Föderalismus wieder Fahrt aufnehmen, um die Kontrolle über die an Bodenschätzen so reichen Saharagebiete zu erlangen.

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Kurznachrichten Libyen – 20.05. bis 29.05.2022

Politische Spannungen steigen / Sicherheitslage in Tripolis spitzt sich zu /Hektische Aktivitäten und Treffen der libyschen und ausländischen Akteure angesichts neuer Kampfhandlungen und der Schließung von Öl- und Gasanalgen bzw. Verladehäfen / Großbritannien transportiert Militärgüter nach Misrata / Ali Zeidan befeuert in Frankreich Teilung Libyens

+ 24.05.: Erdöl-/Erdgasförderung. Wie ihr Vorsitzender Mustafa Sanella erklärte, hat die Libysche National Oil Corporation (NOC) alle Entwicklungs- und Explorationsbohrungen auf allen Feldern und in allen Häfen eingestellt. Grund dafür sei „die Verzögerung bei der Umsetzung des genehmigten Haushalts für das Jahr 2022“. Um keine neuen finanziellen Verpflichtungen einzugehen müssten alle Wartungsarbeiten an Bohrlöchern und alle größeren Entwicklungsprojekte gestoppt werden.
Erst vor wenigen Tagen hatte der vom Parlament unterstützte Premierminister Fathi Baschagha die Wiedereröffnung von Ölfeldern und Häfen angekündigt, die zuvor von Gegnern der Vorgängerregierung unter Dabaiba geschlossen worden waren mit der Forderung, Dabaiba müsse Tripolis zugunsten der neuen Baschagha-Regierung räumen.
Das libysche Parlament hatte gefordert, dass die NOC die Öleinnahmen solange einfriert und die Staatsausgaben auf die Zahlung von Gehältern und Treibstoffsubventionen beschränkt, bis die neue Baschagha-Regierung die Macht auch in Tripolis übernommen hat. Verstärkt wurden die Auseinandersetzungen, nachdem die NOC sechs Milliarden USD an die Libysche Zentralbank (CBL) überwiesen hat, die eng mit der Dabaiba-Regierung kooperiert, welche ihrerseits Tripolis-Milizen finanziert. Daraufhin wurden Erdgas- und Ölfelder sowie Verladehäfen im Osten und Süden des Landes geschlossen; diese Gebiete sowie die Region des Ölhalbmondes stehen unter Kontrolle der LNA.
https://libyareview.com/23918/libyas-oil-corporation-halts-drilling-for-new-wells/
Die Einstellungen der Erdöl-/Erdgasförderung in Libyen untergraben die US-amerikanischen Bemühungen, die Versorgungssicherheit infolge des Ukraine-Krieges zu erhöhen. Die tägliche Ölproduktion ist in letzter Zeit aufgrund von Stilllegungen auf rund die Hälfte gesunken.

+ 27.05.: Erdgas/Aoun. Der libysche Erdölminister Aoun erklärte bezüglich der Schließung von Ölfeldern und Häfen in Libyen, er habe einen Ausschuss gebildet, der mit den Regionen im Süden, Osten und Westen kommunizieren soll. Augenblick werden in Libyen nur knapp die Hälfte der möglichen Menge an Erdöl gefördert, d.h. 550.000 Barrel/Tag anstatt 1,2 Millionen.
Er erklärte: „Auch wenn alle Öl- und Gasvorkommen in Libyen erschlossen sind, was drei bis sieben Jahre dauern wird, können wir nur einen kleinen Teil der russischen Lieferungen kompensieren. Daher glaube ich nicht, dass Libyen in der Lage ist, das ausfallende russische Gas zu ersetzen.“
https://libyareview.com/24009/oil-minister-future-gas-production-wont-meet-libyas-needs/

