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Bunter Totalitarismus – Begriffe und Begriffsverdrehungen von „O“ bis „S“

Kritisches Wörterbuch des bunten TotalitarismusNach Heft 1 (A bis H) und Heft 2 (I bis N) liegt jetzt von Rudolph Bauer auch Heft 3 von „Kritisches Wörterbuch des Bunten Totalitarismus“ vor, das Begriffe von „O“ wie „Obrigkeitsstaat“ bis „S“ wie „Szientismus“ auflistet. Auch das dritte Heft der Reihe bietet weit über Schlagworte hinausreichende Definitionen und Argumentationshilfen bei gesellschaftlich umstrittenen Themen.

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 „Cool down!“ – hilft gegen Neurotizismus

Rezension. Das Buch von Bernhard Hommel „Wir triggern uns zu Tode – Psychogramm einer neurotischen Gesellschaft“ macht es sich zur Aufgabe, allgemeinverständlich die psychologischen Mechanismen herauszuarbeiten, die zu einer Überforderung bei der Verarbeitung von emotionalen Triggern führen. Es zeigt auch auf, wie man dieser Überforderung entgegentreten und sich vor ihr schützen kann

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Bunter Totalitarismus – Begriffe und Begriffsverdrehungen von „I“ bis „N“

Bunter Totalitarismus - Teil 2Jetzt ist es endlich da: „Kritisches Wörterbuch des Bunten Totalitarismus – Heft 2“. Diesmal nimmt Rudolph Bauer Begriffe von „I“ wie Idealverein bis „N“ wie Null-Emissionen unter die Lupe, wobei die Broschüre weit über Schlagworte hinausreichende Definitionen und echte Argumentationshilfen bei gesellschaftlich umstrittenen Themen bietet.

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Generation Z: vernachlässigt in der smartphonebasierten Welt – überbehütet in der realen Welt

Generation Angst von Jonathan HaidtIn dem Buch „Generation Angst – Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen“ von Jonathan Haidt geht es um die schädlichen Auswirkungen von Smartphones und sozialen Medien auf die psychische Gesundheit der sogenannte Generation Z, das heißt, um jene jungen Menschen, die nach 1995 geboren wurden und die sich nach Meinung von Haidt durch den übermäßigen Aufenthalt in der virtuellen Welt ebenso wie aufgrund von Überbehütung zu einer ängstlichen Generation entwickelt haben.
Beide Trends zusammen – Überbehütung in der wirklichen Welt und Unterbehütung in der virtuellen Welt – führten dazu, dass aus der Generation Z die „Generation Angst“ wurde.

Jonathan Haidts Sachbuch ist in klarer, gut verständlicher Sprache verfasst, hirnphysiologische Erkenntnisse, wissenschaftliche Untersuchungen und daraus hergeleitete Diagramme sind leicht fassbar dargestellt. Die in dem Buch vorgenommene sozialpsychologisch-wissenschaftliche Einordnung dessen, was viele schon lange hinsichtlich des exzessiven Gebrauchs von Smartphones ahnten, macht die Stärke dieses Buches aus. Allerdings bezieht sich Haidt hauptsächlich auf us-amerikanische Mittelschichtfamilien; eine Eins-zu-eins-Übertragung auf die Verfasstheit der deutschen Gesellschaft erscheint daher nicht angezeigt.

Haidt vertritt die These, dass durch den Gebrauch von Smartphones die Jugendlichen dazu verführt werden, viele Stunden online zu verbringen und deshalb nur noch wenig Zeit für körperlich-soziale Verhaltensweisen im echten Leben bleibt. Damit käme es im Gehirn von Kindern und Jugendlichen zu einer schädliche Neuverdrahtung. Der Übergang von einer „spielbasierten Kindheit“ auf eine „smartphonebasierte Kindheit“ habe in den späten 1980er Jahren begonnen. Dazu käme eine katastrophale Überbehütung der Kinder in der realen Welt, die auch in Überwachung umschlagen kann, wodurch die Autonomie in der wirklichen Welt massiv eingeschränkt werde.

