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Generation Z: vernachlässigt in der smartphonebasierten Welt – überbehütet in der realen Welt

Generation Angst von Jonathan HaidtIn dem Buch „Generation Angst – Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen“ von Jonathan Haidt geht es um die schädlichen Auswirkungen von Smartphones und sozialen Medien auf die psychische Gesundheit der sogenannte Generation Z, das heißt, um jene jungen Menschen, die nach 1995 geboren wurden und die sich nach Meinung von Haidt durch den übermäßigen Aufenthalt in der virtuellen Welt ebenso wie aufgrund von Überbehütung zu einer ängstlichen Generation entwickelt haben.
Beide Trends zusammen – Überbehütung in der wirklichen Welt und Unterbehütung in der virtuellen Welt – führten dazu, dass aus der Generation Z die „Generation Angst“ wurde.

Jonathan Haidts Sachbuch ist in klarer, gut verständlicher Sprache verfasst, hirnphysiologische Erkenntnisse, wissenschaftliche Untersuchungen und daraus hergeleitete Diagramme sind leicht fassbar dargestellt. Die in dem Buch vorgenommene sozialpsychologisch-wissenschaftliche Einordnung dessen, was viele schon lange hinsichtlich des exzessiven Gebrauchs von Smartphones ahnten, macht die Stärke dieses Buches aus. Allerdings bezieht sich Haidt hauptsächlich auf us-amerikanische Mittelschichtfamilien; eine Eins-zu-eins-Übertragung auf die Verfasstheit der deutschen Gesellschaft erscheint daher nicht angezeigt.

Haidt vertritt die These, dass durch den Gebrauch von Smartphones die Jugendlichen dazu verführt werden, viele Stunden online zu verbringen und deshalb nur noch wenig Zeit für körperlich-soziale Verhaltensweisen im echten Leben bleibt. Damit käme es im Gehirn von Kindern und Jugendlichen zu einer schädliche Neuverdrahtung. Der Übergang von einer „spielbasierten Kindheit“ auf eine „smartphonebasierte Kindheit“ habe in den späten 1980er Jahren begonnen. Dazu käme eine katastrophale Überbehütung der Kinder in der realen Welt, die auch in Überwachung umschlagen kann, wodurch die Autonomie in der wirklichen Welt massiv eingeschränkt werde.

Eine Flutwelle

Im ersten Teil belegt Haidt, wie sich die psychische Gesundheit von Teenagern im 21. Jahrhundert verschlechtert hat. Es sei zu einer Zunahme vor allem von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen gekommen, wovon insbesondere Mädchen betroffen sind. Die Einführung des Smartphones ab 2007 und die rasche Zunahme von Social-Media-Kanälen ab 2012 sind als wichtigste Wegmarken zu benennen, da von nun an das Internet und damit die sozialen Medien rund um die Uhr verfügbar waren. Zu dieser Zeit begannen laut internationalen Erhebungen die Teenager vermehrt unter Depressionen zu leiden; je intensiver die Nutzung, umso stärker das Leiden. Besonders betroffen waren Mädchen, doch zeige sich diese Entwicklung über sämtliche Bevölkerungsgruppen. Haidt belegt dies differenziert anhand vieler empirischer Studien und Grafiken. Die Möglichkeit, fast ständig online zu sein, habe „eine historische und beispiellose Transformation der menschlichen Kindheit“ zur Folge gehabt. Inzwischen sei eine Generation herangewachsen, die ihre gesamte Pubertät hauptsächlich in der virtuellen Welt verbrachte.

Der Niedergang der spielbasierten Kindheit

Im zweiten Teil beschäftigt sich Haidt mit der wachsenden elterlichen Ängstlichkeit und Überbehütung. Die Adoleszenz als eine Art „kultureller Lehrzeit, bevor man als Erwachsener angesehen und behandelt wird“, habe ausgedient, stattdessen würden Kinder in eine virtuelle Welt gelockt. Es fehle an freiem Spiel, an körperlichem Spiel, an einem gewissen Maß an körperlichem Risiko. Denn: „Erfahrungen, und nicht Information, sind der Schlüssel zur emotionalen Entwicklung.“ Smartphones dienten dabei bedauerlicherweise als „Erfahrungsblocker“. Es sei eine große „Neuverdrahtung“ der Kindheit zwischen 2010 und 2015 aus der wirklichen in die virtuelle Welt erfolgt, da es an physischer Interaktion als tiefer Teil der menschlichen Evolution fehle, und dies führe zu einem Gefühl der Einsamkeit. Es gebe eine sensible Phase zwischen neun und fünfzehn Jahren für kulturelles Lernen, dessen Zeitfenster sich dann schließt. Gerade die Pubertät sei damit die sensibelste Phase für den schädigenden Einfluss von sozialen Medien.

