Coronavirus – Militärische Lage – Übergangsregierung – ‚Einheitsregierung‘ – LNA – Verschiedenes

Coronavirus

+ Bis 23.03. wurden in Libyen keine Personen mit Corona-Virus registriert. Es gab 59 Verdachtsfälle und 72 Personen wurden unter Quarantäne gestellt, so das Nationale Zentrum für Seuchenkontrolle (NCDC).
Der libysche Innenminister (Tobruk) Ibrahim Bouchnaf hat als Vorsichtsmaßnahme zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus eine durchgehende Ausgangssperre ab Mittwoch, dem 25. März, bis Freitag, dem 3. April, in allen Gebieten unter der Kontrolle der libyschen Übergangsregierung verhängt.
Parlamentspräsident Aguila Saleh forderte die Libyer in einer Fernsehansprache auf, sich an „alle Vorsichtsmaßnahmen, die angesichts der drohenden Verbreitung des Coronavirus in Libyen getroffen wurden zu halten“. Es sei die Mitarbeit der Bürger gefordert. In Bengasi, Sabrata und Sebha herrschen Ausgangssperren, die Bürger dürfen ihre Häuser nur noch für die nötigsten Besorgungen verlassen.
Auch die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis verhängt eine partielle Ausgangssperre.

+ Die Grenze zu Ägypten wurde geschlossen.

+ Libyen hat in Rom ein ganzes Hotel für in Italien gestrandete Libyer gemietet.

+ Die ‚Einheitsregierung‘ hat zur Eindämmung der Coronakrise zwanzig Gefangene freigelassen.

+ Es gibt Berichte, dass nachts die Grenze zu Tunesien bei Ras Adschdir von Milizen gewaltsam geöffnet wurde, um Reisende ohne jegliche Vorsichtsmaßnahme nach Libyen einreisen zu lassen.

+ In Tunesien wurden 75 bestätigte Coronafälle gemeldet.

Militärische Lage

+ Die LNA hat nach eigenen Angaben am 22.03. einen Angriff der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ abgewehrt. Der fehlgeschlagene Angriff führte zur Zerstörung eines türkischen Panzerwagens, die Insassen wurden getötet. Den Milizen sei die Übergabe der Leichname der türkischen Soldaten angeboten worden, diese hätten aber abgelehnt. Die Türkei solle sich an die LNA wenden, damit die Toten über den libyschen Roten Halbmond oder das Rote Kreuz an ihre Familien in der Türkei übergeben werden können.

+ Milizen der ‚Einheitsregierung‘ erhielten laut LNA-Angaben am 22.03. eine Waffenlieferung aus der Türkei. Die Waffen seien mit einem Krankenwagen von Hafen von Misrata nach Tripolis transportiert worden. Dies stelle eine Verletzung des Waffenstillstands dar, den beide Seiten vereinbart hatten, um sich auf die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie zu konzentrieren.

+ Drei kurz hintereinander am 20.03. von Libyen in die Türkei gestartete Libyen Airlines Flüge werfen Fragen auf, da der Flugverkehr aufgrund der Coronakrise komplett eingestellt sein sollte.

+ Das Schiff M/V Ana wurde in Pray umbenannt und transportiert unter der Flagge von Sierra Leone eine weitere militärische Ladung von Istanbul nach Libyen. Offiziell hat das Schiff medizinische Güter geladen. Die M/V Ana wurde im Februar im Hafen von Tripolis durch einen Bombenangriff, der auch drei türkische Offiziere tötete, beschädigt.
https://almarsad.co/en/2020/03/19/the-vessel-m-v-ana-that-survived-tripoli-port-shelling-is-on-its-way-to-libya-with-ammunition-and-armored-vehicles/

+ Wie die UN-Sondermission für Libyen berichtet, wurden vier Mädchen im Alter von 14 bis 20 Jahren durch Beschuss in Ain Zara getötet und fünf weitere verletzt. Unklar ist, wer für den Beschuss verantwortlich ist.

