Tripolis/Bengasi/Berlin. Gutachten des Bundestages: Die Rechtmäßigkeit des MoU ist wegen der fehlenden Zustimmung des libyschen Parlaments fraglich. Auch weil Stämme dagegen sind.
Der Wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages hat in einem juristischen Gutachten vom 17. Januar 2020 das Abkommen zwischen der Türkei und der libyschen Sarradsch-„Regierung“ als nicht rechtmäßig eingestuft. In dem Abkommen namens Memorandum of Understanding (MoU) werden neben den Seegrenzen zwischen der Türkei und Libyen auch die militärische Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Libyen festgelegt.
In dem Gutachten heißt es unter anderem: „Das türkische Parlament in Ankara hat das MoU am 5. Dezember 2019 ratifiziert. Die Frage, ob Art. VI MoU für dessen Inkrafttreten das Vorliegen eines Ratifikationsbeschlusses des libyschen Parlaments erfordert, hat in Libyen offenbar zu rechtlichen Streitigkeiten geführt.
Wie zu erwarten war, hat das libysche Parlament am 4. Januar 2020 seine Zustimmung zu dem
MoU mit der Türkei verweigert.
11 Das (international anerkannte) libysche Parlament in Tobruk, das 2014 gewählt wurde und im Zuge des Bürgerkriegs im Osten Libyens Zuflucht gesucht hat, steht in fundamentaler Opposition zu der international anerkannten libyschen Regierung in Tripolis.
12 Das verfassungskonforme Zustandekommen des Parlamentsbeschlusses vom 4. Januar wird vom libyschen Ministerpräsidenten offenbar bezweifelt.
13 Dies könnte zumindest implizit dafür sprechen, dass die libysche Regierung das Erfordernis einer parlamentarischen Zustimmung im Grundsatz akzeptiert – anderenfalls hätte die Regierung das Votum des Parlaments ignorieren können.
Weiter heißt es:
„Zu den (möglicherweise) noch ungeklärten libysch-verfassungsrechtlichen Fragen geben die Wissenschaftlichen Dienste keine eigene Stellungnahme ab. Gleichwohl begründet die Ablehnung des MoU durch das libysche Parlament durchaus Zweifel am völkerrechtskonformen Inkrafttreten des MoU. Das MoU ist jedenfalls bis heute noch nicht gem. Art. 102 VN-Charta in der Treaty Collection der Vereinten Nationen registriert worden. 15 Pressemitteilungen zufolge wurde das MoU offenbar von den libyschen Stämmen, welche die Bevölkerungsmehrheit in Libyen bilden, verurteilt und als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes zurückgewiesen.“
Und das Fazit lautet: „Das türkisch-libysche Memorandum of Understanding (MoU) vom 27. November 2019 ist – ungeachtet seiner Bezeichnung als bindender völkerrechtlicher Vertrag i.S. der Wiener Vertragsrechtskonvention zu verstehen. Aufgrund der Ablehnung des MoU durch das libysche Parlament am 4. Januar 2020 bestehen Zweifel daran, ob das MoU völkerrechtlich wirksam in Kraft treten kann“
Diese Stellungnahme ist denkbar klar. Das Parlament ist international anerkannt und muss von der Einheitsregierung geschlossenen Verträgen zustimmen, damit diese in Kraft treten können.