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Patrice Lumumba und der afrikanische Freiheitskampf

Gerd Schumann: "Patrice Lumumba"Ausgehend von der brutalen und grausamen Schreckensherrschaft Leopold II. im Kongo, in die Patrice Lumumba hineingeboren wurde, schildert Gerd Schumann in seinem gerade erschienenen Bändchen „Patrice Lumumba“ den politischen Werdegang Lumumbas und seinen Freiheitskampf gegen Kolonialismus und für einen souveränen und geeinten Kongo.

Lumumba war der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident des Kongo. Seine offizielle Amtszeit dauerte von Juni bis Oktober 1960, also keine vier Monate. Die Ermordung Lumumbas hatten die Regierungen Belgiens und der USA angeordnet, ausgeführt wurde sie von der CIA mithilfe lokaler Kräfte. Eine Blutspur durchzieht seither den Kongo bis in die Gegenwart. Lumumba trotzte den kolonialen Kräften und musste dies mit seinem Leben bezahlen. Diese große Persönlichkeit der Weltgeschichte holt Gerd Schumann zurück in das „Geschichtsgedächtnis des Nordens“. Und so endet denn die Einleitung seines Buches mit den Worten: „Lumumba – presente!

Der Kongo unter der Knute des belgischen Königs Leopold I.

Die belgische Kolonialzeit im Kongo war eine Zeit unsäglichen Leids und Schreckens für die kongolesische Bevölkerung. Nachdem sich der belgische König Leopold II. den Kongo privat angeeignet und zu einer „Ein-Mann-Kolonie“ gemacht hatte (1885 bis 1908 „Freistaat“ Kongo), wurde diese 1908 zur Kolonie Belgisch-Kongo, die bis 1960 Bestand hatte.

Bei der Berliner Konferenz 1884 wurde über die Aufteilung Afrikas zwischen den Kolonialmächten – selbstverständlich unter Ausschuss der Betroffenen – verhandelt und im Februar 1885 die „Kongo-Akte“ verabschiedet, nach der der Kongo als Kolonie Leopold II. anerkannt wurde. Die Herrschaft über zwanzig Millionen Afrikaner wurde an etwa 3.000 Weiße übertragen. Der Kongo gehörte dem „nunmehr größten Landbesitzer der Welt“, der „ein System der blanken Ausbeutung und faktischen Leibeigenschaft“ errichtete. Exportiert wurden Elfenbein und später vor allem das für die inzwischen auf Hochtouren laufende Reifenproduktion so wichtige Kautschuk, das die kongolesischen Arbeitskräfte heranschaffen mussten. Schätzungen gehen davon aus, dass die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zehn Millionen Menschen das Leben kosteten, manche Schätzungen liegen noch höher. Ganze Dörfer, die das Soll nicht erfüllen konnten, wurden massakriert. Eine Spezialität stellte das Abhacken von Händen dar, bei Toten und Lebenden. Die Einwohnerzahl des Kongos halbierte sich von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg von geschätzt 29 Millionen auf nur noch um die zehn Millionen. Am Kongo-Fluss, im „Herzen der Finsternis“, (1) hatte einer der grausamsten Genozide der Weltgeschichte stattgefunden.

Als Leopold II. im Dezember 1909 starb, ging sein Privatbesitz „Kongo“ in die Verwaltung der parlamentarischen Erbmonarchie Belgien über. Die „autoritäre und brutale Ausplünderung nach rassistischen Regularien“ wurde fortgesetzt.

Das Leben des Patrice Lumumba

Lumumba wurde 1925 geboren. Einem bäuerlichen Elternhaus entstammend wurde er zunächst von katholischen, dann von evangelischen Missionsschulen geprägt. Sein Interesse galt der Aufklärung und den Schriften von Rousseau und Voltaire. Lumumba arbeitete etliche Jahre als Postbeamter und war dreimal verheiratet. Der auch rhetorisch hochbegabte und gebildete Lumumba trat 1956 der Liberalen Partei Belgiens bei und analysierte in seinem Buch „Le Congo. Terre d’Avenir. Est-il Menacé?“ (2) das belgische Unterdrückungssystem und die gesellschaftspolitische Lage in der Kolonie. Zu dieser Zeit sah sich Lumumba noch als reformerischer „Mittler zwischen der Regierung von Belgisch-Kongo und den Massen“. Im gleichen Jahr wurde er wegen angeblicher Unterschlagung zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt.