Eine Flutwelle

Im ersten Teil belegt Haidt, wie sich die psychische Gesundheit von Teenagern im 21. Jahrhundert verschlechtert hat. Es sei zu einer Zunahme vor allem von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen gekommen, wovon insbesondere Mädchen betroffen sind. Die Einführung des Smartphones ab 2007 und die rasche Zunahme von Social-Media-Kanälen ab 2012 sind als wichtigste Wegmarken zu benennen, da von nun an das Internet und damit die sozialen Medien rund um die Uhr verfügbar waren. Zu dieser Zeit begannen laut internationalen Erhebungen die Teenager vermehrt unter Depressionen zu leiden; je intensiver die Nutzung, umso stärker das Leiden. Besonders betroffen waren Mädchen, doch zeige sich diese Entwicklung über sämtliche Bevölkerungsgruppen. Haidt belegt dies differenziert anhand vieler empirischer Studien und Grafiken. Die Möglichkeit, fast ständig online zu sein, habe „eine historische und beispiellose Transformation der menschlichen Kindheit“ zur Folge gehabt. Inzwischen sei eine Generation herangewachsen, die ihre gesamte Pubertät hauptsächlich in der virtuellen Welt verbrachte.

Der Niedergang der spielbasierten Kindheit

Im zweiten Teil beschäftigt sich Haidt mit der wachsenden elterlichen Ängstlichkeit und Überbehütung. Die Adoleszenz als eine Art „kultureller Lehrzeit, bevor man als Erwachsener angesehen und behandelt wird“, habe ausgedient, stattdessen würden Kinder in eine virtuelle Welt gelockt. Es fehle an freiem Spiel, an körperlichem Spiel, an einem gewissen Maß an körperlichem Risiko. Denn: „Erfahrungen, und nicht Information, sind der Schlüssel zur emotionalen Entwicklung.“ Smartphones dienten dabei bedauerlicherweise als „Erfahrungsblocker“. Es sei eine große „Neuverdrahtung“ der Kindheit zwischen 2010 und 2015 aus der wirklichen in die virtuelle Welt erfolgt, da es an physischer Interaktion als tiefer Teil der menschlichen Evolution fehle, und dies führe zu einem Gefühl der Einsamkeit. Es gebe eine sensible Phase zwischen neun und fünfzehn Jahren für kulturelles Lernen, dessen Zeitfenster sich dann schließt. Gerade die Pubertät sei damit die sensibelste Phase für den schädigenden Einfluss von sozialen Medien.

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Patrice Lumumba und der afrikanische Freiheitskampf

Gerd Schumann: "Patrice Lumumba"Ausgehend von der brutalen und grausamen Schreckensherrschaft Leopold II. im Kongo, in die Patrice Lumumba hineingeboren wurde, schildert Gerd Schumann in seinem gerade erschienenen Bändchen „Patrice Lumumba“ den politischen Werdegang Lumumbas und seinen Freiheitskampf gegen Kolonialismus und für einen souveränen und geeinten Kongo.

Lumumba war der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident des Kongo. Seine offizielle Amtszeit dauerte von Juni bis Oktober 1960, also keine vier Monate. Die Ermordung Lumumbas hatten die Regierungen Belgiens und der USA angeordnet, ausgeführt wurde sie von der CIA mithilfe lokaler Kräfte. Eine Blutspur durchzieht seither den Kongo bis in die Gegenwart. Lumumba trotzte den kolonialen Kräften und musste dies mit seinem Leben bezahlen. Diese große Persönlichkeit der Weltgeschichte holt Gerd Schumann zurück in das „Geschichtsgedächtnis des Nordens“. Und so endet denn die Einleitung seines Buches mit den Worten: „Lumumba – presente!

Der Kongo unter der Knute des belgischen Königs Leopold I.

Die belgische Kolonialzeit im Kongo war eine Zeit unsäglichen Leids und Schreckens für die kongolesische Bevölkerung. Nachdem sich der belgische König Leopold II. den Kongo privat angeeignet und zu einer „Ein-Mann-Kolonie“ gemacht hatte (1885 bis 1908 „Freistaat“ Kongo), wurde diese 1908 zur Kolonie Belgisch-Kongo, die bis 1960 Bestand hatte.

