Die libyschen Öl- und Gasfelder wecken infolge des Ukraine-Krieges vermehrt die Begehrlichkeiten des Westens. Nun wird versucht, das Land dreizuteilen und so mit Hilfe libyscher Handlanger den Zugriff auf die unter dem Saharasand verborgenen Bodenschätze zu erhalten.

Im Süden Libyens befinden sich unter dem Sand der Sahara die großen Erdöl- und Erdgasfelder sowie gigantische fossile Wasserreservoirs, die die Küstenstädte versorgen. Im Nordosten Libyens an der Mittelmeerküste liegen die bedeutendsten erdölverarbeitenden Anlagen und Verschiffungshäfen. Das östliche Libyen sowie der Süden stehen im Auftrag des libyschen Parlaments unter der Kontrolle und dem Schutz der Libyschen Nationalarmee (LNA).

Dagegen haben unter der Schirmherrschaft der UN westliche Staaten, die USA, Großbritannien, die EU, mit Hilfe der militärischen Präsenz der Nato-Macht Türkei im Westen Libyens immer wieder neue ‚Übergangsregierungen‘ in Tripolis eingesetzt, die sich mit Hilfe von Milizen und der Moslembruderschaft an der Macht halten, um die Libysche Zentralbank (CBL) und andere wichtige Finanzinstitutionen in der libyschen Hauptstadt zu kontrollieren. Eine Sonderrolle spielt Frankreich, das notgedrungen aufgrund der Kontrolle des Südens durch die LNA ein Doppelspiel zwischen den Kräften im Osten und der Regierung in Tripolis betreibt.

Augenblicklich spitzt sich die Lage erneut stark zu, da die Regierung in Tripolis unter dem bisherigen Premierminister Abdulhamid Dabaiba sich weigert, die Macht an die vom Parlament zunächst in Absprache mit dem von der Moslembruderschaft beherrschten Staatsrat an die neu ernanntn Regierung unter Premierminister Fatih Baschagha abzugeben.

Der Krieg ums Öl

Auch Libyen ist zum Schauplatz der Verteilungskämpfe um die für Industrienationen unverzichtbaren Ressourcen, insbesondere Öl und Gas, geworden. Seit dem Nato-Krieg 2011, der die staatlichen Institutionen zerschlug und den Staat zerstörte, also seit über elf Jahren, wird gegen den Willen der Bevölkerung versucht, das Land zu spalten.

Bisher ist dies für die alt-neuen Kolonialmächte noch immer nicht zufriedenstellend gelungen. Doch infolge des für den Westen so unvorteilhaft verlaufenden Ukraine-Krieges und des selbst verhängten Ölembargos gegen Russland, wird es für den Westen immer dringlicher, sich die libyschen Öl- und Gasfelder unter den Nagel zu reißen. Die Zerschlagung Libyens soll nun unter dem Vorwand des Föderalismus wieder Fahrt aufnehmen, um die Kontrolle über die an Bodenschätzen so reichen Saharagebiete zu erlangen.

Warum eine Teilung Libyens allein schon an der geographischen Bestimmung scheitert

Am 25. Mai berichtete MondAfrique[1] über den Besuch einer elfköpfigen libyschen Delegation in Frankreich, die angeblich den Fessan, also den südwestlichen Teil der libyschen Sahara, repräsentieren soll. Bei einer Konferenz wurden die Möglichkeiten erörtert, Libyen in drei Teile zu spalten, in die historischen Gebiete Tripolitanien, Fessan und Kyrenaika.

Frankreich ist vor allem daran gelegen, die südwestlibyschen Grenzgebiete zu Niger und Tschad zu kontrollieren. Zum einen gibt es auch dort reichlich Bodenschätze, zum anderen sind diese Grenzgebiete immer wieder Rückzugsgebiete von Rebellen auf dem Tschad, dessen Regierung jedoch eng mit Frankreich verbunden ist und von Paris gestützt wird, denn im Tschad befinden sich die großen Uranlager, die von französischen Firmen ausgebeutet werden und die für die auf Atomstrom angewiesene französische Energiewirtschaft unverzichtbar sind. Und es befinden sich in der westlichen libyschen Sahara die wichtigen Erdölfelder asch-Scharara und el-Feel.

Die Forderung, Libyen in die drei historischen Landesteile Tripolitanien, Fessan und Kyrenaika aufzuteilen und nach alter Kolonialmanier mit dem Lineal Grenzen zu ziehen, spricht jedoch den Verhältnissen vor Ort Hohn und ist rein den Machtgelüsten ausländischer Player geschuldet, die die Kontrolle über die Erdöl- und Erdgasfelder sowie die riesigen fossilen Wasservorkommen und sonstigen Bodenschätze an der Südgrenze Libyens, allen voran Gold, insbesondere im Tibesti-Gebirge, erlangen möchten.

