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Kurznachrichten Libyen – 27. 09. 2021

Gezerre um Dezemberwahlen artet in Polit-Zirkus aus / Annäherung LNA und Türkei? / Ein Senussi möchte wieder König werden / 76. UN-Vollversammlung

+ 25.09.: Türkei/Gaddafi. Bei RT heißt es: „Nachdem die Türkei ihre engen Beziehungen zur Muslimbruderschaft gelockert hatte, um ihre Beziehungen zu den wichtigsten Akteuren in der arabischen Welt wie Ägypten zu normalisieren, wiederbelebt sie nun ihren Kurs in Libyen, indem sie Kontakte zu Familienmitgliedern des ermordeten früheren Staatschefs Muammar al-Gaddafi pflegt.“
Die Türkei sei an der Freilassung von as-Saadi al-Gaddafi beteiligt gewesen und dies könne darauf abzielen, „in das Szenario eines möglichen Comebacks der Gaddafi-Familie in Libyen zu investieren“. Die Rückkehr der Familie-Gaddafi auf der politischen Bühne in Libyen sei wahrscheinlich.
Ankara habe erkannt, „dass seine in Tripolis ansässigen Verbündeten nicht in der Lage sein würden, die Interessen der Türkei allein zu sichern und dass die Situation vor Ort nach den Präsidentschaftswahlen am 24. Dezember schwankender sein würde, versucht Ankara nun, seine Verbündeten zu diversifizieren.“
https://de.rt.com/international/124633-libyen-konflikt-warum-wendet-sich/

+ 27.09.: Flugaufkommen Türkei. Die Intensität des Flugaufkommens türkische Militärmaschinen nach Westlibyen hat in der Zeit vom 13. bis 24. September stark zugenommen: Es wurden fast 10 Flüge der militärischen Transportflugzeuge TuAF A400M-180 aufgezeichnet. Es stelle sich die Frage, ob die Türkei syrische Söldner aus Libyen abzieht oder ob etwas Größeres dahinter steckt.
https://twitter.com/mahmouedgamal44/status/1442311325581934597/photo/3
https://twitter.com/mahmouedgamal44/status/1442311327981133826
Das ist wirklich die große Frage, was hier vor sich geht. Der Abzug ausländischer Söldner aus Libyen ist eine der Hauptforderungen Ägyptens an die Türkei.

+ 25.09.: 5+5-Militärkommission. Die libysche Außenministerin Najla al-Mangusch gab bekannt, dass die 5+5-Militärkommission (JMC) in Kürze einen Plan für den Abzug aller ausländischen Truppen und Söldner aus dem Land vorlegen wird.
https://libyareview.com/16875/libyas-jmc-announces-plan-for-withdrawal-of-foreign-forces/

+ 20.09.: Frankreich/Libyen-Konferenz. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian kündigte an, dass Frankreich am 12. November 2021 eine internationale Libyen-Konferenz ausrichten wolle. Deutschland und Italien seien dabei behilflich, die Dezemberwahlen in Libyen sollen pünktlich abgehalten werden.
https://libyareview.com/16764/france-to-host-international-conference-on-libya-in-november/

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Libyen und die arabische Welt von 1911 bis 1925

Kolonialismus/Erster Weltkrieg. Ein geschichtlicher Abriss: türkisch-italienischer Krieg / Erster Weltkrieg / Ende des Osmanischen Reiches / libyscher Freiheitskampf / Verrat an der arabischen Welt

Der türkisch-italienische Krieg 1911/1912

Das Osmanische Reich, das über weite Gebiete des Nahen Ostens und Nordafrikas herrschte, musste bereits 1830 Algerien und 1881 Tunesien an Frankreich abtreten. Im Jahr 1882 verloren die Osmanen auch Ägypten, das an die Briten fiel.

Das Gebiet des heutigen Libyens befand sich noch unter osmanischer Herrschaft, auch wenn bereits Ende des 19. Jahrhunderts italienische Banken und Geschäftshäuser an der Küste von Tripolitanien und der Kyrenaika den Ton angaben.

