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Kategorie: Rezensionen (Seite 3 von 3)

Literatur – Film – Medien

Hindafing – Pulp Fiction auf Bayrisch

Fernsehen/Serie. In der ersten Staffel der Politsatire „Hindafing“ ist der korrupte Lokalpolitiker Alfons Zischl noch in einer kleinen bayerischen Gemeinde Bürgermeister, in der zweiten Staffel hat er es bereits zum Landtagsabgeordneten in München gebracht.

 

Die schräge TV-Serie Hindafing präsentiert uns den etwas anderen Heimatfilm. In der ersten Staffel geht es um ein altes Gebäude, aus dem ein Bio-Shopping-Paradies namens Donau-Village entstehen soll. Doch dann müssen schnellstens 50 Migranten in der kleinen Gemeinde Hindafing untergebracht werden…

Die Person, bei der in Hindafing alle Fäden zusammenlaufen, ist der von einem großartigen Maximilian Brückner gespielte Bürgermeister Zischl, der sich ständig mit Chrystal Meth das Näschen pudert, jedem alles verspricht, was er niemals halten wird können, und sich dadurch in immer prekärere Situationen manövriert. Mal wird er vom Metzger und dessen Sohn gefoltert, mal beißt ihm ein Drogendealer den Finger ab, mal zündet er das Vereinsheim an.

Daneben muss Bürgermeister Zischl auch noch seine privaten Probleme meistern. Seine Frau verlässt ihn und der ehemalige Seitensprung mit Folgen will mit einem eigenen Friseursalon abgegolten werden. Dazu die demente Mama, der dann, wenn’s passt, schon immer noch das Richtige einfällt.

Alle haben sie Dreck am Stecken in diesem Dorf: Der Metzger lässt sich für seine Wurstherstellung Schlachtabfälle aus der Ukraine liefern, der jungen Pfarrer ist schwul, der Landtagsabgeordnete ist bis über beide Ohren korrupt, die charity-affine Metzgersgattin lässt die Migranten zum Arbeiten in der Schlachterei antreten – dann halt halal und ohne Schwein.

Ein Dorf voller Intrigen, jeder will sich Vorteile verschaffen, vor Gewaltanwendung und Erpressung wird nicht zurückgeschreckt. Und mittendrin Bürgermeister Zischl, der sich immer tiefer in den Sumpf aus Lügen und falschen Versprechungen verstrickt. Und wenn’s ganz schlimm kommt, eine Line zieht.

Diese ganze irrwitzige Handlung wird getragen von begnadeten bayerischen Schauspielern: neben Maximilian Brückner Andreas Giebel und Petra Berndt, Roland Schleglmann, Heinz-Josef Braun, Johanna Bittenbinder u.v.a.

Auch denen des Bayerischen nicht so mächtigen wird empfohlen, dran zu bleiben: Es lohnt sich!

Regie: Boris Kunz
Drehbuch: Niklas Hoffmann, Rafael Parente und Boris Kunz

 

Hindafinghttps://www.daserste.de/unterhaltung/serie/hindafing/index.html

 

Die CIA und das Project Mind Control

Buchrezension. Foltern und Morden: Sidney Gottliebs Drogenlabor in Fort Detrick und das „Project Mind Control“. Auch Deutschland diente als Standort für geheime CIA-Gefängnisse.

Die Lektüre des Buches „Project Mind Control – Sidney Gottlieb, die CIA und das LSD – wie der amerikanische Geheimdienst versuchte, das Bewußtsein zu kontrollieren“ von Stephen Kinzer kann eigentlich nicht empfohlen werden, denn der Inhalt ist gruselig. Alpträume garantiert.

Das Buch beschreibt den Lebensweg von Sidney Gottlieb, der 1951 seinen CIA-Dienst in Camp Detrick begann und dort im Namen der Freiheit und im vermeintlichen Dienst des Kampfes gegen den Kommunismus Menschenopfer grausamster Art zelebrierte.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs holten sich die USA führende Forscher ihrer ehemaligen Kriegsgegner und deren Studien ins Land, um sich den Wissens- und Erfahrungsschatz beim Foltern, Morden und in biologischer Kriegsführung zunutze zu machen. Das besondere Interesse galt dem Kampfstoff Sarin. Mit Hilfe der Operation Paperclip wurden deutsche Physiker, Chemiker und Biologen, die in den KZs Experimente an Lagerinsassen vorgenommen hatten, mit einer gesäuberten Biographie in die USA geholt. Der bekannteste unter ihnen war Kurt Blome, der den USA anbot, ihr Biowaffenprogramm zu revolutionieren.

