Am 15. August 2021 zogen die siegreichen Taliban nach zwanzig Jahren Krieg kampflos im Präsidentenpalast in Kabul ein. Wie Michael Lüders in seinem neuen Buch „Hybris am Hindukusch – Wie der Westen in Afghanistan scheiterte“ ausführt, war die westliche Niederlage bereits seit 2015 vorgezeichnet.

Zunächst gibt Michael Lüders einen historischen Abriss über das Land mit seinen Stammesgesellschaften, die sich zunächst in einem Königreich organisierten. Es zeigt auf, wie das Britische Empire in Afghanistan ebenso an den geografischen wie gesellschaftlichen Gegebenheiten scheiterte wie später die UdSSR, wie der hochverehrte und untadeliger Moralität verpflichtete Stammesführer Mullah Mohammed Omar 1996 einen ersten Sieg der Taliban erringen konnte, welche Rolle Pakistan in Afghanistan spielt, warum die Taliban Osama bin Laden nicht an die USA auslieferten, wie nach 9/11 der US-amerikanische „Krieg gegen den Terror“ mit insgesamt fast einer Millionen Toten ohne Zustimmung der UNO begann und wie die Mischung aus politischen Fehleinschätzungen und Hybris der Großmacht USA nur im Fiasko enden konnte, zurückzuführen auf das völlige Unverständnis für die ländlichen, religiös-traditionellen Strukturen mit archaischen Moralvorstellungen der Taliban, die sich seit Jahrhunderten kaum veränderten und sich heute auf den Koran und die Scharia berufen.

Warlords, Opiumanbau, Massaker, terroristische Anschläge, Foltergefängnisse, Kriegsverbrechen, Wahlfälschungen zur Installierung eines dem Westen gefälligen, wenn auch „bis auf die Knochen korrupten“ Regimes, kriminelle Machenschaften der Kabul-Bank – über all dies wurde nicht nur hinweggesehen, sondern die USA waren in der Regel aktiv an allem beteiligt, während für das Publikum zuhause hohle Moralphrasen gedroschen und die Situation schöngeredet wurde. Lüders schreibt: „Die Hingabe, mit der die Präsidentschaftswahlen in Afghanistan so lange gefälscht wurden, bis das Ergebnis den maßgeblichen Entscheidern im Westen gefiel. Die Hofierung von Drogenbaronen und Warlords der übelsten Sorte – enge Partner auch Berlins. […] Die gewaltige Kluft zwischen der moralischen Selbsterhöhung westlicher Akteure und der Realität ihrer Kriegsführung in Afghanistan, die Zehntausende Zivilisten das Leben gekostet hat – mit Wissen und Billigung der maßgeblichen Dienststellen. […] Dieser Krieg war in erster Linie ein Verbrechen an der afghanischen Zivilbevölkerung.“ Insbesondere in Anbetracht der flächendeckenden Bombardements, die die Bevölkerung erleiden musste, Hauptleidtragende Frauen und Kinder. Zusätzlich wurden allein zwischen 2015 und 2020 13.000 Drohnenangriffe geflogen.

Weiterlesen