+ LNA setzt Vormarsch in Tripolis Richtung Zentrum fort. Im Süden von Tripolis werden heftige Kämpfe beim Vormarsch der LNA auf Ain Zara gemeldet.

+ LNA verstärkt Verteidigungsbereitschaft des libyschen Ölhalbmondes, da Angriff der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ befürchtet werden.

+ Raketeneinschläge wurden aus der Altstadt von Tripolis gemeldet.

+ Der Tod des al-Kaida-Mitglieds und Anführer des Schurarats von Bengasi, Ziad Balam, in einem Krankenhaus in der Türkei wurde bestätigt.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1240855638000963584

+ Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, dass 139 syrische Söldner bei Kämpfen um Tripolis und Misrata getötet worden sind. Die Söldner wurden von der Türkei nach Libyen gebracht, was zu einer Eskalation der Lage beigetragen hat.
Es sollen schon mehr als 4.500 syrische Söldner in Libyen angekommen sein, weitere 1.900 sollen derzeit in Militärlagern in der Türkei, nahe der Grenze zu Syrien, ausgebildet werden.
Die britische Zeitung The Guardian hatte im Januar berichtet, dass syrischen Kämpfern in Libyen ein Monatsgehalt von 2.000 US-$-Dollar gezahlt wird und dass ihnen die türkische Staatsbürgerschaft versprochen wurde. Inzwischen sollen die Gehälter aus Geldmangel gesenkt worden sein.
https://addresslibya.net/archives/54950

+ Angeblich verweigern syrische Söldner in Libyen ihren militärischen Einsatz. 700 von ihnen sollen zurück nach Syrien wollen.

Übergangsregierung (Tobruk)

+ Yusuf al-Aqouri, Leiter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, warnte davor, die Ernennung des ehemaligen algerischen Außenministers Ramtane Lamamra zum Leiter der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) zu überstürzen. „Wir haben historische Beziehungen zu Algerien und wir wissen seine Unterstützung der Stabilität unseres Landes zu schätzen. Obwohl wir diese Beziehungen ausbauen möchten, könnte eine solche Ernennung zu Verstimmungen zwischen den beiden Schwesterländern Libyen und Algerien führen, wenn die Politik und die Entscheidungen von Herrn Lamamra nicht den Konsens der Libyer finden. Die derzeitige Situation ist, dass Stephanie Williams, die UNSMIL stellvertretend leitet.“
https://almarsad.co/en/2020/03/23/parliamentary-foreign-committee-accuses-gna-of-continued-violations-of-ceasefire-agreement/

+ Der Verteidigungsausschuss des Parlaments begrüßte am 22.03. die Entscheidung des Generalkommandos der LNA, einen Waffenstillstand in Tripolis zu akzeptieren, um der Gefahr eines Coronavirusausbruchs zu begegnen. Es wurde allerdings noch einmal darauf hingewiesen, dass die türkischen Streitkräfte und die syrischen Söldner den Westen Libyens verlassen sollten, und dass die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis den Waffenstillstand einhalten sollten.

‚Einheitsregierung‘ (Tripolis)

+ In der Regierung kriselt es gewaltig. Die Führung ist gespalten.

+ Der Streit zwischen Milizen in Tripolis und dem Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ Bashaga eskaliert weiter. Die Miliz Tripolis Protection Force hat ein Dokument über die „Skandale, Verschwörungen, Veruntreuungen und den Verrat“ des Innenministers Bashaga publiziert. So behauptet die Tripolis Protection Force, dass Bashagha versucht habe, mittels gefälschter Verträge und Gesellschaften eine Milliarde libysche Dinar unter dem Vorwand, die Operation Volcano unterstützen zu wollen, zu veruntreuen. Außerdem habe Bashaga seinen Schwiegersohn zum libyschen Botschafter in Deutschland ernannt.