In Italien, das 1871 als Monarchie vereint worden war, hegte König Viktor Emanuel III. den starken Wunsch, sich ebenfalls als Kolonialmacht zu behaupten und dem geschwächten Osmanischen Reich die Herrschaft über Libyen zu entreißen. Das Presseorgan der „Associazione nazionalista italiana“, Ideà Nazionale, schrieb über die kolonialen Ziele Italiens: „Der Nationalismus Italiens ist Afrikanismus“. Italien habe die heilige Mission zu erfüllen, die „hellenische Schönheit“ der Küstenstädte Libyens von türkischer Misswirtschaft zu befreien. Der „Bevölkerungsüberschuss“ solle dort abgesetzt werden und Italien benötige Kolonien, um für die wachsende Industrie genügend Rohstoffe zur Verfügung zu haben. Dies schaffe Arbeitsplätze und erleichtere den Handel. Und die Zeitung La Stampa schrieb 1911: „Libyen ist das gelobte Land, Italien von der Vorsehung zugesprochen.“

An diesem gewinnversprechenden, kolonialistischen Vorhaben war auch der Vatikan interessiert. Seine Banco di Roma hatte bereits Konzessionen für Bergwerke, Industrieanlagen und Schifffahrtsunternehmen in Libyen erworben und war somit für die dort erhofften goldenen italienischen Zeiten bestens gerüstet.

Am 28. September 1911 bezogen italienische Kriegsschiffe vor Tripolis unter dem Vorwand Stellung, dass sich die Osmanen zu sehr in ihre Handelsgeschäfte einmischten und dass italienische Staatsbürger in Tripolis und Bengasi zu schützen seien. Am 29. September 1911 erklärte Italien dem Osmanischen Reich den Krieg.

Zu dieser Zeit befanden sich nur noch wenige türkische Streitkräfte innerhalb Tripolis, so dass an eine Verteidigung nicht zu denken war. Am 4. Oktober rückte eine 34.000 Mann starke italienische Armee, unterstützt von Kriegsschiffen und Flugzeugen, gegen etwa 4.200 osmanische Soldaten vor. Durch Beschuss des nahe dem Hafen gelegenen Forts wurde auch ein Wohnviertel in Mitleidenschaft gezogen. Noch im Oktober 1911 fielen die Küstenstädte Tripolitaniens und der Kyrenaika.

In der Stadt Tripolis verbreiteten die Italiener die Bekanntmachung, dass die Rechte der Bevölkerung geachtet sowie die Religion als heilig angesehen und die Frauen geschützt würden. Im krassen Gegensatz dazu stand das tatsächliche Verhalten der Soldaten, die Angst und Schrecken verbreiteten, mordeten, vergewaltigten, plünderten und Moscheen entweihten. Zeuge dieser Vorgänge wurde der deutsche Ethnograph G. A. Krause, der in einem Interview mit dem Berliner Tageblatt einen italienischen Offizier zitierte, der die Morde der Invasoren an tausenden Zivilisten damit rechtfertigte, dass dieses brutale Vorgehen einen tiefen Eindruck bei den Arabern hinterlasse. An anderer Stelle schrieb G. A. Krause: „Die Eingeborenen verlangen Gewehre und Kanonen, um sich verteidigen zu können… Ein gewöhnlicher Arbeiter, den ich fragte, was sich die Leute erzählen, sagte nur: Die Italiener wollen das Land nehmen.“

In Italien formierte sich eine Gegenbewegung, die sich den kolonialen Kriegen widersetzte. Die Arbeiterbewegung war am Erstarken und ihre Führer riefen zu Demonstrationen und Streiks auf, um den Krieg in Libyen zu verhindern. Erfolglos.

Am 1. November 1911 schrieb Italien traurige Waffengeschichte: Es flog in Libyen den weltweit ersten Bombenangriff, bei dem drei je zwei Kilogramm schwere Bomben auf türkische Verbände abgeworfen wurden und zeigte damit umso mehr, dass der „kranke Mann am Bosporus“ den italienischen Streitkräften hoffnungslos unterlegen war.

In Istanbul war man nicht bereit, die von Italien eroberten libyschen Gebiete kampflos aufzugeben. Die politische Bewegung der Jungtürken bereitete sich unter der militärischen Führung von Enver Pascha darauf vor, von Ägypten aus einen Guerillakrieg gegen die Italiener zu führen, die im Osten Libyens die Städte Bengasi, Tobruk und Derna besetzt hatten. Enver konnte unter seiner Fahne auch arabische Kämpfer sammeln, die sich gegen die italienische Fremdherrschaft zur Wehr setzen wollten.

Der Guerillakrieg um die ostlibysche Stadt Derna war so erfolgreich, dass es den Italienern kaum möglich war, ihre Stellungen zu verlassen; an eine Eroberung des Hinterlands der Kyrenaika war nicht zu denken.

Die Italiener entwarfen den Plan, die Türken an anderen Orten so stark zu binden, dass sie gezwungen waren, ihre Soldaten aus Libyen abzuziehen. Sie brachten  die Osmanen, die auch im Jemen und auf der Arabischen Halbinsel in Kämpfe verwickelt waren, beispielsweise im Hafen von Beirut oder auf dem Balkan so in die Defensive, dass sich diese genötigt sahen, am 18. Oktober 1912 einen Friedensvertrag mit Italien zu akzeptieren, in dem Libyen den Italienern zugesprochen wurde. Die europäischen Großmächte erkannten die neue italienische Kolonialmacht in Libyen an.

