Parlamentspräsident Saleh wirft Premierminister Dabaiba Versagen vor. Dieser beschimpft wüst das Parlament und ruft zu dessen Sturz auf. Dezemberwahlen mehr als fraglich.
+ 21.09.: Das Parlament in Tobruk beschloss in geheimer Sitzung, der GNU-Regierung (GNU – Government of National Unity) unter Premierminister Dabaiba das Vertrauen zu entziehen.
Es stimmten 89 der insgesamt 113 anwesenden Abgeordneten für diesen Schritt. Die GNU-Regierung bleibt geschäftsführend mit eingeschränkten Befugnissen im Amt.
Bereits am 20.09. hatte der offizielle Parlamentssprecher Abdullah Blaiheg die Ergebnisse einer Klausurtagung bekanntgegeben: Nachdem letzten Monat Parlamentarier einen Misstrauensantrag gegen die von Abdel-Hamid Dabaiba geführte GNU eingebrachten haben, beschlossen die Abgeordneten, einen Ausschuss zur Untersuchung der Arbeit der GNU-Regierung und deren Entscheidungen zu bilden. Die Ergebnisse des Ausschusses sollen innerhalb von zwei Wochen vorgelegt werden.
Der GNU-Regierung wurde vorgeworfen, „dem libyschen Volk nicht die einfachsten Dienstleistungen zu bieten“. Außerdem wurde die GNU beschuldigt, sich nicht an den im Politischen Abkommen festgelegten Fahrplan zu halten und damit die Durchführung der Dezemberwahlen zu gefährden.
Die Ausführungen Dabaibas, der am 7. September vom Parlament befragt wurde, hätten nicht überzeugt.
Ebenfalls schon am 20.09. hatte der Vorsitzende des Ankara-hörigen Staatsrats und Moslembruder, Khaled al-Mischri ,erklärt, dass er das vom Parlament erlassene Präsidentschaftswahlgesetz nicht anerkennt. Er fordert, dass am 24. Dezember nur Parlamentswahlen abgehalten werden und die Präsidentschaftswahlen auf 2023 zu verschieben sind, da sie nicht zur Stabilität des Landes beitragen würden. Mishri drohte auch damit, dass das Parlament nicht in der Lage sein werde, im Westen Libyens Wahlen durchzusetzen.
Mischri wird vorgeworfen, sein nicht durch Wahlen eingesetzter Staatsrat betreibe eine Verschleppungstaktik, um Wahlen zu verhindern, da diese zur Auflösung des nicht demokratisch legitimierten, sondern 2014 durch das Skhirat-Abkommen eingesetzten Staatsrats führen würden. Dies würde auch einen Machtverlust der Türkei bedeuten, den diese nicht hinnehmen will.
+ 21.09.: Parlamentspräsident Agila Saleh erklärte, dass die GNU-Regierung geschäftsführend im Amt bleiben wird, um die notwendigen Dienstleistungen für die Bevölkerung zu erbringen und die im Inland getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Allerdings sei sie nicht mehr befugt, Verpflichtungen mit dem Ausland einzugehen und langfristige Verträge in Milliardenhöhe zu schließen.
Nachdem einige Abgeordnete behaupteten, bei der Parlamentsabstimmung sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, bekräftigte Saleh deren Rechtmäßigkeit. Das Verfahren sei in Übereinstimmung mit dem Gesetz durchgeführt worden.
Damit ist der GNU-Regierung bei der Anerkennung des Abschlusses von milliardenschweren Verträgen mit ausländischen Akteuren ein Riegel vorgeschoben, man denke vor allem an die Türkei, aber auch an andere westliche Regierungen.
+ 22.09.: Parlamentspräsident Saleh führte die Begründungen für die Entscheidung des Parlaments näher aus: „Nach Angaben des CBL (Libysche Zentralbank) hat die GNU-Regierung in nur drei Monaten 51 Mrd. LYD ausgegeben, ohne dass dies irgendwelche [positiven] Auswirkungen auf öffentliche Dienstleistungen sowie Stromversorgung und Bargeldliquidität hatte.“ Sie habe dem Staat auch Zahlungsverpflichtungen durch Abkommen mit anderen Staaten in Höhe von 84 Mrd. LYD auferlegt. Damit habe die GNU-Regierung ihre Machtbefugnis überschritten.
+ 22.09.: Dabaiba wehrte sich auf öffentlichen Veranstaltungen gegen die Entziehung des Vertrauens durch das Parlament, beschimpft es wüst und rief zu dessen Sturz auf: Das Parlament hätte nur Böses im Sinn und wolle das Land zerstören.
Und vom Staatsrat unter al-Mischri hieß es, er lehne „die Verfahren zum Entzug des Vertrauens in die GNU-Regierung ab und betrachtet sie als null und nichtig.“
Die UNSMIL reagiert mit „Besorgnis“ auf das Misstrauensvotum.
+ 22.09.: RT sieht durch den Entzug des Vertrauens den Fahrplan für die bevorstehenden Dezemberwahlen faktisch auf Eis gelegt.
Bis zur vorgesehenen Wahl am 24. Dezember sind es nur noch drei Monate. Wie eine Einigung über das Wahlprozedere, über das man sich schnellstens einig werden müsste, unter den herrschenden Feindseligkeiten zustande kommen könnte, ist in der Tat fraglich. Das Parlament und die politischen Kräfte, die auf Dezemberwahlen setzen, dürften tatsächlich nicht in der Lage sein, gegen den Willen des von der Moslembruderschaft und der mit ihr verbündeten Milizen in den von der Türkei besetzten westlichen libyschen Landesteilen mit der Haupt- und Millionenstadt Tripolis faire und freie Wahlen durchsetzen zu können.
Die Libyer müssen langsam wirklich jegliche Geduld verlieren!
Ein kleiner Tweet als Nachtrag:
أعتقد أنه حان الوقت لظهور سيف الاسلام القذافي و اعلان ترشحه للانتخابات بشكل يضع حد لكل الشكوك و الاشاعات. pic.twitter.com/dIvvFp5TXv
— Libyan citizen- ﮼مواطن،ليبي (@Libyancitizen6) 22. September 2021
https://libyareview.com/16737/libyan-parliament-forms-committee-to-investigate-government/
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1439967378847240197
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1440694192351563780
https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1440439257395388417
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