Libyen. Bashagha demonstriert nach Ankara-Besuch Stärke – Sarradsch suspendiert vorübergehend Bashagha – Sarradsch-Milizen verhindern Demonstrationen

+ Der Grüne Platz in Tripolis ist inzwischen komplett von Bashagha-Milizen und Erdogan-Söldnern gesperrt, auf Demonstranten wird geschossen.
https://twitter.com/AbuSaleemDF/status/1299414667354411008

+ Die Anwaltsvereinigung in Tripolis unterstützt die Anliegen der friedlichen Demonstrationen, darunter die Freilassung von Häftlingen und die Verbesserung der Lebensbedingungen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1300083996597071872

+ 28.08.: Milizen der ‚Einheitsregierung‘ eröffnet das Feuer auf eine Reihe von Demonstrantinnen in der libyschen Hauptstadt Tripolis.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1299375185469071361

+ Bashagha demonstriert in Tripolis Stärke:
https://twitter.com/LibyaReview/status/1299778111542898688

Während in Tripolis der Machtkampf tobt, werden die Anliegen der Demonstranten immer mehr vernachlässigt. Die Volksbewegung wird sich das nicht lange gefallen lassen.

+ 30.08.: Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Bashagha, ist wegen des gewaltsamen Vorgehens seiner Sicherheitskräfte mit Schüssen gegen friedliche Demonstranten in Tripolis für 72 Stunden von seinem Amt suspendiert worden. Sein bisheriger Stellvertreter wird die Vertretung übernehmen. Für die Sicherheitslage in Tripolis ist nun Osama Juweili aus Zintan zuständig.
Bashagha erklärte sich bereit, für eine Untersuchung zur Verfügung zu stehen. Voraussetzung, dass diese im Fernsehen übertragen werde.
Die Absetzung von Bashagha dürfte auf Berichte über einen vereitelten Putschversuch gegen Sarradsch zurückzuführen sein, den Bashagha in Zusammenarbeit mit Mishri und der Moslimbruderschaft geplant hatte.
In Misrata, der Stadt der Erdogan hörigen Moslembrüder, fand eine Demonstration zu Gunsten Bashaghas statt. Auch Auto-Konvoys aus Misrata machten sich auf den Weg nach Tripolis.
http://en.alwasat.ly/news/libya/293763

https://twitter.com/AbuSaleemDF/status/1299824721371037696

+ Währenddessen beteuerte die US-Botschaft ihre engen Beziehungen sowohl zu Sarradsch als auch zu Bashagha. Die beiden möchten doch bitte kooperieren.

+ 29.08.: Khaled al-Mishri, Vorsitzender d Hohen Staatsrates und führendes Mitglied der Muslimbruderschaft, besuchte Ankara und traf sowohl den türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar als auch den Außenminister Mevlüt Çavuşoglu. Gesprochen wurde über die Themen Waffenstillstand und wirtschaftliche Entwicklung.
https://almarsad.co/en/2020/08/29/before-bashaghas-suspension-mishri-meets-with-turkish-ministers-to-discuss-ceasefire-and-economic-projects/

