Vieles klärt sich erst im Rückblick oder Wer andern eine Grube gräbt

 2011: Die Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Resolution 1973

Zum Verständnis dafür, wie es Russland gelingen konnte, zu der starken Macht in Libyen zu werden, die es heute darstellt, ist ein Rückblick in das Jahr 2011 hilfreich.

Der UN-Sicherheitsrat stimmte am 17. März 2011 über die Resolution 1973 ab, die die Mitgliedsstaaten ermächtigte, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten und „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“, um die Zivilbevölkerung zu schützen.[1] Schon wenige Stunden nach Verabschiedung der UN-Resolution bombardierten Frankreich und Großbritannien massiv Bodenziele wie Kasernen und Militärkonvois. Das UN-Mandat wurde weit überdehnt und zu einem regime-change ausgeweitet.

Sowohl China als auch Russland hatten bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat kein Veto eingelegt, sondern sich der Stimme enthalten, so dass die verhängnisvolle Resolution 1973 angenommen wurde. Vielleicht hatte sich Russland darauf verlassen, dass die Resolution auch bei seiner Enthaltung keine Mehrheit bekommen würde, da mindestens zehn Länder dafür stimmen mussten. Doch das Zehnervotum wurde erreicht, da auch drei afrikanische Länder, Nigeria, Gabun und überraschender Weise Südafrika, mit Ja stimmten. Der damalige Präsident Südafrikas hieß Jacob Zuma. Enthalten hatten sich neben China und Russland auch Brasilien und Deutschland.

Es heißt, die UN-Resolution 1973 sei in der us-amerikanischen Administration höchst umstritten gewesen, doch habe sich die damalige Außenministerin Hillary Clinton mit ihrem strikten Anti-Gaddafi-Kurs und Wunsch nach regime-change durchgesetzt. Vielleicht wurde aber auch nur das alte Spielchen „good cop, bad cop“ zwischen Obama und Clinton gespielt.

Vielleicht gab es aber im Vorfeld auch Absprachen zwischen den USA und Russland, von denen sich das damals noch geschwächte Russland Vorteile versprach. Libyen war bis 2011 ein bedeutendes Mitglied der blockfreien Länder gewesen, stets auf seine Souveränität und Unabhängigkeit bedacht. Allerdings hatte Libyen einen Großteil seines Waffenarsenals aus der ehemaligen Sowjetunion bezogen und dementsprechend erfolgte auch die Ausbildung seiner Militärangehörigen durch Russland. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1991 war Russland militärisch wie wirtschaftlich so geschwächt, dass es weder seinen ehemaligen Verbündeten, noch den Blockfreien Schutz bieten konnte. Libyen wiederum verstärkte, trotz wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit China und Russland, die Hinwendung zu den USA, gerade im Bereich der Abwehr von al-Kaida und anderen radikal-islamistischen Gruppierungen.

Präsident Medwedew und die USA

Im Jahr 2011 hieß der russische Präsident nicht Wladimir Putin, sondern Dmitri Medwedew. Medwedew pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu den USA, insbesondere zum damaligen us-amerikanischen Präsidenten Obama. Eine Zeitung titelte im Juni 2010 über ein Treffen in Washington: „Obama und Medwedew besiegeln den erfolgreichen >Reset< ihrer Beziehung mit Burgern und Pommes“, dazu ein Foto, dass beide beim herzhaften Biss in einen Burger zeigt.[2] Zusammenarbeiten wollte man bei einem Atomwaffenkontrollabkommen, bei Sanktionen gegen den Iran sowie in Sicherheitsfragen und bei der Terrorismusbekämpfung. Medwedew wurden Versprechen über Versprechen gemacht. Ein „Deal“ zwischen den USA und Russland hinsichtlich der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat und den Umgang mit Libyen wäre ein Jahr später also durchaus denkbar.

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