+ 25.05.: Frankreich/Fessan. In Frankreich hält sich eine elfköpfige libysche Delegation, die den Fessan – also den Süden Libyens – repräsentiert, unter der Leitung von Ali Zeidan auf. Die Delegation hat die Federführung bei einer Konferenz, die sich hauptsächlich mit dem gefährlichen Vorschlag einer föderativen Aufteilung Libyens in die drei Teile Kyrenaika (Osten), Tripolitanien (Westen) und dem Fessan (Süden) beschäftigt. Frankreich will den Fessan und somit die Grenzgebiete zu Niger und Tschad unter seine Kontrolle bringen.
https://gela-news.de/frankreich-will-libyen-spalten-und-den-fessan-kontrollieren

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Frankreich will Libyen spalten und den Fessan kontrollieren

Unter dem Titel „Frankreich versucht, Libyen zu teilen“ erschien am 25. Mai 2022 auf MondAfrique ein Artikel, der über die für Libyen höchst gefährlichen Umtriebe Frankreichs berichtet. Dem Artikel zufolge hält sich eine elfköpfige libysche Delegation, die den Fessan – also den Süden Libyens – repräsentiert, unter der Leitung von Ali Zeidan derzeit in Frankreich auf. Die Delegation hat die Federführung bei einer Konferenz, die sich hauptsächlich mit dem Vorschlag einer föderativen Aufteilung Libyens in die drei Teile Kyrenaika (Osten), Tripolitanien (Westen) und dem Fessan (Süden) beschäftigt.

Wie MondAfrique schreibt, betreibt Frankreich ein Doppelspiel. Zum einen erkennt sie die GNU-Regierung unter Dabaiba an – die immer noch mit Hilfe einiger von ihr finanzierter Milizen Tripolis kontrolliert – und unterhält zu ihr gute Beziehungen, zum anderen unterstützt das französische Außenministerium im östlichen Libyen den Oberkommandierenden der Libyschen Nationalarmee (LNA), Generalfeldmarschall Khalifa Haftar.

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Kurznachrichten Libyen – 21.03. bis 27.03.2022

Die UN-Sonderberaterin für Libyen Stephanie Williams betätigt sich als Spaltpilz, um den Aussöhnungsprozess in Libyen zu sabotieren / GNS-Regierung (Goverment of National Security) unter Baschagha bezieht Regierungsbüros in Süd- und in Ostlibyen, baldige Aufnahme der Regierungsgespräche in der Hauptstadt Tripolis erwartet / Angesichts der angespannten Lage auf dem internationalen Erdölmarkt wollen die westlichen Staaten eine militärische Auseinandersetzung zwischen den Baschagha- und den Dabaiba-Kräften unbedingt verhindern, da diese auch eine Schließung der Ölfelder zur Folge haben könnte

+ 21.03.: Parlament/Dabaiba. Das libysche Parlament gab bekannt, dass es in Kontakt mit dem scheidenden Premierminister Dabaiba steht, um die Machtübergabe zu besprechen. Starke Milizen in Tripolis unterstützen Baschagha, aber man wolle es nicht auf einen militärischen Konflikt ankommen lassen.
https://libyareview.com/22141/libyan-parliament-dbaiba-discuss-handover-of-power/

+ 22.03.: Baschagha-Regierung. Der neu ernannte Premierminister Fathi Baschagha rief alle libyschen Institutionen, Einrichtungen und öffentlichen Unternehmen dazu auf, nicht mit der Dabaiba-Regierung zusammenzuarbeiten, sondern deren Anweisungen zu ignorieren, da ihr Mandat abgelaufen sei.

+ 22.03.: Regierung der Nationalen Stabilität (GNS). Der Sprecher der neuen GNS-Regierung (Government of National Security), Othman Abdul Dschalil, sagte: „Wir werden keine Gewalt anwenden, um in Tripolis einzuziehen, aber wir werden auch nicht von außerhalb Tripolis‘ operieren. Es wird keine Parallelregierung geben. Wir werden jeden, der in Korruption verwickelt ist, zur Rechenschaft ziehen, wir werden niemanden decken. Falls unsere Regierung nicht in der Lage ist, die Wahlen zu dem von der Hohen Nationalen Wahlkommission (HNEC) festgelegten Termin abzuhalten, wird sie nicht einen Tag länger im Amt bleiben“. Das Hauptziel der neuen Regierung sei die Abhaltung von Wahlen, bei denen Baschagha nicht kandidieren werde. Dagegen habe die Dabaiba-Regierung weder Wahlen gewollt, noch sei sie in der Lage gewesen, welche abzuhalten.
https://libyareview.com/22189/new-libyan-government-dbaiba-sought-to-postpone-elections/