Bei der Berliner Konferenz 1884 wurde über die Aufteilung Afrikas zwischen den Kolonialmächten – selbstverständlich unter Ausschuss der Betroffenen – verhandelt und im Februar 1885 die „Kongo-Akte“ verabschiedet, nach der der Kongo als Kolonie Leopold II. anerkannt wurde. Die Herrschaft über zwanzig Millionen Afrikaner wurde an etwa 3.000 Weiße übertragen. Der Kongo gehörte dem „nunmehr größten Landbesitzer der Welt“, der „ein System der blanken Ausbeutung und faktischen Leibeigenschaft“ errichtete. Exportiert wurden Elfenbein und später vor allem das für die inzwischen auf Hochtouren laufende Reifenproduktion so wichtige Kautschuk, das die kongolesischen Arbeitskräfte heranschaffen mussten. Schätzungen gehen davon aus, dass die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zehn Millionen Menschen das Leben kosteten, manche Schätzungen liegen noch höher. Ganze Dörfer, die das Soll nicht erfüllen konnten, wurden massakriert. Eine Spezialität stellte das Abhacken von Händen dar, bei Toten und Lebenden. Die Einwohnerzahl des Kongos halbierte sich von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg von geschätzt 29 Millionen auf nur noch um die zehn Millionen. Am Kongo-Fluss, im „Herzen der Finsternis“, (1) hatte einer der grausamsten Genozide der Weltgeschichte stattgefunden.

Als Leopold II. im Dezember 1909 starb, ging sein Privatbesitz „Kongo“ in die Verwaltung der parlamentarischen Erbmonarchie Belgien über. Die „autoritäre und brutale Ausplünderung nach rassistischen Regularien“ wurde fortgesetzt.

Das Leben des Patrice Lumumba

Lumumba wurde 1925 geboren. Einem bäuerlichen Elternhaus entstammend wurde er zunächst von katholischen, dann von evangelischen Missionsschulen geprägt. Sein Interesse galt der Aufklärung und den Schriften von Rousseau und Voltaire. Lumumba arbeitete etliche Jahre als Postbeamter und war dreimal verheiratet. Der auch rhetorisch hochbegabte und gebildete Lumumba trat 1956 der Liberalen Partei Belgiens bei und analysierte in seinem Buch „Le Congo. Terre d’Avenir. Est-il Menacé?“ (2) das belgische Unterdrückungssystem und die gesellschaftspolitische Lage in der Kolonie. Zu dieser Zeit sah sich Lumumba noch als reformerischer „Mittler zwischen der Regierung von Belgisch-Kongo und den Massen“. Im gleichen Jahr wurde er wegen angeblicher Unterschlagung zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt.

Lumumba schloss sich einer heterogenen Unabhängigkeitsbewegung an, wo er Joseph Kasavubu, Joseph-Désiré Mobutu und Moise Tschombé zu seinen Freunden zählte, die später zu Handlangern des Kolonialismus mutierten. Kasavubu sollte ihn als Ministerpräsidenten absetzen, Mobutu ließ ihn einsperren und Tschombé ließ ihn auf Geheiß von USA und Belgien grausam ermorden.

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Sind Demokratie und Kapitalismus vereinbar?

Rezension. Diese Frage beantwortet Rainer Mausfeld in seinem Standartwerk über Demokratie mit einem eindeutigen Nein. Mausfelds neues Buch „Hybris und Nemesis. Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt – Einsichten aus 5000 Jahren“ ist unverzichtbare Lektüre für alle, die sich darüber Gedanken machen, was bei unserer gegenwärtigen Art von Demokratie falsch läuft und wie echte Demokratie aussehen könnte. Echte Demokratie, die verhindert, dass die Schwachen mittels Elitenherrschaft zum Opfer der Starken werden.

Eliteneinhegung: Von den Jägern und Sammlern über das alte Ägypten und China ins antike Athen und zu Machiavelli

Das klar gegliederte und kompakte Buch zu den Themen Gesellschaft, Eliten und Macht gibt einen Überblick, wie sich der Versuch, die parasitäre Elitenmacht zum Wohle der Gesellschaft einzuhegen, durch die gesamte Zivilisationsgeschichte zieht. Mausfeld schlägt dazu den Bogen von den Jäger- und Sammlergesellschaften über die frühesten Zivilisationen in Mesopotamien bis nach Ägypten und das alte China. Dabei führt er aus, wie Gesellschaften jeweils bestrebt waren, Instrumente zur Kontrolle beziehungsweise zur Verhinderung von Elitenherrschaft zu entwickeln.

