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Schlagwort: Schleuser

Der neue UN-Bericht zu Libyen hat es in sich

Der Bericht der UN-Expertenkommission vom 29.09.2023 rechnet mit den unhaltbaren Zuständen in Libyen und den Machthabern im Osten und Westen des Landes ab.  

Unzweifelhaft war Libyen vor dem Nato-Krieg 2011 das am höchsten entwickelte Land Afrikas, ein Land, in dem man in Sicherheit leben konnte. Die Dschamahirija arbeitete unter Federführung von Saif al-Islam Gaddafi an einer Verfassung, die schon bald verabschiedet werden sollte und an deren Ausarbeitung alle Libyer beteiligt wurden. Muammar al-Gaddafi, der hierzulande immer noch als „Diktator“ bezeichnet wird, ging zwar hart gegen vom Ausland gesponserte und dem islamistischen Extremismus anhängende Gegner vor, seine Landsleute hingegen, und hier insbesondere die Frauen, genossen weitreichende Rechte. Sie verfügten über einen Spielraum an Freiheiten, der in anderen arabischen Ländern wie Saudi-Arabien oder auch den Vereinigten Arabischen Emiraten gänzlich unbekannt ist.

Bekannterweise beendete 2011 die Nato mit einem Krieg die Fortschritte, die Libyen auch in Sachen Menschenrechte auszeichneten. Oberst Gaddafi wurde brutal ermordet, die staatlichen Organe aufgelöst und das Land in ein sich immer mehr verschlimmerndes Chaos mit Bürgerkriegen und rivalisierenden Milizen gestürzt, das seinen Höhenpunkt in der Dammkatastrophe von Derna mit bisher geschätzt mehr als 10.000 Todesopfern fand.

Der ehemalige deutsche Innenminister Verteidigungsminister de Maizière hatte noch im März 2011 am Rande der Beratungen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel gewarnt: „Militärische Aktionen müssen bis zu Ende gedacht werden. Man darf nicht in etwas hineinschliddern, von dem man hinterher nicht überzeugt ist und was man dann nicht durchsetzen kann“.[1] Zu dieser Zeit hatten Frankreich, die USA und Großbritannien längst beschlossen, Libyen dem Chaos zu überantworten. Daran änderte auch die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat unter der Merkel-Regierung nichts.

Seit 2011 haben in Libyen extremistische Islamisten, Kriminelle, Banden und Milizen das Sagen, deren einziges Ziel die persönliche Bereicherung ist. Auf Libyen und die Menschen dort wird gepfiffen. Dies wird nun durch einen aktuellen Expertenbericht der Vereinten Nationen belegt, der schockierende Details offenlegt.

Die östliche Region und die Haftar-Familie

Der Bericht des UN-Expertengremiums zeigt auf, welchen Plan die Haftar-Familie entwarf, um verstärkt Kontrolle über „die militärischen, finanziellen und strategischen Operationen der libyschen Armee“ sowie über das soziale und wirtschaftliche Leben im Osten Libyens zu erhalten. Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum vom 25. April 2022 bis zum 17. Juli 2023.

Khalifa Haftar ist der Oberkommandierende der Libyschen Nationalarmee (LNA), die militärisch den Osten und Süden Libyens kontrolliert. Sein zweitältester Sohn Khaled hat das Kommando über die 106. Brigade, während die 155. Brigade unter dem Kommando von Ayoub Bousif al-Ferdschani, dem Schwiegersohn von Khalifa Haftar, und Bassem al-Buaischi, dem Cousin von Khalifa Haftar, steht.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass „diese Positionen nicht nur den Einfluss der Familie Haftar auf das Militär stärkten, sondern auch darauf abzielen, den möglichen Aufstieg einer militärischen Persönlichkeit außerhalb von Haftars Kreisen in den Reihen des Militärs zu erschweren“.

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Kurznachrichten aus Libyen – 19.10.2020

Libyen. Clinton-Mails sorgen weiter für Unruhe / Schleuser al-Bidscha verhaftet / Covid-19-Gelder veruntreut / EU-Mittel für Schleuser / Syrische Söldner wieder nach Libyen

+ 17.10. Clinton-E-Mails/Sarkozy: Aufgrund der von Trump nun freigegebenen Clinton-E-Mails ist eine vierte Anklage gegen den ehemaligen französischen Präsident Nicolas Sarkozy erhoben worden. Diesmal wird ihm zum Vorwurf gemacht, 2007 eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben. Sarkozy nahm von Gaddafi Gelder für die Finanzierung seines Wahlkampfes an. In den bereits erhobenen drei Anklagen geht es um illegale Wahlkampffinanzierung sowie um die Veruntreuung öffentlicher Gelder. Aus den E-Mails geht hervor, dass Sarkozy durch den Sturz Gaddafis verhindern wollte, dass die französische Vormachtstellung mittels des CFA in Afrika durch eine von Gaddafi angestrebte, goldgedeckte afrikanische Währung geschwächt worden wäre.
Sarcozy weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.
https://en.218tv.net/2020/10/17/sarkozy-charged-with-forming-a-gang-in-libyan-funds-case/
siehe auch: https://www.freitag.de/autoren/gela/wahlkampffinanzierung-fuer-sarkozy-wirds-eng