+ 23.03.: Baschagha. Premierminister Fathi Baschagha warnte vor dem Scheitern des Waffenstillstandsabkommens, sollte sich die Dabaiba-Regierung weiterhin weigern, die Macht an die neue GNS-Regierung zu übergeben. „Die fortgesetzte Usurpation der Macht durch die scheidende Regierung und die Androhung von Gewalt drohen das Waffenstillstandsabkommen aufzulösen und die nationalen und internationalen Bemühungen um die Abhaltung von Wahlen zu untergraben“. Dies stelle eine eklatante Verletzung der Prinzipien einer Demokratie und des Zivilstaates dar.
Bereits am 10. Februar war Baschagha vom Parlament unter Zustimmung weiter politischer Kreise in Libyen zum neuen Premierminister berufen worden.
https://libyareview.com/22256/will-libyas-ceasefire-collapse/

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Kurznachrichten Libyen – vom 22.12. bis 28.12.2021

Dezemberwahlen abgesagt, dafür auch keine Januarwahlen – Britische Botschafterin zur persona non grata erklärt – USA und GB bestimmen libysche Innenpolitik

Das libysche Parlament und die Nicht-Wahlen

+ 27.12.: GB-Botschafterin. Das libysche Parlament erklärt die britische Botschafterin in Libyen, Caroline Hurndall, zur persona non grata. Das Parlament weist das GNU-Außenministerium an, die britische Botschaft über diese Entscheidung zu informieren.
https://almarsad.co/en/2021/12/28/blehiq-libyan-parliament-voted-british-ambassador-caroline-hurndall-as-persona-non-grata/

+ 27.12.: Parlament/GNU-Regierung. Der Wahlausschuss des libyschen Parlaments schlug eine Umstrukturierung der Regierung vor, um das Land zu stabilisieren. Außerdem solle der Entwurf der Verfassung im Einvernehmen mit dem Hohen Staatsrat (HCS) geändert werden. Es soll ein neuer Fahrplan zu Wahlen erstellt werden.
Die GNU-Regierung – ein dreiköpfiger Präsidialrat und ein Kabinett unter der Leitung von Premierminister Abdelhamid Dabaiba – wurde Anfang des Jahres durch das Libysche Politische Dialogforum (LPDF) unter Stefanie Williams ernannt. Sie sollte Libyen in die Wahlen führen. Die Ernennung der GNU-Regierung soll mittels Bestechung zustande gekommen sein. Ein diesbezüglicher Bericht wird von UNSMIL unter Verschluss gehalten.
https://libyareview.com/19900/libyan-parliament-recommends-new-government/
Was sich die ‚internationale Gemeinschaft‘ und die UN, insbesondere die UNSMIL, in Libyen leisten, zerstört deren Reputation für alle Zeiten. Es wird nur noch getrickst, gefälscht, erpresst und bestochen.

+ 27.12.: Parlament/Wahlen. Das Parlament, dessen Sitzung teilweise live übertragen wurde, konnte sich auf keinen neuen Wahltermin einigen. Der 24. Januar als neuer Wahltermin wird als unrealistisch erachtet. Für das Scheitern der Wahlen wurden sowohl die GNU-Regierung unter Dabaiba als auch die Hohe Nationale Wahlkommission verantwortlich gemacht, gegen deren Leiter, Emad Sayeh, nach Meinung einiger Parlamentarier ermittelt werden sollte. Auch gegen das LPDF wurden schwere Vorwürfe erhoben.
Es wurden auch die USA verantwortlich gemacht, die großen Druck auf Emad Sayeh ausgeübt hätten, die Wahlen zu verschieben, um so zu verhindern, dass Saif al-Islam Gaddafi zu den Wahlen antritt.
Der Sicherheitsbericht zu den Wahlen wurde nicht öffentlich gemacht.
Es wurde auch bekannt, dass es zwischen 250.000 und 700.000 gefälschte nationale ID-Nummern gibt.
https://www.libyaherald.com/2021/12/27/hor-unable-to-reach-agreement-on-progress-towards-another-election-date/

