Dschamahirija-Leute dürfen nicht nach Libyen ausgeliefert werden / Sozialrat fordert Freilassung der Angehörigen des Gaddhafa-Stammes in Tripolis
Ägypten darf Dschamaharija-Leute nicht nach Libyen ausliefern
Laut einer Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts Ägyptens vom 7. Januar 2020 dürfen sechs ehemalige hochrangige Dschamahirija-Angehörige nicht nach Libyen ausgeliefert werden. Damit hat das Oberste Verwaltungsgericht die Entscheidung eines untergeordneten Gerichts aufgehoben. Gegen das Urteil kann keine Berufung eingelegt werden.
In dem Urteil heißt es, die Auslieferung der Männer nach Libyen würde deren Leben gefährden und werde deshalb aus humanitären Gründen untersagt. In dem Verfahren ging es um den ehemaligen libyschen Geheimdienstchef Khalifa Mesbah, den ehemaligen Minister für öffentliche Sicherheit und Justiz Moftah al-Senussi, den ehemaligen Innenminister Nasr al-Mabruk, den ehemaligen Verkehrsminister Mohammed Abu Ajila und die ehemaligen Stellvertreter Mohammed Jarallah und Fouad Mohammed Abdullah.
Bereits 2012, ein Jahr nach dem Sturz der Dschamahirija-Regierung und der Ermordung von Muammar al-Gaddafi, hatte die damalige Übergangsregierung an Ägypten ein Auslieferungsgesuch für 18 führende Dschamahirija-Vertreter gestellt. Damals war in Ägypten der Moslembruder Mohammed Mursi an der Macht, so dass sich die Moslembrüder der libyschen Übergangsregierung gute Chancen ausrechneten, dass ihrem Gesuch stattgegeben wird.
Doch die Justiz in Ägypten bekennt sich zur UN-Flüchtlingskonvention, die vorsieht, dass Flüchtlinge nicht in ein Land überstellt werden dürfen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht ist. Das Gericht stellte fest, dass Flüchtlinge alle ihre Rechte im Land genießen dürfen, solange sie nicht die nationale Sicherheit Ägyptens bedrohen oder rechtskräftig wegen eines schweren Verbrechens verurteilt sind.
Laut Ali Tarfaya, Mitglied der African and Arab Affairs Association, sollten mit diesem Urteil, das auf internationalem Recht beruht, Forderungen bezüglich der Auslieferung von ehemaligen Führern der libyschen Dschamahirija endlich ein Ende finden. Die libysche Seite
[sprich die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis]
möge die ägyptische Rechtsprechung respektieren. Tarfaya nahm Bezug auf einen ähnlichen Urteilsspruch, der sich auf den Aufenthalt von Ahmed Gaddaf al-Dam, dem Cousin von Muammar al-Gaddafi, in Ägypten bezog. Auch seine Auslieferung nach Libyen verhinderte 2013 ein ägyptisches Gericht.
Sozialrats des Gaddafha-Stammes fordert Freilassung von Stammesangehörigen
Der Sozialrat des Gaddafha-Stammes wandte sich am 11. Januar mit einer Stellungnahme an die sogenannte ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, in der er die dortigen Behörden aufforderte, die Urteile und Vereinbarungen, die bezüglich der Freilassung junger Gefangener getroffen worden waren, zu respektieren. In dem Schreiben heißt es: „Möge der allmächtige Gott unsere Aufrichtigkeit bezeugen, wenn wir unser Vertrauen in die Integrität der libyschen Justiz bekräftigen, trotz all dessen, was geschehen ist und geschieht, sowie unseren Glauben an die Justiz hinsichtlich der Wahrheitsfindung ausdrücken, insbesondere in Bezug auf die Personen, die im Jahre 2011 vor dem Hintergrund der damaligen Ereignisse inhaftiert wurden.“
Der Sozialrat des Gaddafha-Stammes habe beschlossen, weiter den Rechtsweg zu beschreiten. Der Sozialrat habe in Absprache mit den Sozialräten der Stämme und namhafter Spezialisten die Fälle verfolgt, bei denen die Anklagen auf falschen Anschuldigungen beruhten. Der Sozialrat habe sich gegenüber den Regierungsorganen ehrlich gezeigt und seinen Respekt und seine Wertschätzung geäußert. Dies habe zur Beilegung vieler Anklagen und zur Freilassung von Inhaftierten geführt.
In der Stellungnahme heißt es weiter, dass aber keine überzeugende Erklärung oder rechtliche Begründung für die anhaltende und ungerechtfertigte Inhaftierung des Bürgers Saadi Muammar Gaddafi gegeben werde. Dessen Leben läge in den Händen der Imam-Miliz, die ihn immer noch gefangen hält, obwohl bereits am 2. Februar 2018 seine Unschuld gerichtlich festgestellt worden ist.
Es ginge auch um den Fall Nadschi Harir al-Gaddafi und seiner Kameraden. Auch hier sei die weitere Inhaftierung nicht zu begründen. Des Weiteren könne man auch nicht verstehen, warum der Bürger Saad Masoud al-Gaddafi nicht freigelassen werde.
Auch die noch immer nicht erfolgte Freilassung der Bürger Ahmed Mohamed Gaddafi, Mansour Daw Ibrahim al-Gaddafi und Walid Abdel-Kader Denon al-Gaddafi, Attia Mudschahid Faradsch al-Gaddafi sei unverständlich. Der Oberste Gerichtshof habe die verhängten Urteile in einer Berufungsverhandlung aufgehoben, da gezeigt werden konnte, dass von den Beschuldigten keine Verbrechen begangen worden waren. Der Sozialrat: „Die Urteile wurden überprüft und wegen der außergewöhnlichen Umstände, unter denen sie gefällt wurden, einkassiert. Zu den Ermittlungen gehörten Folter, böswillige Unterstellungen und unter Gewalt erzwungene Geständnisse.“
Der Rat forderte abschließend „alle zuständigen Behörden der ‚Einheitsregierung‘ auf, von der gegen uns praktizierten Diskriminierungspolitik abzurücken, die Gerichtsurteile zu respektieren und entsprechend zu handeln. Sie sollen unsere unschuldigen Kinder freilassen oder uns über die wahren Gründe für ihre weitere ungerechte Inhaftierung, die gegen das Gesetz verstößt, informieren.“
Der Stammesrat machte die Behörden der ‚Einheitsregierung‘ unter Premierminister Fayez as-Sarradsch darauf aufmerksam, dass seine zuständigen Behörden „für alles, was ihnen während des gegenwärtigen Krieges zustoßen könne, selbst die Verantwortung tragen“.