Die Spaltung Libyens in drei Teile wurde bereits nach dem Nato-Krieg gegen Libyen und der Ermordung Muammar al-Gaddafis propagiert, ebenso wie die Wiedereinsetzung eines Monarchen. Die östliche Region Kyrenaika erklärte sich unter dem Cyrenaican Transitional Council im März 2012 autonom, wobei überraschender Weise die Kyrenaika von der Mittelmeerküste durch die ganze Sahara bis zur südlichen Grenze reichen sollte. Obwohl sich der Osten damals mit seinen Autonomiewünschen ebenso wenig durchsetzen konnte wie auch eine Neuinstallierung der Monarchie von den Libyern selbst niemals ernsthaft in Betracht gezogen wurde, wird erneut die Aufteilung Libyens in ihre drei historischen Gebiete als föderale Lösung für die politischen Probleme des Landes propagiert. Geplant ist seit 2011 die Kyrenaika den Briten und den Fessan den Franzosen als Einflusssphären zu überlassen. Es dürfte klar sein, dass dabei ausschließlich die saharischen Bodenschätze wie Erdöl, Erdgas, Gold und nicht zuletzt Wasser die bestimmenden Gründe sind. Das Fell des erlegten Libyens sollte 2011 wie heute verteilt werden.

Völlig ignoriert wird dabei, dass Libyen eine aus etwa 140 verschiedenen Stämmen und Clans bestehende Stammesgesellschaft ist, die das gesellschaftliche und politische Leben bestimmen, und dass die politische Spaltung Libyens nicht entlang ethnischer oder geographischer Grenzen verläuft. Im Laufe seiner staatlichen Entwicklung wurde Libyen in Verwaltungsbezirke unterteilt, die mehrmals einer Reform unterzogen wurden, entsprechend den Stammesgebieten, der Besiedlungsdichte und den geografischen Gegebenheiten, zuletzt erfolgte im Jahre 2007 eine Reduzierung der Verwaltungseinheiten von 32 auf 22 Bezirke, eine Neuaufteilung, die bis heute Gültigkeit hat. Libyen ist das viertgrößte Land Afrikas, allerdings bestehen über neunzig Prozent seiner Fläche aus lebensfeindlicher Wüste, zum Teil, v.a. im Südosten aus Extremwüste, und seine Einwohnerzahl beträgt nur rund sechs Millionen.

Eine Dreiteilung des Landes ist durch nichts zu begründen, außer durch den Wunsch ausländischer Akteure, die libysche Staatlichkeit zu zerschlagen. Sie ist auch schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil sich die politischen Präferenzen der einzelnen Stämme nicht nach einer Ost-, West- oder Süd-Zugehörigkeit aufteilen lassen, denn auch Stämme im Westen unterstützen das Parlament und die LNA. Einzig im ganzen Land durchgeführte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen könnten einen repräsentativen Überblick über die politischen Wünsche der Bevölkerung geben. Noch viel wichtiger allerdings ist, dass sich alle Stämme in einer libyschen Regierung repräsentiert fühlen und ihre Stimme gehört wird. Diesen Vorstellungen entsprach am besten die von Muammar al-Gaddafi in Libyen eingeführte Regierungsform der Dschamahirija mit ihren Räten.

Es muss daher sichergestellt werden, dass Libyen wieder ein einheitliches, souveränes Land wird, das selber über seine Politik entscheidet und in dem alle Bewohner gleichermaßen von dem Reichtum, der dem Land so großzügig beschieden ist, profitieren. Eine Dreiteilung Libyens würde diese politischen Ziele ad absurdum führen.

Geografische Begriffe aus der Kolonialzeit

Es gestaltet sich schon die genaue geographische Bestimmung der Gebiete Tripolitanien, Kyrenaika und Fessan als überaus schwierig, handelt es sich dabei um die Benennung von historischen Provinzen, teils noch aus der Antike stammend. Ihre Grenzen, falls später festgelegt, wurden immer wieder verschoben und verloren mit der Gründung eines libyschen Staates im Jahre 1952 stark an Bedeutung.  Nach dem Ende der Monarchie und der Machtergreifung von Oberst Gaddafi 1969 wurde Libyen zunächst in zehn Gouvernements eingeteilt, anschließend fanden immer wieder Gebietsreformen statt, die letzte 2007, die noch heute gültig ist und 22 Bezirke umfasst.