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Kurznachrichten Libyen – 20.09.2021

Freilassung politischer Gefangener gefordert / Aufruf zur Abhaltung der Dezemberwahlen / Misstrauensantrag gegen Dabaiba / Abkommen mit Ägypten

+ 12.09.: Politische Gefangene. Im Fessan forderten namhafte Honoratioren die Freilassung aller politischen Gefangenen, darunter Personen aus der Dschamahirija-Zeit wie Abdullah as-Senussi (ehemals Leiter des militärischen Geheimdienstes), Generalmajor Abdullah Mansour, Generalmajor Mansour Daou und Ahmed Ibrahim. Die Politik der „Marginalisierung und Ausgrenzung“ müsse beendet werden.
Auch National Commission for Human Rights in Libya (NCHRL) forderte erneut die Freilassung aller politischen Gefangenen, einschließlich derjenigen, die keiner Straftat für schuldig befunden wurden, sowie derjenigen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben.
https://libyareview.com/16399/tribal-leaders-in-southern-libya-call-for-release-of-gadaffi-regime-figures/
Das US-Justizministerium hat angekündigt, Abdullah Senussi zusammen mit Abu Agila Massud in Zusammenhang mit dem Lockerbie-Attentat anzuklagen. Dies steht wohl einer Entlassung Senussis entgegen. Dabei dürfte inzwischen jedem, der näher mit dem Lockerbie-Fall vertraut ist, klar sein, dass Libyen als Drahtzieher des Lockerbee-Attentats nicht in Frage kommt.

+ 13.09.: Politische Gefangene. Auch in der südlibyschen Stadt Sebha forderten Bewohner die GNU-Regierung, den Präsidialrat und das Parlament dazu auf, die Anhänger der ehemaligen Dschamahirija-Regierung unverzüglich freizulassen.
https://libyareview.com/16449/southern-libya-residents-demand-release-of-gaddafi-supporters/

+ 15.09.: Hannibal Gaddafi/Libanon. Ahmed Gaddaf ad-Dam, der Cousin des ehemaligen Staatschefs Muammer Gaddafi, hofft auf die Freilassung von Hannibal Gaddafi, der im Libanon inhaftiert ist. Er sagte, das Verbrechen seiner Entführung sei „ein Affront gegen den Libanon und die libanesische Justiz. Es bedeutet nichts anderes als eine historische Schande für die Täter“. Ad-Dam appellierte an die neu gewählte libanesische Regierung, Hannibal Gaddafi freizulassen. Die würde „eine neue und helle Seite in den libysch-libanesischen Beziehungen aufschlagen“.
https://libyareview.com/16500/gaddaf-al-dam-urges-lebanon-to-release-hannibal-gaddafi/
Seit 2015 wird Hannibal Gaddafi im Libanon gefangen gehalten. Laut seiner Ehefrau, einer Libanesin, wurde er am 11. Januar 2015 von einer bewaffneten Miliz in Syrien entführt und mit Gewalt über das Bekaa-Tal in den Libanon verschleppt. Während der sieben Tage, in denen er sich in Gewalt dieser Miliz unter der Führung von Hassan Jacob befand, wurde er physisch und psychisch misshandelt. Er sollte Informationen über den Verbleib von Musa al-Sadr und seiner Begleiter geben. In einem von der Gruppe Amal Movement veröffentlichten Video musste der durch Folterspuren gezeichnete Hannibal in einer Botschaft fordern, dass alle Beweise bezüglich des Falles Mussa Sadr unverzüglich veröffentlicht werden. Hannibal Gaddafi war zur Zeit des Verschwindens von Musa-al-Sadr gerade einmal zwei Jahre alt. Nachdem den Entführern klar war, dass Hannibal über keinerlei der geforderten Informationen verfügte, übergaben sie ihn auf der Straße von Baalbek libanesischen Sicherheitskräften, die ihn ohne Haftbefehl gefangen nahmen. Anschließend wurde er einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Die Verhaftung und Vernehmung Hannibal Gaddafis erfolgte ohne richterliche Anordnung-
siehe auch:
https://www.freitag.de/autoren/gela/streit-zwischen-libanon-und-libyen-eskaliert

+ 14.09.: Erdöl/Blockade. In den Häfen Ras Lanuf und as-Sidra (libyscher Ölhalbmond) blockieren Demonstranten die Ölverladung auf Tanker.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1437707589488365568

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Der libysche Freiheitsheld Omar al-Muchtar

Am 16. September 2021 jährte sich der 90. Todestag des libyschen Nationalhelden Omar al-Muchtar. Er wurde von italienischen Kolonialtruppen erhängt.