+ 18.10.: Clinton-E-Mails/Susan Rice. Aus einer kürzlich freigegebenen E-Mail der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton geht hervor, dass sich Russland und China 2011 nachdrücklich für eine politische Lösung in Libyen einsetzten. Am 4. April 2011 ging eine E-Mail von der damaligen UN-Botschafterin Susan Rice an den Clinton-Berater Jacob Sullivan, der diese an Clinton weiterleitete. Darin heißt es, China, Indien und Russland stünden dem Vorgehen der NATO in Libyen „am kritischsten“ gegenüber und behaupteten, die NATO habe das Mandat 1973 überdehnt. Bei den Luftangriffen der Koalition seien Zivilisten verletzt worden. Laut Rice „rief der russische [Ständige Vertreter] aus, dass >Gewalt nur zu Gewalt führt<, und der indische [Ständige Vertreter] äußerte sich besorgt über die Rederei von >Rebellen bewaffnen oder boots on the ground<.“ Indien habe auch davor gewarnt, „in einer Stammesgesellschaft wie der libyschen, Partei zu ergreifen, und warnte vor Maßnahmen, die zur Teilung des Landes führen könnten“. Rice schrieb: „Mehrere Ratsmitglieder betonten, dass das Waffenembargo für alle Seiten gilt und erklärten ausdrücklich, dass die Bewaffnung der Rebellen einen Verstoß gegen das Embargo darstellen würde“. Laut Rice sagte China: „Es muss eine politische Lösung für den Konflikt geben“, und Russland meinte: „jede politische Transformation müsse letztlich von Libyen herbeigeführt werden“.
Im Jahr 2012 schlussfolgerte ein UN-Bericht, dass den Luftangriffen der Nato dutzende Zivilisten zum Opfer fielen. Und aus einem britischen Parlamentsbericht aus dem Jahr 2016 geht hervor, dass Gaddafi 2011 kein Massaker an Zivilisten geplant habe. Die entsprechenden Falschberichte waren zum Anlass für den Nato-Krieg gegen Libyen genommen worden.
https://addresslibya.net/archives/60147

+ 15.10.: Hillary Clinton. MiddleEastMonitor titelt: Drei Frauen, viele Lügen und die Zerstörung Libyens. In dem Artikel heißt es, dass Hillary Clinton, Susan Rice und Samantha Power die drei treibenden Kräfte beim Krieg gegen Libyen im Jahr 2011 waren. Gaddafi sei ermordet und Libyen von den drei Frauen in die Gesetzlosigkeit gestürzt worden. Clinton habe den Krieg unbedingt gewollt und als Außenministerin dafür auch das Pentagon und die Geheimdienste hintergangen. Beamte des Pentagon und der demokratische Abgeordnete Dennis Kucinich öffneten sogar geheime Gesprächskanäle zur damaligen libyschen Regierung, in dem Versuch, den sinnlosen Krieg zu beenden. Allerdings hörte Präsident Obama auf Clinton, die ihn mit falschen Informationen fütterte. Sie befahl Susan Rice, der ständigen US-Vertreterin im UNO-Sicherheitsrat, die Verabschiedung der Resolution 1973 durchzusetzen, die mit zehn Ja-Stimmen bei fünf Enthaltungen angenommen wurde. Gleichzeitig arbeitete Samantha Power im Nationalen Sicherheitsrat daran, den Krieg als „humanitäre Intervention“ innerhalb der US-Regierung zu verkaufen. Clinton habe das amerikanische Volk und das Parlament mindestens zweimal belogen, indem sie die damaligen Ereignisse in Libyen falsch darstellte. Sie hatte fälschlicher Weise behauptet, bei der Militärmission in Libyen ginge es nicht von Anfang an um einen Regimewechsel. Nach Beginn der Nato-Bombardements, die immer stärker ausgeweitet wurden, verhinderte sie jeden Vermittlungsversuch. Die Nato-Intervention ging weit darüber hinaus, die Zivilbevölkerung zu schützen, wie es die UN-Resolution vorgab. Obama selbst habe am 23. März 2011 gelogen, als er eine Flugverbotszone einrichtete, die angeblich dem Schutz des „libyschen Volkes vor unmittelbarer Gefahr“ dienen sollte, aber eindeutig einen Regimechange zum Ziel hatte.

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Kurznachrichten aus Libyen – 22.04.2020

Militärische Lage – Libysche Städte und Stämme – Libysche Nationalarmee – Coronakrise – ‚Einheitsregierung‘ – Verschiedenes

Militärische Lage

+ 22.04.: Schwere Zusammenstößen zwischen der Libyschen Nationalarmee (LNA) und „multinationalen terroristischen Einheiten“ der ‚Einheitsregierung‘ in Ain Zara und Salah al-Din. Nachts schoss die LNA ein Waffendepot der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis (Krimia) in Brand.

+ 22.04.: Über Bani Walid und über Tripolis hat die LNA-Luftverteidigung innerhalb von 6 Stunden drei türkische Drohnen abgeschossen.

+ 22.04. Beim Beschuss des Stadtteils Kasr bin-Gscheir in Tripolis, der fest in LNA-Hand ist, starb eine ganze Familie. Weiterlesen