Karte 1: Die 22 Verwaltungsbezirke Libyens (siehe Anhang: Benennung der Bezirke mit deren Hauptstädten)

 

Es macht fassungslos, wie nun ein Griff in die koloniale Mottenkiste mit völlig überholten geographischen Begriffen dafür herhalten soll, unter dem Deckmäntelchen der Föderation eine Spaltung Libyens zu erzwingen. Der Rückgriff erfolgt auf vorstaatliche Zeiten, als die Region Fessan Teil des algerischen Frankreichs war und 1957 vom französischen Oberst Auguste François Joseph Constantin regiert wurde.


Karte 2: Karte des „Modern day Libya“ auf Wikimedia – schön mundgerecht zerschlagen und gestückelt
 Koloniales Wunschdenken des Westens

 

Hier soll noch einmal auf die historisch-geographischen Begriffe Tripolitanien, Kyrenaika und Fessan eingegangen werden, um diesen Unsinn anschaulich zu machen. Tripolitanien (Land der drei Städte) war eine antike Landschaft im nordwestlichen Teil Libyens, die sich aus den drei antiken Orten Leptis Magna, Sabrata und Oea (dem heutigen Tripolis) zusammensetzte. Der Fessan ist saharisches Wüstengebiet im Südwesten Libyens, einst Siedlungsgebiet des legendären Sahara-Volkes der Garamanten, die als die „Ur-Libyer“ gelten. Die Kyrenaika hingegen ist benannt nach der antiken griechische Stadt Cyrene an der ostlibyschen Mittelmeerküste.

Merkwürdiger Weise erstreckt sich auf neueren Karten, wie sie auch auf Wikipedia zu finden sind, die Kyrenaika im Norden von der Mittelmeerküste ausgehend durch die ganze Sahara bis hinab an die Südgrenze Libyens zum Tschad und in den Sudan. Dies Ausdehnung lässt jede geschichtliche Begründung vermissen und ergibt sich auch nicht aus älteren geographischen Beschreibungen. So lesen wir bei dem Libyen-Reisenden Gerhard Rohlfs (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 1870): „Seit wir Kunde von der heutigen Halbinsel haben, seit circa 26 hundert Jahren, ist die Cyrenaica nur noch im Südwesten, Nordwesten und Nordosten vom Mittelmeere, im Südosten hingegen von der Sahara begrenzt.“[2] Zu dieser Beschreibung findet sich auch eine Karte[3], die eindeutig darauf hinweist, dass mit „Cyrenaica“ nur das fruchtbare Gebiet von der Küste bis zur saharischen Wüste gemeint ist. Und auch im Brockhaus aus dem Jahre 1911 heißt es: „Kyrenaĭka (Cyrenaica), Landschaft an der Nordküste Afrikas (das heutige Barka, s.d.), benannt nach der um 630 v. Chr. von Thera aus gegründeten Stadt Kyrene, seit Darius I. unter pers. Herrschaft, nach Alexanders d. Gr. Tode in Abhängigkeit von den ägypt. Ptolemäern, 118-96 besonderes Königreich eines jüngern Zweiges der Ptolemäer, 67 v. Chr. röm. Provinz, im 7. Jahrh. von den Arabern erobert.“[4] Und das Pierers Universal-Lexikon (1860) weiß: „Kyrenaĭka (a. Geogr.), Landschaft in Nordafrika am Mittelmeere, begrenzt im Osten von Marmarika, im Süden von der Wüste Phazamia, im Westen von der Großen Syrte“.[5]

Eine politische Aufteilung in die drei historischen Teilgebiete Tripolitanien, Kyrenaika und Fessan ist nicht zeitgemäß und ein Rückfall in die überwunden geglaubte Kolonialzeit Libyens, als sich Franzosen und Briten den Fessan streitig machten und die Osmanen wie danach die Italiener bestrebt waren, ihre militärische Macht in die Wüstengebiete der Sahara hinein auszudehnen. Allerdings waren Vorstöße in die bis auf die Oasengebiete unbewohnten, riesigen Wüstenräume noch schwierig und die Besatzung des grünen, fruchtbaren libyschen Küstenstreifens mit seiner Landwirtschaft und den großen Küstenstädten wie Tripolis und Bengasi das vordringliche Bestreben der Kolonialmächte.  Dies änderte sich schlagartig mit den ersten Öl- und Gasfunden in den 1950er Jahren.

Aus historischer Sicht endet die Kyrenaika dort, wo die Wüste beginnt. Das Interesse, den Begriff Kyrenaika für Wüstengebiete bis in den Süden Libyens auszudehnen, liegt allein am Interesse, über die dort vorhandenen großen Bodenschätze die Kontrolle zu erlangen, liegt dort doch das größte Erdölfeld Libyens, das Sarir-Feld.