Omar al-Muchtar (al Mukhtar) wurde 1862 geboren, war Korangelehrter der bedeutenden religiösen Bruderschaft des Senussi-Ordens und führte von 1923 bis 1931 in der Kyrenaika den libyschen Widerstand gegen die italienische Kolonialmacht an.

Im Oktober 1922 hatte Benito Mussolini in Italien die Macht ergriffen mit dem erklärten Ziel, das antike Römische Reich wieder aufleben zu lassen. Für Libyen, das unter italienischer Kolonialherrschaft stand, hatte dies verheerende Folgen. Nachdem Mussolini die „Wiedereroberung“ und „Ausweitung des Kolonialbesitzes“ ausgerufen hatte, organisierte sich der libysche Widerstand neu.

Der italienische Generalgouverneur für Libyen kündigte alle in dem Land geschlossenen Verträge und 1927 wurde die Gleichstellung von Italienern und Libyern aufgehoben. Jeder libysche Widerstand sollte von nun an kompromisslos unterdrückt werden.

Brennpunkte des Aufbegehrens gegen die Kolonialmacht waren zunächst Tripolitanien und der Fessan. In den Nafusa-Bergen wurde jedes Dorf zu einer Festung ausgebaut. Als es den Italienern dank ihrer waffentechnischen Überlegenheit– sie kämpften mit Panzern und Flugzeugen gegen die berittenen und nur mit Gewehren ausgerüsteten Libyer – gelang, in Tripolitanien die Stämme zu bezwingen, gingen sie als nächstes gegen die Kyrenaika vor. Dort führte seit 1923 der Senussi-Scheich Omar al-Muchtar den Widerstand der Freischärler an. Der Partisan und Freiheitsheld Muchtar bot mit seiner kleinen Partisanengruppe zwanzigtausend italienischen Soldaten Paroli und schrieb damit Geschichte. Muchtar gehörte zum Stamm der Minifa, hatte eine traditionelle Erziehung bei den Senussi genossen und trug den Titel eines Bevollmächtigten des Emirs.

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Kurznachrichten Libyen – 07.08.2021

Milizenkämpfe und Ausgangssperren / Italien greift nach Libyens Süden / Keine Einigung über Verfassungsgrundlagen der Wahlen und keine Verabschiedung des Wahlgesetzes / Skandal um Plätze in Rettungsflug

+ 06.08.: Milizenkämpfe. In der Gegend von Bir Sardin (südlich der Stadt az-Zawiya/westliches Libyen) wurde ein Lebensmittelgeschäft in die Luft gesprengt. Die starke Explosion steht in Zusammenhang mit Milizenkämpfen um die Kontrolle von Teilen der Küstenstraße und soll eine Racheaktion von az-Zawija-Milizen sein. Das gesprengte Lebensmittelgeschäft gehörte dem Bruder des Wirschefana-Miliz-Führers Muammar ad-Dhawi. Die Wirschefana-Milizen hatten vor kurzem Treibstoffschmuggler der al-Zawiya-Milizen an der Küstenstraße gestoppt.
Bereits vor einer Woche kam es in der al-Maya-Region (westliches Libyen) zu Kämpfen zwischen az-Zawiya-Milizen und Wirschefana-Milizen, bei denen auch schwere Waffen zum Einsatz kamen.
https://libyareview.com/15455/renewed-militia-clashes-in-western-libya/

+ 01.08.: Milizenkämpfe. Italien beobachtet die Kämpfe zwischen den Milizen von Zawia und Tripolis aus der Luft, denn die Zusammenstöße nähern sich der Raffinerie von az-Zawia (ENI).
https://twitter.com/ItaMilRadar/status/1421401258297016320

+ 06.08.: Ausgangssperre. In den westlichen Regionen wurde die Ausgangssperre verschärft. Die libysche Regierung verhängte eine vollständige Ausgangssperre für Samstag, Sonntag und Montag in der westlichen Region. Die anderen Regionen sind davon ausgenommen. War sie bisher nur von 18.00 bis 6.00 Uhr in Kraft, gilt sie nun 24-stündig. Angeblich soll damit die Ausbreitung von Covid-19 eingeschränkt werden. Im östlichen und südlichen Libyen gilt keine Ausgangssperre.
https://www.libyaherald.com/2021/08/06/western-libyas-partial-lockdown-raised-to-a-total-lockdown-for-this-saturday-sunday-and-monday/
Der Ausgangssperre gingen Aufrufe zu Demonstrationen gegen die Muslimbruderschaft in Tripolis voraus. Die GNU-Regierung fürchtet ein Übergreifen der tunesischen Unruhen und Proteste auf das westliche Libyen.

