Libyen. Wie das Lobbying-Unternehmen Mercury den Einfluss der Moslembrüder und Dschihadisten in Tripolis vertuschen will und Wolfram Lacher für seine zweifelhaften Blogs lobt.

Die Wandlung des Libyenexperten Wolfram Lacher

Lobbyisten des Unternehmens Mercury, die für die libysche ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis tätig sind, promoten den deutschen Libyenspezialisten Wolfram Lacher. Dies geht laut AlMarsad aus Unterlagen hervor, die bei Foreign Agents Registration Act (FARA) eingereicht wurden. Mit Hilfe Lachers, den Mercury als in Libyen „hoch geachtete Persönlichkeit“ beschreibt, soll der Einfluss der Moslembruderschaft auf die ‚Einheitsregierung‘ geleugnet werden.

AlMarsad schreibt: „Der deutsche Libyen-Experte Wolfram Lacher, führender Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), ist ein bekannter Autor in Sachen Libyen. Im Juli 2018 verfasste er zusammen mit Alaa al-Idrissi ein Papier mit dem Titel Hauptstadt der Milizen: Die bewaffneten Gruppen Tripolis erobern den libyschen Staat, eine wichtige Studie, die den Einfluss paramilitärischer Kräfte, die mit der ‚Einheitsregierung‘ zusammenarbeiten, aufdeckte. Lachers Studie hat gezeigt, wie das >Milizenkartell in Tripolis< in einer Weise >Einfluss auf staatliche Institutionen und Vermögen< ausübte, die in Libyen in der Zeit nach Gaddafi beispiellos war.“

Laut Lacher kontrolliere das Milizenkartell die Verwaltung und die Wirtschaft. Diese Situation heize einen möglichen „neuen Krieg um die Hauptstadt“ an. Er beschuldigte die USA und die ‚internationale Gemeinschaft‘ zusammen mit der ‚Einheitsregierung‘, >die Expansion dieser Milizen stillschweigend unterstützt< zu haben.

Allerdings habe sich seitdem Lachers Einstellung geändert und er wurde zu einem vehementen Unterstützer der ‚Einheitsregierung‘. Laut AlMarsad hetze er seit dem Beginn des Marsches der LNA auf Tripolis im April 2019 in seinen Twitter-Posts einseitig gegen Feldmarschall Haftar, die LNA und andere einflussreiche Persönlichkeiten, die gegen die ‚Einheitsregierung/Islamisten/Erdogan eingestellt sind. Zu den Angegriffenen zähle auch Dr. Aref Ali Nayed, mit dem sich Lacher noch im Juni 2015 in Berlin fotografieren ließ.

Neben seinen Angriffen auf alle Gegner der ‚Einheitsregierung‘ habe er auch aktiv andere Libyenexperten, Offizielle und Aktivisten blockiert [Anm.: Auch mich hat Lacher auf Twitter gesperrt]. Offensichtlich habe er sich von einem wissenschaftlichen Analysten zu einem Aktivisten der ‚Einheitsregierung‘ gewandelt.

‚Einheitsregierung‘ zahlt Millionen an Mercury

Die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis beauftragte im April 2019 die in den USA ansässige Lobbygruppe Mercury Public Affairs LLC, um bei der Trump-Administration und dem Kongress Lobbyarbeit für die ‚Einheitsregierung‘ zu leisten. Mercury ist ein führendes Lobbying-Unternehmen in den USA, zu dessen Kunden auch die Türkei und Katar, China und Russland gehören. Wie aus den Aufzeichnungen mit der FARA hervorgeht, bekam Mercury einen monatlichen Vorschuss von 150.000 US-$, plus vierteljährlich 50.000 US-$ für angefallene Ausgaben zusätzlich zu einer Einstiegszahlung von 500.000 US-$.