Ein eigenes Kapitel widmet Mausfeld dem antiken Athen, der ‚Wiege der Demokratie‘, wo die Reformen eines Solon und eines Kleisthenes das Fundament für die Athenische Demokratie legten. Besondere Beachtung findet dabei der weniger bekannte Hellene Ephialtes mit seinen Vorstellungen von Demokratie, die nach Mausfelds Meinung einer echten Demokratie am nächsten kamen.

Auch die „machiavellische Demokratie“ ist Mausfeld ein eigenes Kapitel wert. Denn in seinen Discorsi benannte Machiavelli den unüberbrückbaren Gegensatz von Volk und Elite und beschrieb klar die gesellschaftlichen Zerstörungskräfte von Eliten.

Neuzeit: Kapitalismus und repräsentative Demokratie als Elitenherrschaft

Mausfeld zeigt auf, dass unsere repräsentative Demokratie durch das Mehrhabenwollen der Eliten, durch deren Macht- und Besitzgier, weit davon entfernt ist, eine echte Demokratie zu sein, sondern stattdessen den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht. Laut Mausfeld schließen sich echte Demokratie und Kapitalismus aus, aber nur einer echten Demokratie wäre es möglich, den Machtanspruch von Eliten einzuhegen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass Mausfeld Kapitalismus nicht im Sinne von kapitalistischen Wirtschaftsformen betrachtet, sondern dass für ihn Kapitalismus die Herrschaft des Kapitals bedeutet, also Kapitalismus die Gesellschaftsordnung darstellt, in welcher der gesamte gesellschaftliche Reichtum als Ware behandelt wird.

In der Neuzeit erfolgte laut Mausfeld die Zerstörung einer zivilisatorischen Leitidee, in Szene gesetzt durch den „wohl größten Wortbetrug der Geschichte“.

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Politische Gedichte. Der Gaza-Krieg im Blick von Rajani Kanth

... und GAZA und ... Rajani KanthRezension. Der neue Gedichtband „… und GAZA und …“, mit dem dankenswerter Weise der pad-Verlag das lyrische Werk von Rajani Kanth auch im deutschsprachigen Raum bekannt und verfügbar macht und der auch durch seine ungewöhnliche grafische Gestaltung besticht, prangert mit wuchtiger Sprache den Genozid in Gaza an. Er steht damit in der Nachfolge der politischen Dichtung eines Erich Fried und dessen Verurteilung des Vietnamkriegs.

Mit einem Vorwort von Rudolph Bauer und einem Nachwort von Wolfram Esser. Rudolph Bauer zeichnet auch für die Nachdichtung und Bildmontage verantwortlich.

Der Autor und Lyriker Professor Rajani Kanth wurde in Indien geboren und besitzt die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Er ist nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, Philosoph und Gesellschaftstheoretiker, sondern auch ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Frieden.  So gründete er 2007 den Weltfriedenskongress mit dem Ziel, Krieg als Mittel der Politik zu ächten.

Gewidmet ist der Gedichtband dem palästinensischen Lyriker Rif’at al-Ar’ir, der am 6. Dezember 2023 durch einen gezielten Luftangriff der israelischen Armee zusammen mit seinem Bruder und dessen Sohn sowie seiner Schwester und deren drei Kindern ermordet wurde. Der 44-jährige al-Ar’ir galt als die „Stimme von Gaza“. Noch am 9. Oktober hatte er in einem Interview bemerkt, dass das Gefährlichste, was er besitze, ein Textmarker sei. Den könne er auf israelische Soldaten werfen. Kurz darauf warfen sie auf ihn Raketen.

Die Gedichte

Das erste Gedicht des Bandes mit dem Titel „Das Biest“ bezeichnet der Lyriker als

Ode für eine Palästinenserin, die gezwungen ist,
ihr totes Kind in den Trümmern von Gaza zurück zu lassen

[…]

jetzt aber
lass mich gehen
es muss sein
du mein totes kind
in meinen armen
wenn
dann das morgen kommt
kommt
auch die sicherheit wieder
der schutz vor teuflischen schrecken

[…]

Denn dies
ist die stunde der biester
um ihren
furchtbaren willen
auszutoben

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Das belanglose Töten von Frauen. „Die Nebensache“ von Adania Shibli