+ 27.12.: Saif al-Islam Gaddafi/Wahlkommission. In dem Berichts, den die Wahlkommission dem Parlament vorlegte, wird behauptet, dass Saif al-Islam Gaddafi die für seine Berufung gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren nicht bezahlt hätte. Diese Behauptung wurde von Saifs Anwalt Khaled az-Zaydi widerlegt. Quittungen sind unter anderem auf Twitter veröffentlicht, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Behauptung der Wahlkommission falsch ist.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1475608387819905028/photo/1

+ 28.12.: Saif al-Islam Gaddafi/USA. Washington wird erst dann Wahlen in Libyen zulassen, wenn sichergestellt ist, dass Saif al-Islam Gaddafi nicht antreten darf. Die Vorstellung, dass ein vor einem Jahrzehnt durch eine NATO-Intervention gestürzte Regierung über „Wahlen“ zurückkehren könnte, würde ansonsten das Image der USA ramponieren.
https://twitter.com/SALHACHIMI/status/1475430330039521284

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Libyen und die arabische Welt von 1911 bis 1925

Kolonialismus/Erster Weltkrieg. Ein geschichtlicher Abriss: türkisch-italienischer Krieg / Erster Weltkrieg / Ende des Osmanischen Reiches / libyscher Freiheitskampf / Verrat an der arabischen Welt

Der türkisch-italienische Krieg 1911/1912

Das Osmanische Reich, das über weite Gebiete des Nahen Ostens und Nordafrikas herrschte, musste bereits 1830 Algerien und 1881 Tunesien an Frankreich abtreten. Im Jahr 1882 verloren die Osmanen auch Ägypten, das an die Briten fiel.

Das Gebiet des heutigen Libyens befand sich noch unter osmanischer Herrschaft, auch wenn bereits Ende des 19. Jahrhunderts italienische Banken und Geschäftshäuser an der Küste von Tripolitanien und der Kyrenaika den Ton angaben.

In Italien, das 1871 als Monarchie vereint worden war, hegte König Viktor Emanuel III. den starken Wunsch, sich ebenfalls als Kolonialmacht zu behaupten und dem geschwächten Osmanischen Reich die Herrschaft über Libyen zu entreißen. Das Presseorgan der „Associazione nazionalista italiana“, Ideà Nazionale, schrieb über die kolonialen Ziele Italiens: „Der Nationalismus Italiens ist Afrikanismus“. Italien habe die heilige Mission zu erfüllen, die „hellenische Schönheit“ der Küstenstädte Libyens von türkischer Misswirtschaft zu befreien. Der „Bevölkerungsüberschuss“ solle dort abgesetzt werden und Italien benötige Kolonien, um für die wachsende Industrie genügend Rohstoffe zur Verfügung zu haben. Dies schaffe Arbeitsplätze und erleichtere den Handel. Und die Zeitung La Stampa schrieb 1911: „Libyen ist das gelobte Land, Italien von der Vorsehung zugesprochen.“

An diesem gewinnversprechenden, kolonialistischen Vorhaben war auch der Vatikan interessiert. Seine Banco di Roma hatte bereits Konzessionen für Bergwerke, Industrieanlagen und Schifffahrtsunternehmen in Libyen erworben und war somit für die dort erhofften goldenen italienischen Zeiten bestens gerüstet.

