Warum es dem Westen auch nicht mit Hilfe der Türkei und Katars gelingen wird, Libyen aufzuteilen.

Ein Artikel in der US-amerikanischen Zeitschrift TheAmericanConservative lässt aufhorchen, lassen sich daraus doch gute Rückschlüsse ziehen, welche Strategie die ‚Einheitsregierung/Türkei‘ in Libyen mit ihren neuesten Militäroperationen verfolgte, nämlich die Aufspaltung Libyens in drei Teile, die Kyrenaika, Tripolitanien und den Fessan.

Das Resümee, das der Autor Ted Galen Carpenter, leitender Mitarbeiter für Sicherheitsstudien am Cato Institute, zieht, lautet: Da die USA eigentlich keine eigenen Interessen in Libyen haben, hätten sie gegen eine Spaltung des Landes in drei Teile nichts einzuwenden. Im Klartext heißt das: Die Europäer inklusive Türkei können die Beute von 2011 untereinander aufteilen.

Eine Teilung des Landes würde Libyen als Staat vernichten. Die drei Teilregionen wären alleine kaum überlebensfähig und in kompletter Abhängigkeit von ausländischen Staaten, so wie es heute schon Tunesien ist. Die wirtschaftliche und politische Stärke Libyens wäre gebrochen, inexistent. Der IWF würde als Kreditgeber die Finanz- und Wirtschaftspolitik bestimmen und mit neoliberalen Auflagen zu Privatisierungen dringen, um den ausländischen Firmen und Konsortien zu deren Bedingungen Tür und Tor zu öffnen. Die Türkei könnte weiterhin über das libysche Vermögen verfügen und das eingenommene Erdölgeld auf türkische Konten transferieren, so wie sie es seit einiger Zeit bereits tut, im Einvernehmen mit korrupten libyschen Politikern und Moslembrüdern vom Schlage eines as-Sarradsch, dem Premierminister der ‚Einheitsregierung‘, und seines Innenministers al-Bashaga.

In Ostlibyen könnte dagegen Frankreich Ton angebend sein, das im Hintergrund schon jetzt auf Seiten Haftars steht.

Auch die Äußerung des türkischen Präsidenten kurz vor dem Angriff auf den LNA-Militärstützpunkt Watija in Westlibyen am 5. Mai dürfte ein Hinweis auf diesen Vorstoß in Richtung Teilung des Landes sein. Erdogan sagte am 4. Mai in einer Fernsehansprache, dass „es aus Libyen bald gute Nachrichten“ gebe. Nach der katastrophalen Niederlage und den schweren Verlusten, welche die Milizen der ‚Einheitsregierung, unterstützt von türkischen Drohnen und syrischen Söldnern, bei der Schlacht um Watija einstecken mussten, dürften sich die Nachrichten für die Türkei in sehr schlechte umgekehrt haben und der Plan, Libyen aufzuteilen, erst einmal wieder vom Tisch sein.
Der Plan einer Dreiteilung Libyens beruht auf der falschen Behauptung, es gäbe in Libyen eine Ost- und Westspaltung. Libyen ist nicht in einen Ost- und Westteil und vielleicht auch noch in einen Südteil gespalten, jeweils bevölkert von Stämmen, die sich gegenseitig nicht leiden können und bekämpfen, wobei Ostlibyen die LNA und Feldmarshall Haftar unterstützt und Westlibyen die ‚Einheitsregierung‘ und die Moslembrüder. Diese Aufspaltung und Zuordnung in Ost und West ist falsch.

Richtig ist, dass es zwischen verschiedenen Stämmen und Regionen Rivalitäten gab und gibt, richtig ist aber auch, dass sich alle Libyer neben ihrer Stammesidentität durchaus als libysche Staatsbürger fühlen, mit allen Vorteilen, die das in dem bis 2011 reichen Land mit sich brachte. Wer einen libyschen Pass besaß, lebte bis zum Nato-Krieg im Wohlstand und wusste das sehr wohl zu schätzen, egal ob Ost, West oder Süd. Bei einer Teilung wäre der Süden wohl völlig abgehängt, obwohl dort die Wasser-, Erdöl- und Gasvorkommen liegen. Auch deshalb bekennen sich die Stämme und Städte des Fessan zur LNA.