+ 31.07.: Zensur/Tripolis. Die Rada-Miliz hat den Journalisten Ahmed as-Senussi in der libyschen Hauptstadt verhaftet, wohl weil er einen Protest gegen die Libysche Zentralbank organisieren wollte. Nachdem as-Senussi live vor der Zentralbank in Tripolis aufgetreten war und seine Anhänger aufgefordert hatte, die angekündigte Demonstration auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, erfolgte seine Festnahme.
Nach einem „Gespräch“ mit al-Ahrari, einem Milizenführer von Abu Salim, der unter Sarradsch die Abteilung Innere Sicherheit der ‚Einheitsregierung‘ leitete, wurde as-Senussi wieder auf freien Fuß gesetzt.
Die Rada-Miliz betreibt neben dem Schutz der Libyschen Zentralbank auch das verrufene Mitiga-Gefängnis auf dem gleichnamigen Flughafen von Tripolis, in dem immer noch viele unrechtmäßig festgehaltene Gefangene einsitzen. Die Rada-Miliz ist offiziell mit dem Innenministerium verbunden, trägt aber Militäruniform.
As-Senussi hatte seine Facebook-Follower aufgerufen, das „Bankensystem zu retten und eine erneute politische Spaltung zu vermeiden“. Es entbehre jeder Vernunft, dass „die Reichen des Landes einen USD für 4,48 LD bekommen und die Armen dafür mehr als fünf LD bezahlen müssen.“
Vor wenigen Tagen hatte der libysche Boxer Malik Zinad „die Ausweisung von Siddiq al-Kebir“, seines Zeichens Bankster und Chef der Libyschen Zentralbank, aus Libyen gefordert. Später löschte Zinad seinen Beitrag wieder.
LibyaReview schreibt: „Die Abwertung des libyschen Dinars ist das Ergebnis von Chaos, politischer Spaltung und der Macht bewaffneter Gruppen seit dem Ende der Herrschaft des verstorbenen Führers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011. Harte Fremdwährungen sind nicht in Banken erhältlich, sondern auf dem Schwarzmarkt. Der Tageskurs wird auf dem al-Mushir-Währungs- und Goldmarkt in der Altstadt hinter dem Zentralbankgebäude festgesetzt“.
Libyen, das einst reichste Land Afrikas und Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die Auszahlung der Grundrenten verzögere sich um mehr als drei Monate, Bargeld sei Mangelware, Entwicklungsprojekte würden gestoppt.
Als im August letzten Jahres Demonstranten in Tripolis vor dem Hintergrund der sich ständig verschlechterten Lebensbedingungen die Absetzung von Siddiq al-Kebir forderten, wurden sie von der an-Nawasi-Miliz beschossen. Obwohl vehement die Absetzung von al-Kebir, der der Moslembruderschaft nahesteht, gefordert wurde, ist er immer noch im Amt. https://libyareview.com/15325/journalist-arrested-in-libyan-capital-for-organising-a-protest-against-libyan-central-bank/
Siehe auch: https://www.freitag.de/autoren/gela/libysche-zentralbank-und-moslembruderschaft

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Kurznachrichten Libyen – 29.06.2021

Nachlese Berlin-II-Konferenz / Libyer auf humanitäre Hilfe angewiesen / Tauziehen um Dezemberwahlen

+ 22.05. Berlin-II-Konferenz/Maas/Dabaiba: Der deutsche Außenminister Heiko Maas fragt den libyschen Premierminister Dabaiba, als dieser neben ihm Platz nimmt, woher er kommt: „Where are you from?“
https://twitter.com/LibyaReview/status/1407631278552256516
Geht es noch eine Nummer peinlicher?

+ 22.05.: Berlin-II/Maas. Dabaiba und die libysche Außenministerin al-Mangoush trafen am Rande der Berlin-II-Konferenz mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas zusammen. Sie besprachen die laufenden Vorbereitungen für die nationalen Wahlen im Dezember und den Abzug ausländischer Kämpfer. Dababai traf sich auch mit Merkel.
https://libyareview.com/14345/maas-dbaiba-hold-talks-in-berlin/