Lumumba schloss sich einer heterogenen Unabhängigkeitsbewegung an, wo er Joseph Kasavubu, Joseph-Désiré Mobutu und Moise Tschombé zu seinen Freunden zählte, die später zu Handlangern des Kolonialismus mutierten. Kasavubu sollte ihn als Ministerpräsidenten absetzen, Mobutu ließ ihn einsperren und Tschombé ließ ihn auf Geheiß von USA und Belgien grausam ermorden.

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Sind Demokratie und Kapitalismus vereinbar?

Rezension. Diese Frage beantwortet Rainer Mausfeld in seinem Standartwerk über Demokratie mit einem eindeutigen Nein. Mausfelds neues Buch „Hybris und Nemesis. Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt – Einsichten aus 5000 Jahren“ ist unverzichtbare Lektüre für alle, die sich darüber Gedanken machen, was bei unserer gegenwärtigen Art von Demokratie falsch läuft und wie echte Demokratie aussehen könnte. Echte Demokratie, die verhindert, dass die Schwachen mittels Elitenherrschaft zum Opfer der Starken werden.

Eliteneinhegung: Von den Jägern und Sammlern über das alte Ägypten und China ins antike Athen und zu Machiavelli

Das klar gegliederte und kompakte Buch zu den Themen Gesellschaft, Eliten und Macht gibt einen Überblick, wie sich der Versuch, die parasitäre Elitenmacht zum Wohle der Gesellschaft einzuhegen, durch die gesamte Zivilisationsgeschichte zieht. Mausfeld schlägt dazu den Bogen von den Jäger- und Sammlergesellschaften über die frühesten Zivilisationen in Mesopotamien bis nach Ägypten und das alte China. Dabei führt er aus, wie Gesellschaften jeweils bestrebt waren, Instrumente zur Kontrolle beziehungsweise zur Verhinderung von Elitenherrschaft zu entwickeln.

Ein eigenes Kapitel widmet Mausfeld dem antiken Athen, der ‚Wiege der Demokratie‘, wo die Reformen eines Solon und eines Kleisthenes das Fundament für die Athenische Demokratie legten. Besondere Beachtung findet dabei der weniger bekannte Hellene Ephialtes mit seinen Vorstellungen von Demokratie, die nach Mausfelds Meinung einer echten Demokratie am nächsten kamen.

Auch die „machiavellische Demokratie“ ist Mausfeld ein eigenes Kapitel wert. Denn in seinen Discorsi benannte Machiavelli den unüberbrückbaren Gegensatz von Volk und Elite und beschrieb klar die gesellschaftlichen Zerstörungskräfte von Eliten.

Neuzeit: Kapitalismus und repräsentative Demokratie als Elitenherrschaft

Mausfeld zeigt auf, dass unsere repräsentative Demokratie durch das Mehrhabenwollen der Eliten, durch deren Macht- und Besitzgier, weit davon entfernt ist, eine echte Demokratie zu sein, sondern stattdessen den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht. Laut Mausfeld schließen sich echte Demokratie und Kapitalismus aus, aber nur einer echten Demokratie wäre es möglich, den Machtanspruch von Eliten einzuhegen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass Mausfeld Kapitalismus nicht im Sinne von kapitalistischen Wirtschaftsformen betrachtet, sondern dass für ihn Kapitalismus die Herrschaft des Kapitals bedeutet, also Kapitalismus die Gesellschaftsordnung darstellt, in welcher der gesamte gesellschaftliche Reichtum als Ware behandelt wird.

In der Neuzeit erfolgte laut Mausfeld die Zerstörung einer zivilisatorischen Leitidee, in Szene gesetzt durch den „wohl größten Wortbetrug der Geschichte“.

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Politische Gedichte. Der Gaza-Krieg im Blick von Rajani Kanth

... und GAZA und ... Rajani KanthRezension. Der neue Gedichtband „… und GAZA und …“, mit dem dankenswerter Weise der pad-Verlag das lyrische Werk von Rajani Kanth auch im deutschsprachigen Raum bekannt und verfügbar macht und der auch durch seine ungewöhnliche grafische Gestaltung besticht, prangert mit wuchtiger Sprache den Genozid in Gaza an. Er steht damit in der Nachfolge der politischen Dichtung eines Erich Fried und dessen Verurteilung des Vietnamkriegs.

