Leseempfehlung! Michael Lüders legt in seinem Buch „Krieg ohne Ende? Warum wir für Frieden im Nahen Osten unsere Haltung zu Israel ändern müssen“ die Hintergründe für den verheerenden Gewaltausbruch im Gaza-Krieg offen. Ein Krieg, der auch die Nachbarländer direkt, wie Libanon, Syrien und Jemen, oder indirekt, wie Ägypten und Jordanien, betrifft und das Potential zur Auslösung eines Armageddon hat. 

Die am 21. November 2024 ausgestellten Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Israels Joaw Gallant – der Haftbefehl gegen Mohammed Deif, den obersten Befehlshaber des militärischen Flügels der Hamas, sei an dieser Stelle vernachlässigt – sind das Ergebnis einer langen Entwicklung, die Ende des Zweiten Weltkriegs richtig Fahrt aufnahm. Michael Lüders räumt in seinem neuen Buch auf mit dem Mythos des unschuldigen israelischen Opferstaates, der sich gegen die bösen Palästinenser inklusive aller anderen arabischen Nachbarstaaten verteidigen muss und zeigt ganz klar, dass es Israel niemals um eine gute Beziehung zu den Palästinensern ging, sondern allein darum, sein Staatsgebiet um palästinensisches Land zu erweitern.

Anders als von den etablierten Medien suggeriert, begann der neu ausgebrochene Palästina-Israel-Konflikt nicht erst am 7. Oktober 2023 mit dem brutalen Überfall auf israelische Zivilisten, dem Auslöser für den anschließenden Gaza-Krieg.

An dieser Stelle sei der Hinweis auf den Film „No Other Land“ (Regie: Yuval Abraham, Basel Adra, Hamdan Ballal, Rachel Szor) erlaubt, der auf der Berlinale 2024 mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet wurde, und der eindrücklich vor Augen führt, wie es am 7. Oktober 2023 zu dem Ausbruch an Gewalt und Hass von Seiten der Palästinenser gegen israelische Zivilisten kommen konnte.

Mit Nachdruck verweist auch Michael Lüders darauf, dass die Gewalt in Palästina nicht erst mit dem 7. Oktober 2023 begann, sondern eine lange Geschichte hat, die mit der Vertreibung der Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1947 begann. Allerdings sprengt der nach dem 7. Oktober 2023 begonnene israelische Rachefeldzug gegen die Hamas jegliche Dimension hinsichtlich der gegen die palästinensische Zivilbevölkerung begangenen Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen, von denen insbesondere Frauen und Kinder betroffen sind. Die Opferzahlen gehen weit in die Zehntausende.

Michael Lüders beschreibt in einem genauen und differenzierten Überblick die Vorgeschichte und den historischen Verlauf des israelischen Versuchs, die Palästinenser von ihrem Land zu vertreiben und ein Großisrael zu errichten, ohne dass jemals auch nur erwogen wurde, die Gründung eines palästinensischen Staates zuzulassen. Der Rückblick reicht vom Theodor Herzls „Judenstaat“-Veröffentlichung, über Großbritanniens Palästina-Mandat, das geheime Sykes-Picot-Abkommen, den UN-Teilungsplanung, die Ausrufung des Staates Israel, die um Palästina geführten Kriege, die Gründung der PLO, die erste und zweite Intifada, das Erstarken der Hamas sowie der libanesischen Hisbollah bis zum jetzigen Gaza-Krieg.

Man sagt, ein Gewehr geht immer doppelt los, einmal gegen den, auf den es gerichtet ist, und einmal gegen den, der es abfeuert. Und so wird die verrohte und verhetzte israelische Bevölkerung auch zum Opfer – zum Opfer seiner eigenen, gegen andere ausgeübten Gewalt. Wie wird Israel mit diesen unfassbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die es vor den Augen der Weltöffentlichkeit begeht, zukünftig leben können? Verbrechen, die aus einer historisch begründeten, tiefsitzende Angst des jüdischen Volkes nicht nur von der israelischen Politik instrumentalisiert wurden, um ein anderes Volk, das Volk der Palästinenser, der Verfolgung und des Völkermordes auszusetzen. Wird die Welt vor neuen Antisemitismus- und Anti-Islam-Wellen bewahrt bleiben? Kann es gelingen, den Humanismus als, laut Lüders, „die letzte Verteidigungslinie auch unserer Zeit“ zu halten? Und wie kann es nur sein, dass Deutschland im laufenden Jahr für 131 Millionen Euro Rüstungsexporte nach Israel genehmigt hat und mit seiner verkündeten „Staatsraison“ wiederum Schuld auf sich lädt?

Lüders erklärt ohne Umschweife: „Deutschland steht auf der falschen Seite der Geschichte. Mit fatalen Folgen. Dieses Land steht im Begriff, infolge seiner Ignoranz gegenüber >Gaza< zur geistigen Provinz zu werden.“

 

Michael Lüders „Krieg ohne Ende? – Warum wir für Frieden im Nahen Osten unsere Haltung zu Israel ändern müssen“ (Goldmann, 2024, 400 Seiten)