+ 22.06.: Berlin-II/Türkei. Der türkische Außenminister Çavuşoğlu traf sich in Berlin separat mit Libyens Übergangspremierminister Dabaiba. Thema war die Koordinierung der politischen Positionen, die auf der Berliner Konferenz vorgebracht werden sollen.
In einem Tweet über seinen offiziellen Account auf Twitter teilte der türkische Außenminister Cavusoglu mit, dass er auch mit seinem deutschen Amtskollegen Fragen der Einwanderung und der türkisch-europäischen Beziehungen besprochen hat, allen voran das Abkommen über die Zollunion und den Tourismus.
https://almarsad.co/en/2021/06/23/berlin-ii-davutoglu-discusses-with-german-foreign-minister-migration-and-turkish-european-relations/

+ 22.06.: Berlin-II/Wirtschaftsinteressen. Der libysche Premierminister Dabaiba rief bei einem Treffen am Rande der Berlin-II-Konferenz mit dem deutschen Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier zu einem verstärkten Handel zwischen den beiden Ländern auf.
https://www.libyaherald.com/2021/06/23/aldabiaba-seeks-increased-trade-with-germany-at-berlin-economic-roundtable/

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Kurznachrichten Libyen – 04.06.2021

Türkei im Verdacht, in Libyen KI-Kamekaze-Killerdrohnen eingesetzt zu haben / Große Militärparade in Bengasi / 2. Berliner Libyen-Konferenz geplant

+ 30.05.: Kamekaze-Killerdrohnen/Türkei. Laut einem Expertenbericht für den UN-Sicherheitsausschusswird vermutet, dass in Libyen als erstem Land weltweit türkische Kampfdrohnen zum Einsatz kamen, die durch künstlicher Intelligenz gesteuert waren. Dies wäre der erste Einsatz von Robotern in Form eines Drohnenschwarms auf Menschen gewesen. Der Angriff der Killerdrohnen sei von der Türkei auf Einheiten der Libyschen Nationalarmee (LNA) im März 2020 gestartet worden.
Es kamen sogenannte „Kargu-2“-Drohnen aus türkischer Produktion zum Einsatz. Diese stürzen sich aus der Luft auf ihre Ziele, um beim Aufprall zu detonieren – gesteuert von einem KI-System, das selbständig Ziele identifizieren, verfolgen und auch töten kann. Ihr Einsatz verstößt gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahr 2011, die es den Mitgliedsstaaten verbietet, sich an der >direkten oder indirekten Lieferung, dem Verkauf oder dem Transfer< von Waffen nach Libyen zu beteiligen.
https://www.buchkomplizen.de/blog/politik/in-libyen-wurden-erstmals-autonome-kamikazedrohnen-eingesetzt/
So wird Libyen zum zweiten Mal trauriger Schauplatz der Waffengeschichte: Am 1. November 1911 schrieb Italien dort ein finsteres Kapitel als es in Libyen den weltweit ersten Bombenangriff flog, bei dem drei je zwei Kilogramm schwere Bomben auf türkische Verbände abgeworfen wurden. Das Opfer von damals ist der Täter von heute.
Und schon damals kämpften die Türkei und Italien um die koloniale Vorherrschaft in Libyen.

Auch unter weiteren Bombardierungen hatte Libyen in den 30er Jahren durch das faschistische Italien zu leiden: In einem Artikel der Arbeiterillustrierten (Nr. 23/1931) hieß es: „…Reizende Fliegeraufnahmen, die das Herz jedes modernen Photographen erfreuen würden, zeigen den neckischen Effekt, den platzende Fliegerbomben in der Beduinenstadt Bu‘gen hervorrufen. Nicht umsonst hat man auf dem letzten Flugtag in Rom am Ufer des Tiber ein kleines Araberdorf aufgebaut, um daran das Einschlagen von Fliegerbomben zu demonstrieren.“ Tatsächlich regnete es zur Abschreckung unter dem Befehl von Marschall Italo Balbo bis 1934 Sprengbomben auf libysche Zeltlager, Dörfer und auf die Oasenbevölkerung.
Siehe auch: https://www.freitag.de/autoren/gela/die-italiener-in-libyen-langfassung
Türkei und Italien kämpften schon damals um die koloniale Vorherrschaft in Libyen.

+ 31.05.: Italien/Dabaiba. Der libysche Übergangspremierminister Dabaiba weiß auf einem Forum „Neues Libyen stellt sich bei italienischen Unternehmen vor“ in Rom zu sagen: „Italien und Libyen haben in der Vergangenheit immer zusammengearbeitet, ENI ist einer unserer größten Ölpartner […] Natürlich ist Italien der beste Partner“.
https://libyareview.com/13678/libyan-pm-discusses-business-opportunities-with-italy/
Diese Aussage dürfte den italienischen Politikern schon besser gefallen haben als das Bild, das sich Gaddafi bei seinem Italienbesuch an die Brust geheftet hatte: Ein Bild des libyschen Freiheitshelden Omar Muktar, den die Italiener an den Galgen hängten.