Bereits 1942 hatte die US-Armee ein Geheimprogramm zur Entwicklung dieser neuen Waffengattung beschlossen. Auf einem ehemaligen Stützpunkt namens Camp Detrick begann ein Forschungslabor außerhalb der Stadt Frederick in Maryland seine Arbeit. So konnte 1945 der damalige US-Präsident Roosevelt auch prompt dem britischen Premier Churchill eine Zusage machen, eine halbe Million mit Milzbrandsporen gefüllte Bomben in Kürze nach England liefern zu können. Glücklicherweise kapitulierten die Deutschen noch vor deren Auslieferung. In Missachtung des seit Ende der 20er Jahre bestehenden Verbots biologischer Kampfstoffe durch das Genfer Protokoll wurde in Camp Detrick weitergeforscht, so zum Beispiel zur Herstellung von „Taubenbomben“, wobei das Gefieder von Vögeln mit giftigen Milzbrandsporen durchtränkt wurde.

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Emigranten-Community

Buch-Rezension. Die „Londoner Gespräche“ blicken zurück auf die Zeiten des Exils und die deutsch-britischen Verflechtungen während des Nationalsozialismus‘.

Im Heft 158 der europäischen Ideen befragte Niko Rollmann die einstmals Emigrierten Freimut Schwarz, Fritz Beer und Peter Wayne über ihre Erfahrungen in Großbritannien. Diese Londoner Gespräche geben nicht nur Einblick in drei außergewöhnliche Lebensläufe, sondern auch in ein weitgehend unbekanntes Kapitel deutsch-britischer Geschichte.

Der Schriftsteller und Übersetzer Freimut Schwarz ging zunächst ins Exil nach Frankreich, floh von dort aus weiter nach Großbritannien, wo er fortan lebte und arbeitete. Der Journalist und Literat Fritz Beer flüchtete als Kommunist und Jude von der Tschechoslowakei über Polen nach Großbritannien und wurde zu späteren Zeiten Präsident des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. 1998 bekam er das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Peter Wayne, klassischer deutsch-jüdischer Bildungsbürger, den es von der Schweiz zunächst nach Nordengland verschlagen hatte, war nach Kriegsende Übersetzer bei den Kriegsverbrecherprozessen der britischen Militärregierung. In Frankreich wurde er mit dem Légion d’HonneurOrden ausgezeichnet.

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Verstörende Gute-Nacht-Geschichten

In seinem Buch „Der Strick des Glücks oder Deutschland geht es gut“ erzählt Teer Sandmann gesellschaftspolitisch brisante „Gute-Nacht-Geschichten für Kinder und Keti“.

Der Rezensent der Neuen Zürcher Zeitung hatte vor zwei Jahren beim Erscheinen des ersten Buches von Teer Sandmann („Golo spaziert – Das Land der sicheren Freiheit“) bereits dazu geraten, sich diesen Autor zu merken. Das war ein guter Rat: Teer Sandmann, in sprachlicher Höchstform, hat mit einem zweiten Buch nachgelegt. 25 Gute-Nacht-Geschichten für Kinder erzählt der Autor seinen Lesern, geschrieben in den Jahren 2018 und 2019. Zwischen den Geschichten eingefügt die Erzählung von der Begegnung mit der georgischen Freundin Keti und Reflexionen über den Weg Georgiens nach dem herbei gesehnten Fall der Sowjetunion zum „Militärstützpunkt des Pentagons“.

Obwohl der Titel ankündigt, dieses Buch sei für Kinder geschrieben, stellt sich schnell heraus, dass Sandmanns Gute-Nacht-Geschichten gerade nicht das Label „jugendfrei“ zugesprochen bekämen. Ein nicht-jugendfreies Kinderbuch? Typisch Teer Sandmann halt. Der Sandmann streut uns Lesern auch keinen Schlaf in die Augen und beschert keine süße Träume, sondern ganz im Gegenteil, nach der Lektüre empfindet der Leser vielmehr den Alp, der ihm auf der Brust sitzt und den Atem nimmt.

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Generalabrechnung mit dem ganz normalen Wahnsinn

Rezension: „Golo spaziert – Das Land der sicheren Freiheit“ von Teer Sandmann

In seinem Roman „Golo spaziert“ bricht der Autor Teer Sandmann eine Lanze für das gegen den Strich gebürstete Denken und reiht erbarmungslos klugen Satz an klugen Satz, unversehens von Realismus zu Surrealismus wechselnd. Das sprach- und bildgewaltige Werk mit Wortschöpfungen, die auf der Zunge zergehen, könnte auch den Titel tragen: Gedanken auf Spaziergängen über den ganz normalen Wahnsinn – eine Generalabrechnung.

Folgt man dem Gedankenlabyrinth von Teer Sandmann, stellt sich genüssliches Staunen ein ob der genauen Alltagsbeobachtungen, die oft in kafkaesken Szenen enden, wie die Schilderung eines Konzerts für Hörgeschädigte, in dessen Verlauf ein alter Mann immer wieder den Konzertablauf stört, weil ein Scheinwerfer verrutscht.

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Modern Times: Schakale der Jetztzeit

Buch-Rezension. Michael Lüders stellt seinen zweiten Politthriller „Spur der Schakale“ mit der jungen Ermittlerin Sophie vor, die diesmal in Norwegen ermittelt.