Mit einem Vorwort von Rudolph Bauer und einem Nachwort von Wolfram Esser. Rudolph Bauer zeichnet auch für die Nachdichtung und Bildmontage verantwortlich.

Der Autor und Lyriker Professor Rajani Kanth wurde in Indien geboren und besitzt die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Er ist nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, Philosoph und Gesellschaftstheoretiker, sondern auch ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Frieden.  So gründete er 2007 den Weltfriedenskongress mit dem Ziel, Krieg als Mittel der Politik zu ächten.

Gewidmet ist der Gedichtband dem palästinensischen Lyriker Rif’at al-Ar’ir, der am 6. Dezember 2023 durch einen gezielten Luftangriff der israelischen Armee zusammen mit seinem Bruder und dessen Sohn sowie seiner Schwester und deren drei Kindern ermordet wurde. Der 44-jährige al-Ar’ir galt als die „Stimme von Gaza“. Noch am 9. Oktober hatte er in einem Interview bemerkt, dass das Gefährlichste, was er besitze, ein Textmarker sei. Den könne er auf israelische Soldaten werfen. Kurz darauf warfen sie auf ihn Raketen.

Die Gedichte

Das erste Gedicht des Bandes mit dem Titel „Das Biest“ bezeichnet der Lyriker als

Ode für eine Palästinenserin, die gezwungen ist,
ihr totes Kind in den Trümmern von Gaza zurück zu lassen

[…]

jetzt aber
lass mich gehen
es muss sein
du mein totes kind
in meinen armen
wenn
dann das morgen kommt
kommt
auch die sicherheit wieder
der schutz vor teuflischen schrecken

[…]

Denn dies
ist die stunde der biester
um ihren
furchtbaren willen
auszutoben

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Das belanglose Töten von Frauen. „Die Nebensache“ von Adania Shibli

Rezension. Schon der Titel des Romans „Die Nebensache“ der palästinensischen Autorin Adania Shibli beschreibt, als was das Leiden und Sterben von Zivilisten in militärischen Konflikten betrachtet wird: als nebensächlich.
Adania Shibli sollte auf der Frankfurter Buchmesse 2023 der
LiBeraturpreis verliehen werden. Dies wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das Buch von Adania Shibli besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beschreibt die Sinneseindrücke eines israelischen Hauptfeldwebels, der, gequält von einem Insektenbiss, nach Kriegsende 1949 in der Hitze der Negev-Wüste mit seinen Soldaten Patrouillenfahrten durchführt. Sie töten eine Gruppe Beduinen mitsamt ihren Kamelen, nehmen eine junge Frau gefangen, vergewaltigen und töten sie. Die völlige Emotionslosigkeit bei der Schilderung der Ereignisse ist verstörend.

Der zweite Teil des Buches beschreibt in Ich-Form die Spurensuche einer jungen, im heutigen Ramallah ansässigen Palästinenserin nach jener Frau, die 1949 ein so schweres Leid ertragen musste. Sie soll keine „Nebensache“ mehr sein, sondern als Mensch sichtbar werden. Da der Todestag der Frau im August 1949 ein Vierteljahrhundert später der Geburtstag der Erzählerin war, sieht sich diese mit der Toten schicksalhaft verbunden. Es beginnt die Suche in israelischen Archiven.

Unaufgeregt und karg, deshalb umso eindringlicher, erzählt der Roman von der klaustrophobischen Situation in einem besetzten Westjordanland. So werden ganz selbstverständlich Fenster geöffnet, als das israelische Militär die Sprengung eines Nebenhauses ankündigt. Die Detonation würde sonst die Scheiben bersten lassen. Auch die im Nachbarhaus getöteten Jugendlichen sind dabei nur eine Nebensache.

Die Erzählerin stößt ständig an Grenzen, die zu überschreiten sind. Nur mit Hilfe eines geliehenen Ausweises, der die richtige Farbe, Blau, trägt, ist es ihr möglich, sich von Ramallah mit einem Leihwagen in Richtung Nirim auf den Weg zu machen. Nirim, der Ort, an dem im August 1949 eine junge Frau Opfer des Krieges wurde, nicht mehr als ein „nebensächliches Detail“.