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Kurznachrichten Libyen – 26.05.2021

Immer wieder die Forderung nach Dezemberwahlen, Abzug aller ausländischen militärischen Kräfte und Söldner und Nichteinmischung des Auslands.

+ 17.05.: EU/Tripolis. Die EU-Mission hat ihr Büro in Tripolis wiedereröffnet.
https://www.libyaherald.com/2021/05/17/eu-reopens-its-mission-in-tripoli/

+ 17.05.: Türkei/Dabaiba. Mitglieder des Energieausschusses des Parlaments sandten im Namen der Mitarbeiter und Experten von General Electricity ein Memorandum an den GNU-Premierminister ad-Dabaiba und gaben bekannt, dass die Regierung die Zusammenarbeit mit dem türkischen Unternehmen Calik Energy einstellen und stattdessen einen Vertrag mit dem türkischen Unternehmen IKSA abschließen möchte, dessen Vertreter zufällig Ibrahim Ali Dabaiba, der Cousin des Premierministers, ist.
https://almarsad.co/en/2021/05/17/hors-energy-committee-warns-the-gnu-not-contract-turkish-company-iksa/1-11/

+ 18.05.: Außenministerin Mangoush forderte die USA auf, ihre Botschaft und ihr Konsulat in Tripolis und Bengasi wieder zu eröffnen, was eine positive Botschaft an die internationale Gemeinschaft senden würde. Sie betonte die Notwendigkeit, ausländische Einmischung zu beenden, Dienstleistungen für libysche Bürger zu erbringen, die Arbeitsaufnahme staatlicher Institutionen und eine umfassende nationale Aussöhnung einzuleiten.
Sie betonte, dass die Exekutivbehörde die notwendigen Voraussetzungen für die Abhaltung von Wahlen und die Stärkung der politischen Legitimität im Land schaffen müsse, indem sie Sicherheitsfragen anspreche, die nationale Souveränität über das gesamte libysche Territorium ausdehne und die Präsenz ausländischer Streitkräfte und Söldner beende.
Zu Palästina/Israel: „Wir erneuern unsere Position zur Unterstützung der palästinensischen Sache und verurteilen die Anwendung von Gewalt gegen die Palästinenser und wahren die Heiligkeit religiöser Heiligkeiten. Wir halten uns an die Resolution des Sicherheitsrates und die internationale Legitimität in besonders.“
https://almarsad.co/en/2021/05/18/al-manqoush-must-unify-state-institutions-and-liberate-sovereign-decisions-from-coercion/

+ 18.05.: Deutsche Wirtschaft. An einem „Webinar“ nahmen über 80 deutsche Unternehmen zum Thema „Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in Libyen“ teil. Die Veranstaltung wurde von der Arabisch-Deutschen Kammer organisiert. Der deutsche Staatsminister Marco Wanderwitz und der deutsche Botschafter in Libyen, Oliver Owcza, waren dabei.
https://www.libyaherald.com/2021/05/19/webinar-held-involving-over-80-german-companies-interested-in-libyan-market-energy-health-and-education-dominated-discussion/

+ 19.05.: Der Parlamentarier Said Imgheib über Abdel-Hamid Dabaiba: „Ohne ehrliche Berater verfolgt der Premierminister der GNU den gleichen Ansatz wie sein Vorgänger [Sarradsch], indem er sich auf den Kauf von Loyalitäten und der Zahlung von Bestechungsgeldern verlässt, um an der Macht zu bleiben“.
https://libyareview.com/12874/libyan-mp-prime-minister-lacks-honest-guidance/

+ 20.05.: Waffenschmuggel. Etwa 2.000 9-mm-Handfeuerwaffen wurden im Hafen von Misrata beschlagnahmt. Die Waffen waren auf der Rückseite in einem Container mit Frauenbekleidung versteckt.
https://www.libyaherald.com/2021/05/20/about-2000-smuggled-9mm-handguns-seized-at-misrata-port/

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Kurznachrichten Libyen – 13.05.2021

Milizen in Tripolis erstürmen Hotel aus Protest gegen neuen Geheimdienstchef / Italienischer Geheimdienst im Fessan unterwegs / Eid fiter mubarak

13.05.: Ende des Ramadan. Libyen feiert das Zuckerfest. Eid-Feierlichkeiten in Libyens zweitgrößter Stadt Bengasi.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1392782297447944194/photo/1