Am 28. September 1911 bezogen italienische Kriegsschiffe vor Tripolis unter dem Vorwand Stellung, dass sich die Osmanen zu sehr in ihre Handelsgeschäfte einmischten und dass italienische Staatsbürger in Tripolis und Bengasi zu schützen seien. Am 29. September 1911 erklärte Italien dem Osmanischen Reich den Krieg.

Zu dieser Zeit befanden sich nur noch wenige türkische Streitkräfte innerhalb Tripolis, so dass an eine Verteidigung nicht zu denken war. Am 4. Oktober rückte eine 34.000 Mann starke italienische Armee, unterstützt von Kriegsschiffen und Flugzeugen, gegen etwa 4.200 osmanische Soldaten vor. Durch Beschuss des nahe dem Hafen gelegenen Forts wurde auch ein Wohnviertel in Mitleidenschaft gezogen. Noch im Oktober 1911 fielen die Küstenstädte Tripolitaniens und der Kyrenaika.

In der Stadt Tripolis verbreiteten die Italiener die Bekanntmachung, dass die Rechte der Bevölkerung geachtet sowie die Religion als heilig angesehen und die Frauen geschützt würden. Im krassen Gegensatz dazu stand das tatsächliche Verhalten der Soldaten, die Angst und Schrecken verbreiteten, mordeten, vergewaltigten, plünderten und Moscheen entweihten. Zeuge dieser Vorgänge wurde der deutsche Ethnograph G. A. Krause, der in einem Interview mit dem Berliner Tageblatt einen italienischen Offizier zitierte, der die Morde der Invasoren an tausenden Zivilisten damit rechtfertigte, dass dieses brutale Vorgehen einen tiefen Eindruck bei den Arabern hinterlasse. An anderer Stelle schrieb G. A. Krause: „Die Eingeborenen verlangen Gewehre und Kanonen, um sich verteidigen zu können… Ein gewöhnlicher Arbeiter, den ich fragte, was sich die Leute erzählen, sagte nur: Die Italiener wollen das Land nehmen.“

In Italien formierte sich eine Gegenbewegung, die sich den kolonialen Kriegen widersetzte. Die Arbeiterbewegung war am Erstarken und ihre Führer riefen zu Demonstrationen und Streiks auf, um den Krieg in Libyen zu verhindern. Erfolglos.

Am 1. November 1911 schrieb Italien traurige Waffengeschichte: Es flog in Libyen den weltweit ersten Bombenangriff, bei dem drei je zwei Kilogramm schwere Bomben auf türkische Verbände abgeworfen wurden und zeigte damit umso mehr, dass der „kranke Mann am Bosporus“ den italienischen Streitkräften hoffnungslos unterlegen war.

In Istanbul war man nicht bereit, die von Italien eroberten libyschen Gebiete kampflos aufzugeben. Die politische Bewegung der Jungtürken bereitete sich unter der militärischen Führung von Enver Pascha darauf vor, von Ägypten aus einen Guerillakrieg gegen die Italiener zu führen, die im Osten Libyens die Städte Bengasi, Tobruk und Derna besetzt hatten. Enver konnte unter seiner Fahne auch arabische Kämpfer sammeln, die sich gegen die italienische Fremdherrschaft zur Wehr setzen wollten.

Der Guerillakrieg um die ostlibysche Stadt Derna war so erfolgreich, dass es den Italienern kaum möglich war, ihre Stellungen zu verlassen; an eine Eroberung des Hinterlands der Kyrenaika war nicht zu denken.

Die Italiener entwarfen den Plan, die Türken an anderen Orten so stark zu binden, dass sie gezwungen waren, ihre Soldaten aus Libyen abzuziehen. Sie brachten  die Osmanen, die auch im Jemen und auf der Arabischen Halbinsel in Kämpfe verwickelt waren, beispielsweise im Hafen von Beirut oder auf dem Balkan so in die Defensive, dass sich diese genötigt sahen, am 18. Oktober 1912 einen Friedensvertrag mit Italien zu akzeptieren, in dem Libyen den Italienern zugesprochen wurde. Die europäischen Großmächte erkannten die neue italienische Kolonialmacht in Libyen an.

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