Der renommierte Orientalist, Nahostexperte und Sachbuchautor Michael Lüders versucht sich wieder einmal gekonnt als Roman- und Thriller-Autor. In seinem neuesten Buch Die Spur der Schakale ist die ehemalige Journalistin und jetzige Geheimdienstmitarbeiterin Sophie im Einsatz. Sophie ist dem Leser bereits aus dem vorangegangenen spannenden Thriller Never Say Anything (man achte auf die Anfangsbuchstaben!) bekannt, wo sie mit den schier unfassbaren und mörderischen Aktivitäten der Geheimdienste in den heißen Wüsten der arabischen Welt konfrontiert war.

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Die dunklen Seiten der liberalen Demokratie

Buch-Rezension. Achille Mbembe sucht in der Zeit von Neoliberalismus und Globalisierung nach neuen Antworten für eine Weltpolitik des Mitmenschlichen.

Der in Kamerun geborene Achille Mbembe lebt und lehrt als Historiker und politischer Philosoph in Johannesburg. Er gilt laut Zeit als „einflussreichster Intellektueller des gesamten afrikanischen Kontinents“.
In seinem neuen Buch Politik der Feindschaft hält er der „liberalen Demokratie“ einen Spiegel vor – es ist der Spiegel des Dorian Gray, der die Fratze, die dunkle Seite unter der hübschen Demokratiefassade zeigt.

Mbembe möchte mit seinem Buch einen ‚Beitrag zur Kritik unserer Zeit‘ leisten – einer Zeit großer Bevölkerungsbewegungen und einer Globalisierung der Welt unter Führung des Militarismus und des Kapitals und in letzter Konsequenz einer Zeit, die das Ende der Demokratie (oder deren Verkehrung) erlebt. In der heutigen Welt sieht er auch die Gefahren von Bürgerkriegen, da in der globalisierten Welt die Trennung zwischen Innen und Außen nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Dieses in einer bildhaft-wuchtigen Sprache verfasste Buch steckt nicht nur voller kluger Gedanken und Theorien, sondern konfrontiert uns auch mit unbequemen Wahrheiten. Mbembe geißelt in seinem Buch die Politik der Trennung und Ausgrenzung, die „Politik der Feindschaft“. Blickt er auf die Menschheit in ihrer Zerrissenheit kann er nur noch eine Totenmaske erkennen. Mbembe geht der Frage nach, wie eine „über die Menschheit hinausreichende Politik des Lebendigen“ aussehen könnte und plädiert für eine Welt, die mit allen Spezies geteilt wird.

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Die imperialen Mechanismen einer Weltmacht

Buch-Rezension. In seinem neuen Buch „Imperium USA“ belegt der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser, dass die USA seit ihren Anfängen bestrebt sind, ihren Gebiets- und Machtanspruch auf fremde Länder und Völker auszuweiten.

Daniele Ganser hat in seinem neuen Buch eine beeindruckende Faktensammlung über die Geschichte der USA zusammengetragen. Einige der in Gansers Buch beschriebenen Schandtaten der US-Politik kennt man, vor allem die aus jüngerer Zeit, doch vieles hat man noch nie gelesen, was sich aber nahtlos in das Gesamtbild einer macht- und geldgierig agierenden imperialistischen Weltmacht einfügt. Ganser verknüpft diese einzelnen Geschehnisse nicht nur zu einem erschreckend eindeutigen Geschichtsmosaik mit klar erkennbaren Mustern, sondern kann auch jede seiner Aussagen belegen. So eröffnet sich dem Leser ein in seiner Gesamtheit mehr als beunruhigendes Bild der Verfasstheit der politisch verantwortlichen Kreise in den USA, einem Land, das sich schon längst von einer Demokratie zu einer Oligarchie gewandelt hat, in der die Superreichen weltweit die Politik bestimmen.

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Geisterwelten, Aberglaube und Neurosen

Afrika/Ethnologie/Psychologie. Einblicke in faszinierende Grenzbereiche – Hexerei, Fetischismus und die Macht des Schenkens.

Der US-amerikanische Anthropologieprofessor Paul Stoller und seine Frau erzählen in ihrem Buch über die Zeit Stollers im Niger und seiner dortigen Begegnung mit der Zauberei, in deren Verlauf er selber zum Hexer wurde. Ähnliche Erlebnisse hatte der Schweizer Ethnologe David Signer bei seinen Feldforschungen in Westafrika. Beide sehen ihre Erfahrungen kritisch und sind sich der Gefahren bewusst, die die Beschäftigung mit diesem Themenkomplex für Leib und Seele mit sich bringt.

Ganz anders der Journalist Andreas Weber, der in seinem Buch das ganzheitliche Weltbild der indigenen Völker als Chance zur Gesundung der Welt begreift. Ein Exkurs zu Sigmund Freud, der die Ähnlichkeit zwischen Zauberei/Magie und Neurose herausarbeitet, aber einem streng wissenschaftlichen Weltbild verhaftet ist, und zu Wilhelm Reich, der die Existenz übersinnlicher Vorgänge bejaht, runden den Themenkomplex ab. Weiterlesen

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