Razzia in Sirte und Verhaftungen während eines Symposiums missliebiger politischer Konkurrenten
Über willkürliche Verhaftungen und Verschleppungen unerwünschter Menschen in Tripolis und Umgebung durch die der Dabaiba-‚Regierung‘ zuzuordnenden Milizen wird hinreichend in den Medien berichtet. Geht es dagegen um Menschenrechtsverletzungen und die Anwendung von schmutzigen Methoden wie Folter zur Erpressung von Geständnissen, die von der Libyschen National Armee (LNA) unter dem Oberbefehl von Khalifa Haftar und den ihr angeschlossenen Milizen begangen werden, schweigen sich die Medien aus.
Jüngstes Beispiel hierfür ist eine Razzia am 18. April 2023 in der Stadt Sirte, die der Interne Sicherheitsdienst Sirte (Internal Security Service Sirte) in der Parteizentrale der Partei Gemeinsam für die Nation (Together for the Nation) während eines Wahlsymposiums gegen 23 Uhr durchführte. Der mit Haftar verbundene Interne Sicherheitsdienst und das Sicherheitsdirektorat der Baschagha-Regierung verhafteten die Parteiführer Saleh az-Zarug, al-Mabruk Abdelrahman Onaizah, Faradsch Aiyasch, al-Fitouri Ahmed, Hamad al-Mahdi sowie einen Fotografen, der die Veranstaltung dokumentieren sollte. Die etwa dreißig Teilnehmer, darunter auch Frauen, wurden eingeschüchtert, die Kamera und die Filme des Fotografen beschlagnahmt. Das Symposium sollte der Vorbereitung auf die in Libyen geplanten Wahlen dienen.
Den Verhafteten wird vorgeworfen, nicht die Partei von Khalifa Haftar zu unterstützen. Dieser schikanöse und bedrohliche Vorgang gegen eine Partei, die vom Justizministerium der Dabaiba-‚Regierung‘ eine offizielle Zulassung für ihre politischen Arbeit erhielt, wirft ein beklemmendes Schlaglicht auf den kommenden Wahlkampf und die geplanten Wahlen.
Es werden gerade viele schöne Reden geschwungen über einen fairen Wahlprozess, über eine freie, unabhängige und sichere Abhaltung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Libyen. Doch wie soll das möglich sein, solange Milizen – auch und gerade jene von Khalifa Haftar – viele Wahlbezirke kontrollieren und willkürliche Verhaftungen vornehmen, weil Parteien nicht Khalifa Haftar unterstützen, sondern ihre eigenen Kandidaten?
Bereits vor einiger Zeit wurde im Süden von Sirte das Bohadi-Gebiet von sogenannten ‚Sicherheitskräften‘ belagert und Anhänger der ehemaligen Dschamahirija-Regierung (Gaddafi) verhaftet. Seitdem versucht Haftar, die Anmeldung von Versammlungen und Veranstaltungen zu erzwingen, damit er nach Gutdünken eine Genehmigung erteilt – oder eben auch nicht. Dabei überschreiten Haftar und seine Milizen bei weitem ihre Kompetenzen, da es sich nicht um sicherheitsrelevante militärische Treffen handelt, sondern um Parteiveranstaltungen von zugelassenen Parteien, deren Versammlungsfreiheit gewährleistet sein muss, um eine Vorbereitung auf die kommenden Wahlen und einen fairen Wahlkampf sicherzustellen.
Das gewalttätige Vorgehen Haftars gegen missliebige politische Konkurrenten dient allein deren Einschüchterung und ist der Versuch, diese mundtot zu machen. Es ist auch der Versuch, echte Demokratiebestrebungen in Libyen zu vereiteln.
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