Es gibt in Libyen – je nach Angaben – etwa 140 Stämme, der größte davon der Stamm der Werfala, im Westen Libyens beheimatet, der zweitgrößte Stamm ist wohl der Wirschefana-Stamm, dessen Mitglieder in und um Tripolis leben. Beide Stämme im Westen zählen zu den Unterstützern der LNA.

Mit wie starker Unterstützung die LNA von diesen Stämmen rechnen kann, zeigte sich schon als es der LNA vor etwa zwei Wochen gelang, kurzfristig die meisten Küstenstädte zwischen Tripolis und der tunesischen Grenze im Westen des Landes von den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ zurückzuerobern. Sie wurden dort mit Freudenfeiern von der einheimischen Bevölkerung begrüßt.

Doch um eine Spaltung wie von Europa angestrebt unter Duldung der USA herbeiführen zu können, hätten die westlichen Städte unter Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘ gebracht werden müssen. Aus diesem Grund starteten deren Milizen am 13. April den Überraschungsangriff auf Sabrata, Sorman und andere westliche Gemeinden und konnten diese auch einnehmen, mit allen schrecklichen Folgen wie der Öffnung der Gefängnisse für Schwerverbrecher, Raub, Mord und Brandschatzung.

Ein weiteres Hindernis für die Übernahme der Macht durch die ‚Einheitsregierung‘ und die Moslembrüder in Westlibyen ist die in den Bergen gelegene und schwer zugängliche Stadt Tarhuna, eine Hochburg der LNA, sowie der LNA-Militärstützpunkt in Westlibyen, Watija. Beide Ziele konnten sich trotz eines Großangriffs durch die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ mit türkisch-syrischer Unterstützung behaupten und wurden von den LNA-Streitkräften zurückgeschlagen.

Es gelang der ‚Einheitsregierung‘ auch nicht, den Vormarsch der LNA in der Hauptstadt Tripolis zu stoppen oder zurückzudrängen.

Von einer Teilung Libyens in Ost, West und Süd kann also keine Rede sein. Die Loyalität der Städte und Stämme gehört in allen Landesteilen der LNA, Ausnahmen bilden nur die Profiteure des jetzigen Chaos als da sind Schmuggler, Schleuser und Schlepper und ihre Unterstützer. Den Ältesten und Stammesführern ist sehr wohl bewusst, dass sie bei einer Teilung und der Abgabe der Souveränität des Landes an westliche Mächte, an die Türkei und den IWF, auch ihre Macht und ihren Einfluss verlieren würden. Fremde Herren hätten das Sagen.

Übrigens stand die Teilung Libyens schon einmal auf dem Plan. Anfang Mai 1949, als Libyen unter der Treuhandschaft der UNO stand, gab es einen Plan, Libyen erst 1959 in die Unabhängigkeit zu entlassen. Bis dahin sollte das Land in eben diese drei Teile aufgeteilt werden, wobei der Fessan von Frankreich, die Kyrenaika von Großbritannien und Tripolitanien wieder von Italien verwaltet werden sollte. In Tripolitanien führte die Vorstellung einer Rückkehr der verhassten italienischen Kolonialherren zu gewaltigen Protesten, ähnlich den heutigen gegen die Rückkehr der Kolonialmacht Türkei. Nicht nur die Libyer protestierten, sondern auch die UdSSR und die Ostblockstaaten sowie die meisten arabischen, afrikanischen und asiatischen Staaten, die die sofortige Unabhängigkeit Libyens und den Abzug aller fremden Truppen forderten. Nichts destotrotz wurde mit Zustimmung Frankreichs und des Emirs Idris der Teilungsplan im Politischen UN-Komitee angenommen. Soweit zur Rolle der UNO.

Doch dann geschah ein kleines Wunder, das Libyens Schicksal drehte. Der Plan erreichte bei der III. UNO-Vollversammlung am 17. Mai 1949 nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit. Zu verdanken hatten die Libyer das dem Botschafter von Haiti, der entgegen seiner Weisung gegen die Teilung Libyens stimmte. Noch heute erinnert die ‚Haiti-Straße‘, die in Tripolis zum UNO-Büro führt, an diese Großtat des Botschafters eines kleinen Landes, dessen eine Stimme entscheidend war.

Mag es Differenzen zwischen den Stämmen geben, mag manches noch auszuhandeln sein, die Stämme und Städte werden einen Weg finden, sich zu einigen, den Weg eines friedlichen Miteinanders in einem geeinten, starken, souveränen, reichen und nicht zuletzt wunderschönen Libyen.

Time To Partition the ‘Fake’ Country of Libya