Mercury verpflichtete hochkarätige Lobbyisten wie den ehemaligen republikanischen Senator David Vitter, den ehemaligen Trump-Berater Bryan Lanza und Suheyla Tayla, eine ehemalige türkisch-amerikanische Politikexpertin an der US-Botschaft in Ankara, um das Image der ‚Einheitsregierung‘ aufzupolieren. Daneben startete Mercury eine massive PR-Kampagne, die positive Artikel über die ‚Einheitsregierung‘ in führenden westlichen Publikationen unterbringen konnte. Die Zusammenarbeit der ‚Einheitsregierung‘ mit islamistischen Milizen, der Türkei und syrischen Söldnern fanden keine Erwähnung, dafür wurde umso heftiger auf Haftar und Russland eingedroschen.

Für die Lobbyisten von Mercury ist Lacher ein Vorbild

Wie sich Mercury die völlig verzerrte Darstellung der libyschen Sachverhalte vorstellte, geht aus bei AlMarsad veröffentlichten Emails der Geschäftsführerin von Mercury, Molly Toomey, hervor, in der auch ein Twitter-Post von Wolfram Lacher als positives Beispiel aufgeführt wird, um die Anwesenheit von dschihadistischen Kämpfern in Tripolis zu leugnen: https://twitter.com/W_Lacher/status/1260470431074734090

In dem Twitter-Post von Lacher auf den Hinweis, dass der ehemalige Führer der LIFG (Libyan Islamic Fighting Group, al-Kaida nahestehend), Khalid asch-Scharif, wieder in Tripolis ist und einen führenden Posten anstrebt, heißt es bei Lacher: „Falsch. Khalid asch-Scharif ist nicht in Tripolis. Und das Reden über islamistische Dominanz in der ‚Einheitsregierung‘ führt zu Fehlschlüssen. Ich habe diesen Unsinn so satt. Schau, dass du einen anderen Bösewicht findest.“

Laut AlMarsad lag Lacher mit der Leugnung der erneuten Anwesenheit von Scharif in Tripolis falsch. Scharif sei in Begleitung des Leiters des türkischen Geheimdienstes Hakan Fidan aus der Türkei zurückgekehrt, um in Abstimmung mit Tunesien in Tripolis gegen die LNA aktiv zu werden.

Moslembrüder in führenden Postionen

Auch wenn Mercury versucht, den Einfluss der Moslembruderschaft auf die ‚Einheitsregierung‘ zu vertuschen, zeigen einige von AlMarsad angeführte Beispiele eine andere Realität auf. So sind Ali Issawi, der bis letzten Monat Wirtschaftsminister des ‚Einheitsregierung‘ war, sowie der jetzige Gesundheitsminister, Ahmed bin Omar, und sein Stellvertreter, und auch Abdula Rachman Kadschman vom Präsidialrat, Mitglieder der Moslembruderschaft und deren Partei des Aufbaus.

Das Präsidialratsmitglied und Bildungsminister Muhammad Amari Zayed war Mitglied der Islamic Assembly Group, die der Muslimbruderschaft angehört und der Terrorgruppe Shura Council of Benghazi Revolutionaries (BRSC) und Ansar asch-Scharia nahe steht. Laut den USA steckt Ansar asch-Scharia hinter dem Angriff auf die US-Botschaft in Bengasi des Jahres 2012, bei dem US-Botschafter Christopher Stevens getötet wurde.

Der Vorsitzende des Hohen Staatsrates, Khaled al-Mischri, der zwar zum Schein aus der Moslembruderschaft und der Partei des Aufbaus ausgetreten ist, um 2019 in den USA überzeugender vor der Trump-Administration auftreten zu können, steht der Bewegung nach wie vor mehr als nahe.

Auch die wichtigste Bank des Landes, die Central Bank of Libya, ist fest im Griff der Moslembruderschaft.

Dies alles gibt laut AlMarsad Aufschluss darüber, wie stark die von der UN anerkannte ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch unter dem Einfluss der Moslembruderschaft steht und die Institutionen in Tripolis kontrolliert.

https://almarsad.co/en/2020/06/12/fara-document-reveals-how-gnas-lobbying-firm-promotes-wolfram-lacher/