Rezension. Schon der Titel des Romans „Die Nebensache“ der palästinensischen Autorin Adania Shibli beschreibt, als was das Leiden und Sterben von Zivilisten in militärischen Konflikten betrachtet wird: als nebensächlich.
Adania Shibli sollte auf der Frankfurter Buchmesse 2023 der
LiBeraturpreis verliehen werden. Dies wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das Buch von Adania Shibli besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beschreibt die Sinneseindrücke eines israelischen Hauptfeldwebels, der, gequält von einem Insektenbiss, nach Kriegsende 1949 in der Hitze der Negev-Wüste mit seinen Soldaten Patrouillenfahrten durchführt. Sie töten eine Gruppe Beduinen mitsamt ihren Kamelen, nehmen eine junge Frau gefangen, vergewaltigen und töten sie. Die völlige Emotionslosigkeit bei der Schilderung der Ereignisse ist verstörend.

Der zweite Teil des Buches beschreibt in Ich-Form die Spurensuche einer jungen, im heutigen Ramallah ansässigen Palästinenserin nach jener Frau, die 1949 ein so schweres Leid ertragen musste. Sie soll keine „Nebensache“ mehr sein, sondern als Mensch sichtbar werden. Da der Todestag der Frau im August 1949 ein Vierteljahrhundert später der Geburtstag der Erzählerin war, sieht sich diese mit der Toten schicksalhaft verbunden. Es beginnt die Suche in israelischen Archiven.

Unaufgeregt und karg, deshalb umso eindringlicher, erzählt der Roman von der klaustrophobischen Situation in einem besetzten Westjordanland. So werden ganz selbstverständlich Fenster geöffnet, als das israelische Militär die Sprengung eines Nebenhauses ankündigt. Die Detonation würde sonst die Scheiben bersten lassen. Auch die im Nachbarhaus getöteten Jugendlichen sind dabei nur eine Nebensache.

Die Erzählerin stößt ständig an Grenzen, die zu überschreiten sind. Nur mit Hilfe eines geliehenen Ausweises, der die richtige Farbe, Blau, trägt, ist es ihr möglich, sich von Ramallah mit einem Leihwagen in Richtung Nirim auf den Weg zu machen. Nirim, der Ort, an dem im August 1949 eine junge Frau Opfer des Krieges wurde, nicht mehr als ein „nebensächliches Detail“.

Nirim war eine von elf Siedlungen, die im Süden, in der Wüste Negev, nahe Rafah an der Grenze zu Ägypten, von jüdischen Siedlern gegründet wurde. Auf dem Weg dorthin, durch die Zonen A, B und C, in die das Palästinensergebiet von Israel aufgeteilt ist, wird die junge Frau bei jeder der zahlreichen Straßensperren und Check-Points von Anspannung und Angst gepackt, gegen die sie ankämpfen muss. Landkarten geben Orientierungshilfe, eine israelische mit dem aktuellen Straßenverlauf, aber auch eine von Palästina vor 1948, in der noch die vielen palästinensischen Dörfer eingezeichnet sind, die inzwischen ausgelöscht und deren Bewohner vertrieben wurden. Beklemmend.

Die Spurensuche verläuft für die Erzählerin frustrierend und der alten „Nebensache“ wird nur eine neue „Nebensache“ hinzugefügt – der allerdings durch die Stimme von Adania Shibli nun eine Innenansicht gegeben wird.

Nebensachen, Grenzen, Panik, Hundegebell, Detonationen, Schüsse und ein Kaugummi – alles, aber kein Leben in „normalen“ Zeiten.

Aktueller könnte das beklemmende Buch von Adania Shibli in einer Kriegszeit, in der sich die „Nebensache“, das Leid von Frauen, Kindern, Zivilisten, ins Unermessliche steigert, nicht sein.

Die Autorin Adania Shibli sollte auf der Frankfurter Buchmesse 2023 den LiBeraturpreis erhalten. Die Preisverleihung wurde verschoben. Die Bühne blieb leer. Das Leid der Zivilbevölkerung – eine Nebensache.

Adania Shibli wurde 1974 in Palästina geboren und lebt in Palästina und Deutschland. Sie ist in akademischer Forschung und Lehre tätig. „Eine Nebensache“ ist ihre erste Buchveröffentlichung.

Adania Shibli, „Eine Nebensache“, Roman, Verlag Berenberg, 117 Seiten

 

https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-palaestinensische-autorin-shibli-buchmesse-verschiebt-preisverleihung-dlf-kultur-faff5d97-100.html

 

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