Nirim war eine von elf Siedlungen, die im Süden, in der Wüste Negev, nahe Rafah an der Grenze zu Ägypten, von jüdischen Siedlern gegründet wurde. Auf dem Weg dorthin, durch die Zonen A, B und C, in die das Palästinensergebiet von Israel aufgeteilt ist, wird die junge Frau bei jeder der zahlreichen Straßensperren und Check-Points von Anspannung und Angst gepackt, gegen die sie ankämpfen muss. Landkarten geben Orientierungshilfe, eine israelische mit dem aktuellen Straßenverlauf, aber auch eine von Palästina vor 1948, in der noch die vielen palästinensischen Dörfer eingezeichnet sind, die inzwischen ausgelöscht und deren Bewohner vertrieben wurden. Beklemmend.

Die Spurensuche verläuft für die Erzählerin frustrierend und der alten „Nebensache“ wird nur eine neue „Nebensache“ hinzugefügt – der allerdings durch die Stimme von Adania Shibli nun eine Innenansicht gegeben wird.

Nebensachen, Grenzen, Panik, Hundegebell, Detonationen, Schüsse und ein Kaugummi – alles, aber kein Leben in „normalen“ Zeiten.

Aktueller könnte das beklemmende Buch von Adania Shibli in einer Kriegszeit, in der sich die „Nebensache“, das Leid von Frauen, Kindern, Zivilisten, ins Unermessliche steigert, nicht sein.

Die Autorin Adania Shibli sollte auf der Frankfurter Buchmesse 2023 den LiBeraturpreis erhalten. Die Preisverleihung wurde verschoben. Die Bühne blieb leer. Das Leid der Zivilbevölkerung – eine Nebensache.

Adania Shibli wurde 1974 in Palästina geboren und lebt in Palästina und Deutschland. Sie ist in akademischer Forschung und Lehre tätig. „Eine Nebensache“ ist ihre erste Buchveröffentlichung.

Adania Shibli, „Eine Nebensache“, Roman, Verlag Berenberg, 117 Seiten

 

https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-palaestinensische-autorin-shibli-buchmesse-verschiebt-preisverleihung-dlf-kultur-faff5d97-100.html

 

Wohin führt uns Künstliche Intelligenz? – Ein Science-Fiction-Roman des Jahres 1907 auf Antwortsuche

Rezension. Bereits 1907 erschien der erste Science-Fiction-Roman über Künstliche Intelligenz, die phantastische Satire „Seine Exzellenz der Android“ von Leo Gilbert. Darin führt der gesellschaftliche Aufstieg eines Androiden die Welt ins Verderben. Sein Schöpfer muss ihn stoppen.

Der Roman „Seine Exzellenz der Android“, den der Ingenieur und Wissenschaftsjournalist Leo Silberstein 1907 unter dem Pseudonym Leo Gilbert veröffentlichte, wurde vom Autor als „phantastisch-satirisch“ bezeichnet. Das überraschend witzig und amüsant geschriebene Buch, das man heute mit dem Begriff Sience Fiction belegen würde, nimmt ein Thema voraus, das aktueller ist denn je: Der Mensch als Erfinder einer Apparatur, die ihm außer Kontrolle gerät, die aber so perfekt konstruiert ist, dass sie von anderen Menschen nicht als Maschine erkannt werden kann, nicht mehr zu steuern und zu stoppen ist, eine unglaubliche gesellschaftliche Karriere zum erfolgreichen Industriellen hinlegt und zu guter Letzt vom Kaiser zum Minister ernannt wird.

Der Held des Romans, der Physiker und Ingenieur Frithjof Andersen, erleidet durch das erwachte Eigenleben seines Androiden nicht nur einen wirtschaftlichen und sozialen Abstieg und ist beängstigt durch die von seinem Android-Minister ausgelöste Kriegsgefahr, sondern er muss auch noch Liebeswirren erdulden, als ihm der von ihm geschaffene Android seine Liebste ausspannt.

Als bei einem Aufenthalt im damals österreichischen Südtirol der Konstrukteur auf das in der Sommerfrische Erholung suchende Bürgertum trifft, gelingen dem Autor Leo Gilbert launig-witzige Charakterstudien, ein illustres Gesellschaftsporträt der damaligen Zeit, in der die Welt dabei ist, in den Ersten Weltkrieg zu taumeln.

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Symbole, Zeichnungen, System und Schrift – Ein Ausflug in die prähistorische Welt

Die Autorin Silvia Ferrara lehrt Ägäische Kulturen an der Universität Bologna und leitet das Projekt INSCRIBE, das sich mit frühen Phasen der Entstehung der Schrift befasst. Im Rahmen dieses Projekts entstand ihr Buch „Der Sprung. Eine Reise zu den Anfängen des Denkens in der Steinzeit“.  Darin nimmt sie den Leser mittels ihres italienisch-leichten und eleganten Schreibstils mit auf eine spannende Reise in die Welt der prähistorischen Funde, Zeichen und Symbole, die in Höhlen, Felsspalten und auch in Wüsten, in denen sich vor 12.000 Jahren noch sattes Grün mit Flüssen und Seen erstreckte, führt.