+ Der vom Präsidialrat in Tripolis gebildete Krisenausschuss tagte zum dritten Mal in Folge. Gesprächsthemen waren die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ und wie die ‚Sicherheit‘ in Tripolis in Bezug auf die LNA erhöht werden könne.

+ Der Präsidialrat in Tripolis begrüßte den internationalen Aufruf nach einer Waffenruhe.

Libysche Nationalarmee

+ Wiederholt und immer wieder wirft die LNA den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ einen Bruch der vereinbarten Waffenruhe vor.

+ Das Generalkommando der LNA begrüßte am 21.03. den Aufruf zur Aussetzung der militärischen Operationen für humanitäre Zwecke als Reaktion auf die Corona-Epidemie, sofern sich die übrigen Parteien an den Waffenstillstand halten. Der LNA-Sprecher Mismari sagte, die LNA engagiere sich am meisten für einen Waffenstillstand, trotz der wiederholten Verletzungen durch Milizen und Söldner, die sich nicht an internationale Abkommen hielten. Msmari: „Wir begrüßen nach wie vor jede Anstrengung in Richtung der Auflösung von Milizen, der Übergabe ihrer Waffen, der Vertreibung der türkischen und syrischen Söldner aus Libyen und der Beseitigung des Terrorismus“.
Mismari beschuldigte die ‚Einheitsregierung‘, die derzeitige Situation und die humanitäre Situation im Zusammenhang mit der Rückkehr libyscher Bürger, die auf türkischen Flughäfen gestrandet sind, ausgenutzt zu haben, um terroristische Söldner auf denselben Flügen nach Misrata zu fliegen. Es würden auch weiterhin Waffen und militärische Ausrüstung von türkischen Häfen zu den Häfen von Tripolis und Misrata geschickt, um Söldner und Terroristen zu unterstützen.
Mismari machte auch die Türkei für eine eventuelle Ausbreitung des Coronavirus in Libyen verantwortlich, da die Söldner durch die Türkei, in der bereits eine Corona-Epidemie herrsche, nach Libyen transportiert würden.
Mismari machte noch einmal deutlich, dass die Sperrung der Ölanlagen eine Sache der libyschen Stämme sei, da die Öleinnahmen von der ‚Einheitsregierung‘ unrechtmäßig zur Finanzierung von Söldner und Waffen herangezogen worden seien.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1241538599604158464

+ LNA-Sprecher Mismari sagte am 22.03., das Generalkommando der LNA habe keine neue Entscheidung über einen Waffenstillstand in Tripolis getroffen, denn es fühle sich immer noch „dem am 12. Januar unterzeichneten Waffenstillstand verpflichtet“.

+ Die libysche Gesellschaft für Ölumschlaghäfen verhinderte am Samstag, dass ein aus Italien kommendes Frachtschiff im Hafen von Ras Lanuf im Osten Libyens anlandet. Das Verbot erklärt sich durch die Schließung aller Häfen, um den Coronavirus nicht einzuschleusen.

Verschiedenes

+ Die italienische Sektion der Ärzte für Menschenrechte sagte, dass in Libyen 85 Prozent der Migranten gefoltert werden.

+ Der algerische Präsident Abdelmadschdid Tebboune und sein französischer Amtskollege Macron diskutierten am Telefon über die Zusammenarbeit ihrer Länder in Sachen Libyen

+ Der ägyptische Präsident Fattah as-Sisi telefonierte mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Wichtiges Thema waren die jüngsten Entwicklungen in Libyen in Zusammenhang mit der Berlin-Konferenz.

+ Der Schweizer Friedensforscher Dr. Daniele Ganser in einem sehr sehenswerten Vortrag mit dem Titel „Der illegale Krieg gegen Libyen – 2011“:
https://kenfm.de/dr-daniele-ganser-der-illegale-krieg-gegen-libyen-2011/