Erdöl- und Erdgasförderung in den saharischen Wüstengebieten Libyens

Nachdem Anfang der 1950er Jahre erste Erdöl- und Erdgasfunde in den libyschen Wüstengebieten gemacht wurden, verabschiedete Libyen 1955 das erste Ölgesetzt und im Jahre 1956 konnte das erste Erdölfeld die Förderung aufnehmen. Verschiedene westliche Staaten konkurrierten um das Öl, insgesamt waren 42 Erdölgesellschaften in Libyen registriert, davon bestanden die meisten nur aus Tarnfirmen des Big Oil, der großen sechs damals tätigen Ölkonzerne, die über vier Fünftel der Förderung kontrollierten, hier genannt seien die amerikanischen Esso Standard Libya, Occidental und Oasis. Ende der 50er Jahre wurde im Osten ein riesiges Erdölfeld entdeckt. Libyen war das „neue Texas“, die Rockefellers mit ihrem Esso Standard Libya die größten Nutznießer – bis die Dschamahirija-Regierung und Oberst Gaddafi dem ausbeuterischen Spuk ein Ende bereiteten.

Inzwischen wurde ein verzweigten Pipelinesystems zum Transport des Öl und Gases zu den Verladehäfens des Mittelmeers mit ihren Verarbeitungsanlagen geschaffen.

Heute sind neben anderen Erdöl- und Gasfeldern die bedeutendsten libyschen Felder – in der südlichen libyschen Wüste das asch-Scharara- und das el-Feel- Ölfeld, in der östlichen Wüste das Sarir-Feld – im Folge des politischen Machtkampfes seit Monaten durch das libysche Volk und die  Gewerkschaften geschlossen. Eine Wiedereröffnung soll erst erfolgen, wenn die noch in Tripolis herrschende Dabaiba-Regierung ihre Macht an die vom Parlament ernannte Baschagha-Regierung übergeben hat, mit dem Ziel, noch in diesem Jahr Wahlen durchzuführen, auch mit Beteiligung von Saif al-Islam Gaddafi als Präsidentschaftskandidaten.

Karte 3: Erdöl- und Erdgasfelder und Verarbeitungsanlagen sowie Verladehäfen

Am deutschen Gas- und Ölproduzent Wintershall Dea AG, der seit 1958 in Libyen aktiv ist, hält BASF SE einen Anteil von 67 Prozent, während die restlichen Anteile in der Hand des Unternehmens LetterOne sind, dessen Haupteigentümer der russische Oligarch Michael Fridman ist. Aktuell betreibt Wintershall acht Ölfelder im Sirte-Becken, an denen die Beteiligung der russischen Gazprom 49 Prozent beträgt.[5] Dies macht deutlich, dass auch Russland Interessen in Libyen hat. Angesichts der gegen Russland verhängten Sanktionen ist dieses Joint Venture eine heikle Angelegenheit.

[1] https://mondafrique.com/la-france-tentee-par-une-partition-de-la-libye/
[2] https://de.wikisource.org/wiki/Zur_Karte_der_Cyrenaica
[3] https://de.wikisource.org/wiki/Gerhard_Rohlfs%E2%80%99_Routen_in_Cyrenaica_im_Sommer_1869
[4] http://www.zeno.org/Brockhaus-1911/A/Kyrenaika
[5] http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Kyrena%C4%ADka
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Wintershall_Dea#Mittlerer_Osten_und_Nordafrika

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Anhang I: 22 libysche Verwaltungsbezirke mit Verwaltungssitz (in Klammern)

01          al-Butnan (Tobruk)
02          Derna (Derna)
03           al-Dschabai al-Achdar (al-Baida)
04          al-Mardsch (al-Mardsch)
05          Bengasi (Bengasi)
06           al-Wahat (Adschdabiya)
07          al-Kufra (al-Dschauf)
08          Sirte (Sirte)
09          Misrata (Misrata)
10          al-Murgub (al-Chums)
11          Tripolis (Tripolis)
12          al-Dschifara (al-Azizyah)
13          az-Zawiya (az-Zawiya)
14          an-Nuqat al-Chams (Zuwara)
15          al-Dschabal al-Gharbi (Gharyan)
16          Nalut (Nalut)
17          al-Dschufra (Hon)
18          Wadi asch-Schati (Adiri)
19          Sebha (Sebha)
20          Wadi al-Haya (Awbari)
21          Ghat (Ghat)
22          Murzuq (Murzuq)

 

Anhang II: Links zu Ölgesellschaften:

https://mellitahog.ly/en/sites-map/

https://www.nsenergybusiness.com/projects/el-sharara-oil-field/#

https://sarir-oil.com/en/soo-locations/