Silvia Ferrara legt den Schwerpunkt ihrer Betrachtungen in das durch die schöpferischen Akte ausgedrückte Kommunikationsgeschehen und durchschreitet dabei die Zeitstufen vom Paläolithikum (Altsteinzeit/etwa von vor 2,5 Millionen Jahren bis vor 12.000 Jahren) über das Neolithikum (Neusteinzeit/etwa vor 11.500 Jahren bis vor 5.500 Jahren) bis zur Bronzezeit (je nach geographischer Lage: in Mitteleuropa etwa vor 5.500 bis 2.800 Jahren). Die Autorin folgt in ihrem Buch jedoch weder der chronologischen Abfolge noch einer geographischen Ordnung, sondern sie springt von französischen Kalksteinhöhlen und den dort entdeckten Felszeichnungen in die saharische Wüste – von Felsgravuren im Niger führt der Weg nach Ägypten in die „Höhle der Schwimmer“, bekannt aus dem Film „Der englische Patient“. In der Schwarzen Wüste Jordaniens bestaunt man neben Flugdrachen aus neolithischer Zeit auch riesige, nur von oben aus großer Entfernung auszumachende, exakt in den Boden gearbeitete Speichenräder, die 8.500 Jahre alt sind. Und über prähistorische Fundorte in Asien, Amerika und Australien finden wir uns zuletzt in prähistorischen Stätten Europas wieder.

Abstraktion und Information: Zeichen und Bilder

Die Menschheit hat laut Ferrara in vorgeschichtlichen Zeiten eine Idee, das Bild, die Abstraktion von etwas seh- und damit erfahrbar gemacht. Mit diesem Anfang der Vermittlung von Information, die in Zeichen und Bildern noch dem heutigen Menschen Erkenntnis über die Welt in prähistorischen Zeiten ermöglicht – beispielsweise über das Aussehen ausgestorbener Urrinder oder Pferdearten – habe die Menschheit zum großen Sprung, sich schriftlich auszudrücken, angesetzt. Ferrara schreibt: „Unser roter Faden sind die spärlichen Reste, die Handabdrücke, die Tierzeichnungen, die Graffiti auf Fels, die Kreise, Linien, Punkte und die Gestalten von Männern, Frauen, Kindern und Tieren sowie die Abbildungen der Mischwesen aus allem, hineinkatapultiert in die physische Welt durch die Kraft einer Idee, durch das Trampolin der Fantasie“. All dies drücke aus: „Ich bin hier“.

Nur zu gerne lässt man sich von Silvia Ferrara in die Welt der prähistorischen Bilder und Zeichen entführen, zunächst in die in Frankreich entdeckten Höhlen wie jene von Lascaux mit Zeichnungen und Symbolen, die in der Zeit zwischen 36.000 und 19.000 v.Chr. entstanden zu sein scheinen. Liebevoll werden Details beschrieben und anhand von Fototafeln vorgestellt, die der ungeübte Betrachter kaum selbst entdeckt hätte, wobei sich die Faszination unmittelbar auf den Leser überträgt. So finden sich in den französischen Höhlen Versuche, bei der Abbildung von Nashörnern und Löwen durch Übermalen und Mehrfachzeichnen bewegte Bilder entstehen zu lassen, die zusätzliche „Perspektive, Flucht und räumliche Tiefe“ durch das Lichtspiel lodernder Fackeln erhalten haben.

Weiter geht es zu amerikanischen Gewässern, auch solchen, die schon längst ausgetrocknet sind, wie der Winnemucca Lake im US-Bundesstaat Nevada. Dort finden sich die ältesten Felszeichnungen Nordamerikas, die mindestens 10.500 Jahre alt sind, was wohl bedeutet, dass die Menschen der indigenen Bevölkerung Amerikas bereits mit „mit abstrakten Formen experimentierten, mit Geometrien, und zwar im großen Stil“. Der Homo sapiens soll in Amerika erst vor etwa 35.000 Jahren eingetroffen sein – oder vielleicht doch schon vor 40.000 Jahren über die Beringstraße? Ferrara folgert: „In unserer kulturellen Entwicklung gibt es keinen Determinismus und keine lineare Progression. Es gibt keine höhere oder niederere Kultur, keine Vorhut und keine Nachzügler. Es gibt nur verschiedene Kontexte, Präferenzen, Traditionen und Symbole, die ihre besondere Bedeutung haben und in der Entwicklung ihrer eigenen Bahn folgen, von äußeren Bedingungen begünstigt oder auch nicht.“