07.05.: Geheimdienst. Der Präsidialrat ernannte Generalmajor Hussein Mohammed al-Aeb zum Chef des libyschen Geheimdienstes. Er löst damit die beiden bisherigen Geheimdienstchefs (östliches und westliches Libyen) ab. LibyaHerald weiß über al-Aeb, dass er „einige Jahrzehnte für das Gaddafi-Regime gearbeitet hat. Er stammt aus Siyan am Fuße des im Westen gelegenen Nefusa-Gebirges. Anfang 2011 brach er mit Gaddafi, verbündete sich mit Haftar, überwarf sich aber wieder mit ihm. Er hat immer noch gute Kontakte zum Militär im Osten.“
https://libyareview.com/12589/who-is-libyas-new-chief-of-intelligence/
https://www.libyaherald.com/2021/05/07/new-head-of-intelligence-appointed/

+ 08.05.: Milizen/Hotelerstürmung. Milizen der GNU-Übergangsregierung in Tripolis haben das Corinthia-Hotel in Tripolis gestürmt, das auch Sitzungsort des Präsidialrats ist. Die Bewaffneten waren auf der Suche nach dem Präsidialratsvorsitzenden Mohamed Menfi. Ihr Protest richtete sich gegen die Absetzung von Emad Trabelsi als Geheimdienstchef durch den Präsidialrat und die Ernennung von Hussein Al-Aeb als seinen Nachfolger. Auch gegen die libysche Außenministerin Najla Mangoush wurde protestiert, da sie sich für den Abzug auch türkischer Söldner und Militärs ausgesprochen hatte. Es herrschen widersprüchliche Angaben darüber, ob der Büroleiter des Präsidialratsvorsitzenden verschleppt wurde.
https://www.libyaherald.com/2021/05/09/militias-raid-corinthia-hotel-seeking-presidency-head-menfi-in-protest-at-new-intelligence-head-and-foreign-minister-mangoush/
https://twitter.com/LibyaReview/status/1390790332292468745

+ 08.05.: Umzingelung/Corinthia-Hotels. Einen der Bewaffneten, die den Präsidentenrat in Libyens Tripolis umzingelt haben, hört man sagen: „Wo ist al-Mangoush? Wo ist al-Mangoush?“, die libysche Außenministerin.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1390953233892487171

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Kurznachrichten Libyen – 27.04.2021

Viele Menschen sterben vor Libyens Küste/Schwere Kämpfe im Süden Libyens gegen Tschad-Aufständische/Erneut Ausnahmezustand in Erdölanlagen/Dabaibas Nähe zu Dschihadisten

+ 27.04.: Tschad/Kämpfe/LNA/Mursuk. LNA (Libysche Nationalarmee) Streitkräfte sind in Murzuk eingedrungen und haben alle tschadischen Terroristen verhaftet und getötet, die mit Hilfe von Schläferzellen der Muslimbruderschaft in der Region versucht haben, die Stadt zu infiltrieren.
https://twitter.com/MLNA2021/status/1386877374617296897

+ 27.04.: Taschad/Kämpfe/LNA/Mursuk. Die LNA meldet schwere Kämpfe südlich von Murzuk zwischen libyschen LNA-Streitkräften (128., 116., 106. Brigade) und den von der Moslembruderschaft unterstützten tschadischen Aufständischen.
https://twitter.com/MLNA2021/status/1386886358770323457

24.04.: Migration. Fast 130 Migranten ertranken, als ein Schlauchboot vor der Küste Libyens kenterte. Die Helfer von Ocean Wiking, die später an der Unglücksstelle eintrafen: „Wir sind geradezu in ein Meer von Leichen gekommen“. Wieder einmal hatte die libysche Küstenwache nicht auf die Anrufe von NOCs reagiert. Alarmphone und SOS Méditerranne erheben im Zusammenhang mit dem Unglück schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache. Diese hätte nicht helfend eingegriffen, obwohl sie über die Situation Bescheid wusste. Auch die Rettungsstelle Maltas sei benachrichtigt worden, doch niemand hätte Schiffe zur Rettung an den Unglücksort geschickt.
https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/fluechtlinge-libyen-bootsunglueck-103.html
Die libysche GNU-Übergangsregierung hat natürlich Wichtigeres zu tun als sich um ihre Küstenwache zu kümmern. Sie muss ja bei allen ausländischen Regierungen antichambrieren um ihnen lukrative Verträge für den Wiederaufbau Libyens anzubieten, nachdem sie das Land zusammengebombt haben. Gute Provisionen für die eigene Tasche inklusive.

22.04.: Migration. Ein Kind und eine Frau ertranken, nachdem eines von zwei Booten mit jeweils etwa 100 Menschen an Bord vor der libyschen Küste abgefangen und an Land zurückgebracht worden war.
https://libyareview.com/12195/woman-and-child-drown-after-migrants-intercepted-off-libyan-coast/

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