Illiescu-IonDer erste Nachwende-Präsident Rumäniens blieb auch immer der geheimnisumwittertste. Das lag nicht zuletzt an seiner Rolle beim Sturz des national-kommunistischen Diktators Nicolae Ceaucescu.

Gastbeitrag von Kay Hanisch

Noch in den 60iger Jahren galt Iliescu als politische Nachwuchshoffnung, wurde von KP-Chef Gheorghe Gheorgiu-Dej gefördert und zunächst auch von dessen Nachfolger Ceaucescu.

1968-1984 war Iliescu Mitglied des Zentralkomitees der KP, seit 1971 zuständig für Propaganda und Erziehung. Der studierte Ingenieur für Wasserbau war aber kein Apparatschik ohne eigene Meinung, für den die Partei immer recht hat. Iliescu las Bücher, reflektierte das Gelesene und erlaubte sich eigene Positionen. Das ließ ihn zunehmend in Gegensatz zum immer autoritärer werdenden Ceaucescu geraten, der ihn schrittweise entmachtete und auf immer unbedeutendere Posten abschob. Mitte der 80iger Jahre war er nur noch Parteichef einer Kreisorganisation, Ende der 80iger lediglich Leiter eines Technischen Verlages.

Als die kommunistischen Regime im Ostblock 1989 gestürzt waren und nur in Rumänien sich das Regime Ceaucescus hielt, beschloß man im Westen, das ganze selbst in die Hand zu nehmen. Da eine oppositionelle Szene wie in der DDR, in Polen oder der CSSR in Rumänien nicht existierte, wandten sich die westlichen Geheimdienste an den gefallenen Funktionär Iliescu, der den Umsturz organisieren sollte.

Die Gruppierung, die den Umsturz einleitete, nannte sich Front der Nationalen Errettung (FSN) und bestand hauptsächlich aus gewendeten KP-Mitgliedern, die die Zeichen der Zeit erkannt hatten, daß der Kommunismus in einem vom Westen und Kapitalismus dominierten Europa nicht mehr in Rumänien existieren konnte. Mit dem ideologischen Fahnenwechsel vom Kommunismus zum Kapitalismus retteten Iliescu und seine Mitstreiter zwar nicht ihre einstigen Ideale, aber wenigstens ihre Pfründe – vermutlich hieß die Truppe deswegen „Rettungsfront“. 
Diese benannte Iliescu in Sozialdemokratische Partei Rumäniens (PDSR), heute nur noch PSD, um.

Die genauen Umstände um den Umsturz im Dezember 1989 liegen bis heute teilweise immer noch im Dunkeln. Diktator Ceaucescu floh nebst seiner noch verhaßteren Ehefrau Elena mit einem Hubschrauber vom Dach des ZK-Gebäudes, landete später auf einem offenen Feld, floh weiter per Anhalter, wurde gefaßt und in einem vom Militär improvisierten Schauprozeß, der nicht rechtsstaatlichen Prinzipien entsprach, zum Tode verurteilt und das Urteil sofort vollstreckt. Während des Prozeßes war auf der Straße Gewehrfeuer zu hören. Angeblich sollen loyale Einheiten des Geheimdienstes Securitate versucht haben, Ceaucescu und seine Frau zu befreien. In diesen Tagen starben knapp tausend Menschen auf den Straßen Rumäniens.

Gerüchte und Geraune ranken sich bis heute um diese Zeit. Viele Dinge blieben im Nebel und es gab sehr viele Personen in Rumänien, die nicht wollten, daß die Ereignisse dieser Tage aufgeklärt werden. Die prominenteste davon war Iliescu.

Fest steht, daß westliche Geheimdienste in den Umsturz involviert waren und das sich Iliescu zu ihrem Werkzeug machen ließ. Hegte er anfänglich noch Hoffnung Rumänien auf einen Reformkurs wie Gorbatschow in der UdSSR zu führen, muß ihm aber doch sehr bald klar geworden sein, daß sich dieses Zeitfenster bereits geschlossen hatte und der Westen ohnehin kein Interesse an sozialistischen Reformexperimenten hatte.

Auch das viele der Toten auf das Konto von westlichen Geheimdiensten gehen, die Heckenschützen im Einsatz hatten, ist heute bekannt. So plauderten Ex-Geheimdienstler in der ARTE-Dokumentation „Schachmatt – Strategien einer Revolution“ offen aus dem Nähkästchen darüber. Den Heckenschützeneinsatz wiederholten die NATO-Geheimdienste übrigens 2011 im Libyens Ghaddafis und in Syrien unter Assad sowie 2014 auf dem Maidan in der Ukraine. Ziel war es, die Bevölkerung, welche noch zu ruhig war oder nur friedlich protestieren wollte, zum Aufruhr und Systemsturz anzustacheln.

Über Nacht verschwand die mächtige rumänische KP im Nichts. Sie löste sich nie offiziell auf. Sie verschwand. Ein Großteil ihrer Strukturen transferierte Iliescu in die Rettungsfront FSN, aus der sich die PSD entwickelte. Der Kapitalismus hatte in Rumänien zwar gesiegt, die kommunistischen Seilschaften der Ex-Genossen blieben aber weitgehend bestehen.

Iliescu konnte sich bis 1996 an der Macht halten und zementierte diese Strukturen. Noch heute ist PSD die Partei mit dem besten Apparat und Strukturen und auch im wechselhaften politischen System Rumäniens nicht totzukriegen.

Iliescu führte Rumänien in Richtung EU und NATO, was damals auch dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entsprach. 1996 wurde er im Präsidentenamt vom Christdemokraten Emil Constantinescu abgelöst, schaffte aber im Jahr 2000 noch einmal ein Comeback und regierte bis 2004.

In der mächtigsten Partei des Landes blieb er aber noch viele Jahre eine einflußreiche Stimme und bis zuletzt Ehrenvorsitzender.

Ion Iliescu starb am 5. Augsut 2025 im Alter von 95 Jahren an Lungenkrebs, den man zwei Monate vor seinem Tod diagnostiziert hatte.

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