Am 16. Januar 2024 veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) einen Bericht über die seit acht Jahren andauernde, unrechtmäßige Einkerkerung von Hannibal al-Gaddafi im Libanon. Es forderte von den libanesischen Behörden die sofortige Freilassung des Sohnes von Libyens ehemaligem Staatschef Muammar al-Gaddafi.
Laut HRW sitzen im Libanon nahezu achtzig Prozent der Gefangenen in Untersuchungshaft, viele von ihnen jahrelang ohne Anklageerhebung. Einer davon ist Hannibal al-Gaddafi, der im Dezember 2015 aufgrund äußerst fragwürdiger Anschuldigungen inhaftiert wurde.
Wie die stellvertretende HRW-Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika, Hanan Salah, erklärt, gibt sich die libanesische Justiz mit dieser jahrelangen Untersuchungshaft der Lächerlichkeit preis. Salah: „Den libanesischen Behörden fehlt jede Rechtfertigung für eine noch länger andauernde Inhaftierung. Sie sollten die Anklage fallen und ihn freilassen.“
HRW hatte sich bereits im Juli 2023 mit einem Schreiben an den Generaldirektor der Libanesischen Streitkräfte für Innere Sicherheit, Generalmajor Imad Othman, und an den mit dem Fall betrauten Richter, Zaher Hamadeh, gewandt und um detaillierte Informationen über Hannibal Gaddafis Rechtsstatus und seinen Gesundheitszustand gebeten. Eine Antwort blieb bis heute aus.
Hungerstreik
Von Juni bis Oktober 2023 trat Hannibal al-Gaddafi in den Hungerstreik. Er protestierte damit gegen seine unrechtmäßige Inhaftierung, von der kein Ende abzusehen war, und gegen die schlechten Haftbedingungen. Der erhebliche Gewichtsverlust und sein besorgniserregender Gesundheitszustand führten zu wiederholten Krankenhausaufenthalten.
Seit dem Jahr 2019 befindet sich der gesamte Libanon in einer schweren Wirtschaftskrise, durch den sich auch die Haftbedingungen noch einmal beträchtlich verschlechtert haben. In den überfüllten Gefängnissen ist die medizinische Versorgung mehr als mangelhaft und die Ernährung schlecht.
Die Gefangennahme
Nach der Ermordung seines Vaters, Muammar al-Gaddafi, und dem Sturz der Dschamahirija-Regierung war Hannibal 2011 zunächst nach Algerien und Oman geflohen, später suchte er mit seiner Familie in Syrien politisches Asyl.
2015 wurde er unter dem Vorwand eines Interviews an einen Ort nahe der libanesischen Grenze gelockt, dort gefangen genommen und in den Libanon verschleppt. Die Entführer, die ihn auch folterten, forderten ein Lösegeld und Auskunft über den Verbleib des 1978 verschwundenen libanesischen Imams as-Sadr.