+ 29.08.: Ein Artikel auf Al-Marsad beschäftigt sich mit Fathi Bashagha und der politischen Situation in Tripolis: Seit dem Beginn der Volksbewegung in Tripolis steht insbesondere der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ Bashagha im Kreuzfeuer. Weder ist ihm die Kontrolle der Demonstrationen noch der Schutz der friedlich protestierenden Libyer gelungen, noch konnte er die Freilassung der Entführten aus den Gefängnissen bewirken, die angeblich seinem Befehl unterliegen.
Die Milizen der Hauptstadt – RADA Deterrence Forse, an-Nawasi, Ghniwa und die ‚Tripolis Revolutionäre‘ – unterstützen Sarradsch, den Premierminister der ‚Einheitsregierung‘, obwohl sie offiziell dem Innenministerium unterstehen.
Zu diesen Milizen, genannt das ‚Tripolis-Kartell‘, mit ihren hinlänglich beschriebenen kriminellen Machenschaften kommen nun auch noch die türkischen Aktivisten und über 15.000 syrische Söldner hinzu, was die Lage im Sicherheitssektor von Tripolis noch mehr erschwert.
Die Moslembruderschaft und die Anhänger des radikal-islamistischen Geistlichen Sadiq al-Ghariani versuchen, die spontane Volksbewegung mit ihren Forderungen zu unterwandern und deren Führung zu übernehmen. Bisher waren ihre Bemühungen allerdings vergeblich.
Sie stellen Forderungen auf wie Abhaltung des Verfassungsreferendums, Kommunalwahlen und Reformen, gehen aber nicht auf die wichtigste Forderung nach der Abberufung von Amtsträgern wie dem Chef der libyschen Zentralbank (CBL), Siddiq al-Kebir, ein. Dies würde nämlich eine von der Türkei gesetzte rote Linie überschreiten – aus bekannten Gründen. Und schon gar nicht wird auf die unsäglichen Lebensbedingungen der Menschen und deren ganz konkreten Forderungen wie ausreichende Versorgung mit Strom und Wasser sowie Bargeld eingegangen.
Bashagha und sein Innenministerium, in das für Ausrüstung und Ausbildung Milliarden gesteckt wurden, ist ein Fake-Ministerium – ebenso wie alle anderen Ministerien, die keinerlei Zweck erfüllen.
Mishri und Bashagha waren zum Rapport in Ankara (Bashagha zeigte sich umgeben von Milizsoldaten, um seinen Kampfbereitschaft gegen die Sarradsch-loyalen Kräfte zu demonstrieren) – während die Milizen von Sarradsch jeden Versuch der Menschen, auf die Straße zu gehen, im Keim ersticken.
Zwei Möglichkeiten, wie es jetzt weitergeht: Entweder geht Bashagha mit Unterstützung der Moslembruderschaft aggressiv in Tripolis vor, um die festgefahrene Situation endgültig zu seinen Gunsten zu drehen; oder Sarradsch kommt der Türkei noch weiter entgegen, überweist noch mehr Gelder, unterschreibt noch mehr Wirtschafts- und Ölverträge, damit sie ihm seine Stellung lassen, während versucht wird, die Straße mit falschen Versprechungen zu befrieden.
Bashagha könnte den Kampf um Sirte befeuert, damit zum einen alle Verhandlungswege abgeschnitten sind, die zu seinem Sturz führen könnten, und zum anderen alle Volksbewegungen beendet werden. Mishris Rolle besteht darin, Wahlen ins Gespräch zu bringen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Gleichzeitig werden die Wahlen behindert, indem auf einer Verfassungsreform bestanden wird, deren Umsetzung mindestens eineinhalb Jahre benötigt.
Es stellt sich die Frage, wie ein international anerkanntes Innenministerium, das von der UNSMIL und den USA unterstützt wird, sich seiner Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung einfach entziehen kann. Ein Ministerium, das nur auf dem Papier existiert und versucht, die Volksbewegung zu unterwandern. Da Bashaghas Ehrgeiz keine Grenzen zu kennen scheint, ist ein Putsch denkbar, um die von ihm gewünschten Veränderungen durchzusetzen.
Sarradsch und Bashagha wurden im Jahr 2014 gewählt. Letzterer war Leiter des NATO-Koordinierungsleitstelle in Misrata, während der andere die Ereignisse auf Al-Jazeera verfolgte.
Bashagha war auch der operative Kopf des berüchtigten Libya Dawn (Fajr Libya), dessen Aktionen für die aktuelle Situation verantwortlich sind und zum Skhirat-Abkommen und der Einsetzung des Präsidialrats führten. Heute beschreibt ein libyscher Kommentator den Innenminister als Vorsteher eines „Photoshop-Ministeriums“, der nur über ein Portfolio und einen Stempel verfügt, mit denen er die aus der Türkei erhaltenen Erklärungen weitergibt.
https://almarsad.co/en/2020/08/30/the-interior-ministry-of-luxurious-convoys-fails-to-protect-the-protest-movement-masterminds-coup-with-the-muslim-brotherhood/

Erdöl

+ 30.08.: „Die Türkei hat Griechenland für den Fall einer Ausdehnung seiner Territorialgewässer in der Ägäis offen mit einer militärischen Auseinandersetzung gedroht. >Wenn das kein Kriegsgrund ist, was denn sonst?<, sagte Vizepräsident Fuat Oktay der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge.
Ankara reagierte mit den Drohungen auf die Ankündigung Griechenlands vom Mittwoch, seine Hoheitszone im – Italien zugewandten – Ionischen Meer von sechs auf zwölf Seemeilen auszudehnen. Über ein solches Vorhaben auch in der Ägäis sprach der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nicht. Athen will Ankara mit der begrenzten Ausdehnung nur im Westen nicht provozieren. Griechenland behält sich zwar das Recht vor, nach internationalem Recht auch anderswo seine Hoheitsgewässer auszudehnen, wann und wo ist aber unklar.
Die EU-Außenminister hatten am Freitag Ankara ultimativ zum Dialog mit Griechenland aufgerufen. Andernfalls könne der EU-Sondergipfel am 24. September über weitere Strafmaßnahmen gegen die Türkei diskutieren. Der türkische Außenminister Çavuşoğlu sagte dazu: >Mit Sanktionen wird diese Sache nicht gelöst.> Europa müsse ein ehrlicher Vermittler sein.“

https://deutsch.rt.com/international/106111-wenn-griechenland-hoheitszone-ausdehnt-tuerkei-droht-offen-mit-krieg/

+ Mikis Theodorakis setzt derweil auf Verständigung mit der Türkei.
https://deutsch.rt.com/europa/106057-griechische-musiklegende-mikis-theodorakis-tuerkei-partnerin-nicht-rivalin/