Malereien, Gravuren und Bauwerke

Zurück in Europa wird Ferrara insbesondere im italienischen Apulien und dessen Kalksteinhöhlen fündig, wo in einer einzigen Höhle über 3.000 neolithische Zeichen zu bestaunen sind, abstrakte Zeichen und Jagdszenen, gezeichnet mit Fledermausguano. Und natürlich dürfen auch hier Handabdrücke nicht fehlen, wie wir sie schon aus den französischen Höhlen kennen. Wie spannend ist es, in den unterschiedlichen Weltregionen und aus verschiedenen Zeiten, immer wieder die Abdrücke von Händen, Fingern und Füßen zu finden, ausgeführt mit Ockerpigmenten oder anderen Techniken, und daraus vorsichtig zu schlussfolgern, es könnte sich um eine Frühform des Ausdrucks von Zahlen handeln, um „die tatsächlichen Anfänge, die Versuche und Irrtümer, das große Labor zur Schöpfung schriftlicher Texte“.

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Mit Bildmontagen und Textzitaten gegen die herrschende Kriegspolitik

Der kleine pad-Verlag hat in seiner Reihe „Edition Kunst“ zwei neue Hefte veröffentlicht, beide gestaltet von Rudolph Bauer. Pad-Edition Kunst #4 ist betitelt „Todessüchtig. Schlafwandler, Flintenweiber und andere Zivilversager“, pad-Edition Kunst #5 mit „Olivgrün und scholzvergesslich. Der unaufhaltsame Abstieg der Waffenbrüder“.

Beide Hefte sind ein Protest und eine Abrechnung mit der Kriegstrunkenheit und den „Zivilversagern“ der momentanen Regierung unter dem Diktat der Grünen Partei, die sich gegen die Interessen der breiten Bevölkerung und künftiger Generationen richten.

Auf jeder der jeweils knapp 80 Seiten umfassenden Broschüre gestaltet Rudolph Bauer zu einem Textzitat die passende Bildmontage und präsentiert dazu ausgewählte Hashtags; jede Seite ein schmerzender Stich mitten ins politische Empfinden. In seinen Bildmontagen verbindet Bauer das, was zusammengehört, entblößt Politik und Politiker in ihrem wahren Kontext. So illustriert er das Habeck-Zitat „Herzlich willkommen im Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz und Unterstützung für die Ukraine“, so gesprochen am 13.05.2022 zum ukrainischen Außenminister, mit einer geöffneten Zigarettenschachtel, deren Inhalt aus Maschinenpistolen besteht und die mit dem Aufdruck versehen ist: „Rüstungsexporte können tödlich sein“. Die Marke heißt „Bundesrepublik Deutschland“ und vertrieben wird sie von Robert Habeck. Die dazugehörigen Hashtags lauten: #rüstungsexportekönnentödlichsein und #rüstungsexportestoppen

Auf den Heftseiten verschieben und überlagern sich Zeitebenen, Zitate aus dem aktuellen politischen Geschehen werden zeitlos warnende und prophetische Zitate von Bertolt Brecht, Klaus Mann, Carl von Ossietzky, Victor Klemperer, Kurt Tucholsky gegenübergestellt. So schrieb Robert Musil: „Die Politik gar, wie sie heute verstanden wird, ist die reinste Gegnerschaft gegen den Idealismus, fast Perversion. Der mit den Menschen à la baisse spekulierende Mensch, der sich Realpolitiker nennt, hält für real nur die Niedrigkeit des Menschen, das heißt, nur sie betrachtet er als verlässlich; er baut nicht auf Überzeugung, sondern stets nur auf Zwang und List. Was davon sich aber während des Krieges und nachher in der scheußlichen Fratze gezeigt hat, ist im Grunde kein anderer Geist als der, in welchem auch Ministerien eines und desselben Staats untereinander verkehren, sobald sie in einer Frage nicht die gleichen Interessen haben, und der, in welchem der smarte Kaufmann stets mit seinesgleichen umgeht.“ Zu den Sätzen von Klaus Mann „Die Horizonte unseres Daseins sind verfinstert. Die drohend geballten Wolken künden schon lange das Gewitter an. Es könnte ein Gewitter ohnegleichen werden.“ zeigt die Collage einen Selenskyj in schusssicherer Weste, dem ein Klaus Schwab zufrieden auf die Schulter klopft. Hashtag: #davos2023 : #wolodymyrselenskyj bei #klausschwab & dem #wef

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Die Verblendung des Westens am Beispiel Afghanistans – eine Allegorie

Am 15. August 2021 zogen die siegreichen Taliban nach zwanzig Jahren Krieg kampflos im Präsidentenpalast in Kabul ein. Wie Michael Lüders in seinem neuen Buch „Hybris am Hindukusch – Wie der Westen in Afghanistan scheiterte“ ausführt, war die westliche Niederlage bereits seit 2015 vorgezeichnet.

