Muammar GaddafiAm 20. Oktober 2025 jährt sich zum 14. Mal der Tag der Ermordung von Muammar al-Gaddafi.
Gaddafi befand sich am 20. Oktober 2011 zusammen mit seinem Sohn Mutassim und Sicherheitsleuten in einem Konvoi auf dem Weg aus der Stadt Sirte. Mit Hilfe deutscher Spionage-Logistik konnte die Fahrzeugkolonne von einer US-amerikanischen Reaper-Drohne aufgespürt werden. Der Konvoi änderte noch seine Route, konnte aber dem Beschuss durch zwei französische Kampfjets nicht entkommen. Die Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt, mehrere Dutzend Personen getötet, der Konvoi gestoppt. Der verwundete Gaddafi flüchtete mit anderen Überlebenden in einen nahegelegenen Tunnel, wo er von extremistischen Islamisten aufgespürt, misshandelt und ermordet wurde.

Seitdem leidet Libyen. Innerhalb von 14 Jahren ist es der sogenannten ‚internationalen Gemeinschaft‘ mit Hilfe der UNO und ihrer Sondermission gelungen, Libyen in einen östlichen und einen westlichen Teil zu spalten, es in Korruption versinken zu lassen, seine Wirtschaft zu zerstören, seine Finanzen zu zerrütten und es einer chaotischen und gewalttätigen Milizenherrschaft unter dem Einfluss ausländischer Mächte zu überlassen.

Anussa Slim, UN-Vertreterin der italienischen Organisation SOLCI, veröffentlichte vor Kurzem im us-amerikanischen Magazin International Policy Digest eine Zustandsbeschreibung der aktuellen Situation in Libyen. Die Post-Gaddafi-Ära habe eine düstere Mischung aus Not, immer wiederkehrenden Konflikten und wirtschaftlicher Fragilität hervorgebracht. Das Gesundheits- und Bildungssystem, ebenso wie staatliche Dienstleistungen und die Energiesicherheit seien nur noch rudimentär vorhanden.

Weiter heißt es bei Anussa Slim, dass sich Libyen in einem lähmenden Machtvakuum befindet, zerrissen zwischen zwei rivalisierenden Regierungen. Ausländische Mächte, die von Libyens riesigen Ölreserven angezogen werden, hätten das Land in ein geopolitisches Schachbrett verwandelt. Entgegengesetzte externe Interessen stünden über den Bedürfnissen der libyschen Bevölkerung. Trotz des Reichtums an Öl und anderen natürlichen Ressourcen sei die Wirtschaftslage desaströs, stiegen die Preise, sei die Währung schwach und der Zugang zu Bargeld eingeschränkt.

Libyen vor und nach 2011

Libyen mit den nachweislich größten Erdölreserven Afrikas war ein reiches Land. Mit den durch Öl- und Gasexporte eingenommenen Geldern finanzierte Gaddafi ehrgeizige Infrastrukturprojekte wie den Bau des Great Man Made Rivers, der ganz Libyen mit Süßwasser versorgt, stellte aber auch sicher, das den Bürgern ein kostenloses, hochwertiges Gesundheits- und Bildungssystem zur Verfügung stand. Seine Bürger lebten in Sicherheit, Frauen standen alle – auch beruflichen – Möglichkeiten offen.

Es ist jedoch nicht möglich, dass ein ölreicher Staat ohne politischen Zusammenhalt und nationale Stabilität Nutzen aus seinem Ölreichtum ziehen kann. Und so wurde das reiche und geachtete Libyen in der Nach-Gaddafi-Ära zu einem Land des Verfalls. Die Arbeitslosigkeit liegt heute bei knapp zwanzig Prozent, wovon die Jugend überproportional betroffen ist. Die Inflation untergräbt die Kaufkraft des Libyschen Dinars, die Infrastruktur ist von einer tiefen Malaise des Verfalls geprägt. In vielen Regionen ist der Zugang zu sauberem Wasser schwierig, ständige und langanhaltende Stromausfälle behindern den Alltag. Die einstmals unter der Dschamahiriya-Regierung und Muammar Gaddafi erwirtschafteten und im Ausland angelegten Staatsvermögen, die 2011 eingefroren wurden, sind seitdem zusehends in heimlicher Auflösung begriffen. Die Sicherheitslage im Land ist desaströs, Milizenkämpfe an der Tagesordnung ebenso wie ständige Menschenrechtsverletzungen.

Die heute an der Macht befindlichen Parteien blockieren unter den Augen der UN-Mission seit Jahren die Abhaltung von Wahlen, um den jeweils eigenen Machterhalt zu sichern.

Die zutiefst frustrierte libysche Bevölkerung sieht sich dieser Situation hilflos ausgesetzt. Es ist viel mehr als Nostalgie, wenn immer mehr Menschen für Feiern zum Jahrestag der al-Fatah-Revolution von 1969 auf die Straße gehen und Gaddafi feiern.

Muammar Gaddafi musste weg, weil er einen unabhängigen Weg für Libyen beschreiten wollte. Er war unbotmäßig und unterstützte weltweit Unabhängigkeitsbewegungen. Er war ein Kämpfer gegen Imperialismus und Rassismus und ein Freund Nelson Mandelas. Er war ein Unterstützer der palästinensischen Freiheitsbewegung. Er war bei den Menschen in ganz Afrika geachtet und beliebt. Er wollte Afrika von dem US-Dollar beherrschten Finanzsystem befreien und eine goldgedeckte afrikanische Währung einführen.

Er kritisierte schon 2007 das Weltfinanzsystem als internationale Diktatur, die auf Angst basiert und sich insbesondere gegen Arme richtet und warnte: „Die vorherrschende Macht liegt heute in den Händen derjenigen, die über wirtschaftliche und militärische Macht verfügen. Dies löst bei anderen Angst aus. Sie können dich verhungern lassen. Sie können dir ihre Türen für den Export von Rohstoffen wie Erdöl oder Kaffee verschließen.“

Er musste getötet werden. Mit ihm wurde die Dschamahiriya-Regierung und der libysche Staat in den Tod gerissen.