Zunächst gibt Michael Lüders einen historischen Abriss über das Land mit seinen Stammesgesellschaften, die sich zunächst in einem Königreich organisierten. Es zeigt auf, wie das Britische Empire in Afghanistan ebenso an den geografischen wie gesellschaftlichen Gegebenheiten scheiterte wie später die UdSSR, wie der hochverehrte und untadeliger Moralität verpflichtete Stammesführer Mullah Mohammed Omar 1996 einen ersten Sieg der Taliban erringen konnte, welche Rolle Pakistan in Afghanistan spielt, warum die Taliban Osama bin Laden nicht an die USA auslieferten, wie nach 9/11 der US-amerikanische „Krieg gegen den Terror“ mit insgesamt fast einer Millionen Toten ohne Zustimmung der UNO begann und wie die Mischung aus politischen Fehleinschätzungen und Hybris der Großmacht USA nur im Fiasko enden konnte, zurückzuführen auf das völlige Unverständnis für die ländlichen, religiös-traditionellen Strukturen mit archaischen Moralvorstellungen der Taliban, die sich seit Jahrhunderten kaum veränderten und sich heute auf den Koran und die Scharia berufen.

Warlords, Opiumanbau, Massaker, terroristische Anschläge, Foltergefängnisse, Kriegsverbrechen, Wahlfälschungen zur Installierung eines dem Westen gefälligen, wenn auch „bis auf die Knochen korrupten“ Regimes, kriminelle Machenschaften der Kabul-Bank – über all dies wurde nicht nur hinweggesehen, sondern die USA waren in der Regel aktiv an allem beteiligt, während für das Publikum zuhause hohle Moralphrasen gedroschen und die Situation schöngeredet wurde. Lüders schreibt: „Die Hingabe, mit der die Präsidentschaftswahlen in Afghanistan so lange gefälscht wurden, bis das Ergebnis den maßgeblichen Entscheidern im Westen gefiel. Die Hofierung von Drogenbaronen und Warlords der übelsten Sorte – enge Partner auch Berlins. […] Die gewaltige Kluft zwischen der moralischen Selbsterhöhung westlicher Akteure und der Realität ihrer Kriegsführung in Afghanistan, die Zehntausende Zivilisten das Leben gekostet hat – mit Wissen und Billigung der maßgeblichen Dienststellen. […] Dieser Krieg war in erster Linie ein Verbrechen an der afghanischen Zivilbevölkerung.“ Insbesondere in Anbetracht der flächendeckenden Bombardements, die die Bevölkerung erleiden musste, Hauptleidtragende Frauen und Kinder. Zusätzlich wurden allein zwischen 2015 und 2020 13.000 Drohnenangriffe geflogen.

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Gruseln in Ebersberg (Oberbayern)

In der neuen Mystery-Serie „Ebersberg“ lässt einem die nächtliche Autofahrt der Protagonisten zu einer kleinen Kapelle am Waldesrand das Blut in den Adern gefrieren und die Haare zu Berge stehen.

Am 05. Februar, zur besten Geisterstunde um 0:50 Uhr, brachte der Bayerische Rundfunk die aus zwei Staffeln von je vier Folgen mit einer Länge von 11 bis 23 Minuten bestehende Miniserie „Ebersberg“. Ort der Handlung ist die beschaulich-fade, östlich von München gelegene Kleinstadt Ebersberg und ihr Forst, die dem Gruselschocker mit seinen überraschenden Wendungen ihren Namen gibt.

Es beginnt wie immer alles ganz harmlos. Der auf Parasinnliches spezialisierte Videofilmer Andreas macht sich mit seinem Freund und Ersatzkameramann Max (Christoph Stoiber) auf die Suche nach der Weißen Frau, die auf einer Landstraße bei Ebersberg ihr Unwesen treibt und immer wieder Autofahrer gegen Bäume krachen lassen soll.

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